Staatshilfe für VW-Bank: Alle denken an Autos und Banken, niemand an den Mittelstand

by Dirk Elsner on 19. Februar 2009

Das ist ja wieder einmal Klasse und gleichzeitig absurd. Während das Konjunkturprogramm seine Wirkung entfaltet und vor allem über die Abwrackprämie das Geschäft bei Autobauern und Schrotthändlern ankurbelt, setzt sich Rüttgers für Opel und Ford in Detroit ein und nun nimmt die Finanzierungstochter von VW auch noch SoFFin-Mittel in Anspruch. Die VW-Bank habe vom Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) einen Garantierahmen von zwei Mrd. Euro bekommen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.

In diesen Monaten der Finanz- und Wirtschaftskrise drängt sich der Eindruck auf, es gäbe nur Banken und Autoindustrie, die für den wirtschaftlichen Wohlstand und Beschäftigung sorgen. Deutschland hat die Autoindustrie bereits mit mehreren Airbags gepolstert: Steuerliche Anreize beim Neuwagenkauf, die Wiedereinführung der Pendlerpauschale und die erfolgreiche Verschrottungsprämien sorgen für ungebremsten Fahrspaß.

Der Mittelstand kocht derweil abseits der Leitplanken. Und er kämpft mit den direkten und indirekten Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die staatliche Unterstützung für den Mittelstand ist überschaubar und viele scheuen weiterhin den bürokratischen Aufwand der Hilfen. Denn wer als Mittelständler schon einmal eine öffentliche Bürgschaft zur Finanzierungsunterstützung in Anspruch genommen hat, der weiß, welch ein bürokratischer Akt erforderlich ist, um überhaupt eine solche Fahrhilfe einbauen zu können. Da vergeht viel Zeit und muss viel Papier beschrieben und bewegt werden, um in den Genuss solcher Mittel zu gelangen. Der Aufwand ist für die meisten Unternehmen so hoch, dass sie im Zweifel lieber auf solchen Unterstützungen verzichten.

Dabei spürt der deutsche Mittelstand sehr intensiv die Schlaglöcher der Finanzkrise. Der Credit Crunch macht sich hier ebenfalls deutlich bemerkbar, allerdings nicht so spektakulär, wie bei Großunternehmen. Und die Hindernisse summieren sich. So sind Finanzierungen für Investitionen schwerer zu erhalten, die Finanzierungskosten für Leasing- und Kreditversicherungen sind gestiegen und Lieferanten haben ihre Lieferkreditlinien gekürzt. Die Liste lässt sich leicht verlängern. Neben diesen Finanzierungsbremsen, geraten viele Unternehmen zusätzlich unter Druck, weil die Umsatzerlöse ins Stottern geraten.

Trotz dieser Hindernisse jammert der deutsche Mittelstand nicht so öffentlich. Oder seine Klagen werden nicht gehört, weil ein hupender Mittelständler in der Öffentlichkeit so gut wahrgenommen wird, wie eine Fahrradklingel an einer Formel 1-Strecke, nämlich gar nicht. Trotzdem brodeln die Kühler im Mittelstand, wenn sie sehen, wie einfach und schnell Konzerne per Lautsprecher und Öffentlichkeit die Abkürzung durch den Stau nehmen können. Während für Großunternehmen das „to big to fail” in Mode kommt, gilt für den Mittelsand „to small to yell”, was nichts anderes heißt, sie sind zu klein, um aufzuschreien.

Das Kalkül der Autokonzerne ist klar, um an staatliche Hilfen zu gelangen. Politiker folgen nicht der wirtschaftlichen Vernunft, sondern einer politökonomischen Rationalität, was im Klartext heißt, sie versuchen mit gegebenen Mitteln den Politikmix zu verfolgen, der ihnen ein optimales Wahlergebnis verspricht. So wundert es nicht, dass sich gestern Rüttgers PR-wirksam in Detroit neben GM-Chef Rick Wagoner ablichten ließ, um sich so ins rechte Licht zu rücken.

Welchen Anreiz die Autokonzerne da haben sollen, strukturelle Probleme anzugehen bleibt unklar. Sie können bei Schieflagen mit staatlicher Unterstützung rechnen. Mittel- und langfristig richtet die massive Förderung der Autoindustrie mehr Schaden an. Strukturelle Änderungen werden aufgeschoben, Innovationen verschleppt und Klimaaspekte sofort verschrottet. Matthias Eberle vom Handelsblatt kommentiert das so: „Erst wenn Obamas Autoteam den Konkurs vorbereitet, werden Gläubiger und Gewerkschafter einknicken.“

Dabei könnten andere Produktionszweige oder Startups viel eher eine Starthilfe gebrauchen. Sie wollen in zukunftsträchtige Geschäfte investieren und stecken im Treibsand der Finanzkrise, weil ihre Finanzierungstöpfe ausgetrocknet sind. Mittelständlern könnte z.B. ein schnellerer und unbürokratischer Zugang zu Bürgschaften helfen, überhaupt wieder Fahrt aufzunehmen.

Weitere Meldungen zur staatlichen Unterstützung

HB: Studie: Krise schmälert Bankenwert um 5,5 Bio

FTD: Autobanken erhalten Staatsgarantien

Spon: Opel-Mutterkonzern: GM will 47.000 Jobs streichen und fordert riesiges Hilfspaket

Rüttgers: GM plant keine Werksschließungen bei Opel

Zeit: Scheidung auf Raten – Opel will die Trennung, GM deutsche Steuergelder »

HB: Nur eine Lex Hypo Real Estate?

Querschüsse: „GM braucht weitere Staatshilfen“

Investores Inside: Sind GM und Chrysler alleine überlebensfähig?

WEissgarnix: Deutsche Phantomschmerzen

NYT: Senator Skeptical About Auto Bailout

FAZ: Die Enteignung der HRE-Aktionäre rückt näher

HB: Tausende bringen Schaeffler zum Weinen

FTD: Staatshilfen – nicht immer erfolgreich

HB: Dank Abwrackprämie: Trubel auf dem Autofriedhof

Spon: Tricky Rick wurschtelt sich durch

HB: Der Opel-Effekt

HB: HSH Nordbank will frisches Kapital

HB: Was die Autobranche an Neuheiten auf Lager hat

Comments on this entry are closed.

{ 1 trackback }

Previous post:

Next post: