Bonus-Desaster: „Warum ist es noch so still?“

by dels on 30. März 2009

Ich wollte der Versuchung widerstehen, etwas über das Bonus-Desaster, das uns nationale und internationale Finanzinstitute und Unternehmen in diesen Wochen bescheren, zu schreiben und den 1.000 Empörungsbeitrag über die wirklich beispiellos peinliche Vorstellung der Spitzenmanager zu verfassen. Ich denke, wenn das Thema schon der Bild als Aufmacher dient, dann ist es für Blogs langweilig, sich damit weiter zu befassen.

Dann las ich aber in der Frankfurter Allgemeines Sonntagszeitung (FAS) verschiedene Beiträge, die mich nun doch dazu bewegen, das Thema aufzugreifen. Aber nicht um mich als empörender “Gutmensch” zu positionieren, sondern weil ich angesichts des Weltfinanzgipfels am kommenden Donnerstag und den bereits angelaufenen Protesten um unseren gesellschaftlichen Konsens fürchte.

Die handelnden Spitzenmanager haben nämlich mit ihrem Verhalten das geschafft, wovon viele Protest-Gruppen seit Jahren träumen: Einen antimarktwirtschaftlichen Grundkonsens anzurühren, der brandgefährlich werden kann. Und in dieser Woche stehen die Chancen gut, dafür genügend öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten, zumal die vom Finanzgipfel selbst kommenden Ergebnisse wohl eher schwer vermittelbar sein werden.

Im Handelsblatt ist heute bereits zu lesen: “London rüstet sich für den G20-Gipfel am 2. April und erwartet Verkehrschaos, Demos und Krawalle. Kapitalismuskritiker haben mit Schlachtrufen wie „Stürmt die Bank“ oder „Verbrennt einen Banker“ zu einer „Woche des Chaos“ und einem „G20-Meltdown“ aufgerufen. Die Weltwirtschaftskrise ruft Aktivisten jedweder Couleur auf den Plan. Unter anderem hofft das facettenreiche „Global Justice Movement“, das vor zehn Jahren ein Treffen der Welthandelsorganisation in Seattle sprengte, auf ein Comeback.”

Hier werden sich Gruppierungen vereinigen, weil sie gegen etwas sind und nicht, weil sie bessere und plausiblere Alternativentwürfe zu unserer Ordnung anbieten. Dieses “Gegen-etwas-sein” lässt sich nun wunderbar am Symbol des “gierigen Managers” manifestieren. Das Spitzenpersonal von AIG & Co. hat den optimalen Nährboden für eine Solidarisierung von Protestgruppen bereitet, die sich sonst selbst untereinander ideologisch bekämpfen. Der solidarische Protest, der vielen Gruppen auch entsprechende Mediensympathien bringen wird, könnte gar eine Zeitenwende in der gesellschaftlichen Debatte suggerieren.

Ich weiß, dass sich mittlerweile viele diese Zeitenwende herbeiwünschen. Nur habe ich bisher nirgends einen Alternativentwurf entdecken können, der mit wirklichkeitsnahen Menschenbildern einen plausiblen dritten Weg skizziert hat. Das bedeutet nicht, dass es keinen dritten Weg gibt. Aber realistischer dürfte es sein, evolutionäre Veränderungsprozesse auf Basis des gegenwärtigen Systems anzustoßen und nicht die gesamte Ordnung auf den Kopf zu stellen.

Eine bestimmte Gruppierung hat sich aber aus unsere gegenwärtige marktwirtschaftliche Ordnung in den letzten Jahren verabschiedet und wesentliche Grundpfeiler so stark beschädigt, dass der Ordnung nun der Einsturz droht. Mit diesen Grundpfeilern meine ich insbesondere die Kategorien Haftung und der Verantwortung. Die Schädiger beschreibt Nils Minkmar im Feuilleton der FAS so: “Es war eine Elite, die am besten ausgebildeten, am besten bezahlten Herren aus den besten Familien, die das Geld der Welt verjuxt haben.”

Wenn ich jetzt davor warne, vorschnell mit einen dritten Weg zu sympathisieren, dann auch deswegen, weil ich viele Manager und Unternehmer kenne, die zwar keine medienwirksamen Schlagzeilen machen, die aber in ihren Einflussbereichen genau die Verantwortung zeigen, die man erst recht von hochbezahlten Managern hätte erwarten müssen.

Diese Personen, die ich im Kopf habe, zeichnen sich durch eine hohe Verantwortungsethik gegenüber Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern aus. Verantwortung heißt nicht, dass sie nicht leistungsfähig sind oder sich nicht dem Wettbewerb stellen. Verantwortung bedeutet aber, nicht einfach den persönlichen Nutzen ohne Rücksicht auf Dritte zu maximieren. Viele dieser Personen wirken in mittelständischen Unternehmen oder in Großunternehmen. In Konzernen stehen sie aber aber häufig in der 2. Reihe, weil sie gerade nicht in alphatiermanier ihre Konkurrenten um Toppositionen weggeräumt haben. Ihnen wird man nicht gerecht, wenn man nun ein System in Frage stellt, das uns in den letzten Jahrzehnten enormen Wohlstand und viele Vorteile gebracht hat.

Wenn wir in dieser Woche die Bilder von den Protesten in London und anderen Städten sehen und wohl leider auch Bilder der Gewalt, dann sollten wir daran denken, wer dafür die Mitverantwortung trägt: Eine Funktionselite, die ihre Verantwortung vergessen hat und sich in selbstgerechter Weise ein nicht-delinquentes Selbstbild konserviert hat, das weit von den Idealen einer marktwirtschaftlichen Ordnung entfernt ist.

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