Krisenmanagement: Informations- und Dialogpaket für den Mittelstand

by Dirk Elsner on 20. April 2009

Alle sprechen und schreiben von der Krise. Die Nachfrage sinkt, Kunden drücken die Preise und zahlen schleppend. Die Liquidität wird knapper, Mitarbeiter werden in Kurzarbeit geschickt oder entlassen. Düstere Daten und Prognosen drücken die Stimmung und sorgen für Stress.

Selbst Betriebe, denen es gut geht, werden durch dunkle Schlagzeilen verunsichert. Andere lassen sich vom Krisengerede nicht kirre machen und halten Ausschau nach neuen Optionen. Viele Unternehmen treiben gerade jetzt Innovationen voran und wagen sich auf neue Geschäftsfelder vor.

Dies ändert aber nichts daran, dass die Erwartungen vieler Unternehmen heftig durcheinander gewirbelt werden. Daher stellen sich viele Entscheidungsträger in Unternehmen die Frage, wie sie auf die Krise reagieren sollen. Dabei kann dies noch eine vergleichsweise luxuriöse Fragestellung sein. Schwerer wird es für Unternehmen, die sich einer Existenzkrise nähern und deren Handlungsoptionen nun fühlbar schwinden.

Aus vielen Gesprächen und Mails weiß ich, dass aber gerade in diesen Zeiten ein großes Informationsbedürfnis besteht. Man würde sich gern austauschen über die persönliche Betroffenheit oder die des eigenen Unternehmens. Hier gibt es aber eine Barriere, die viele abhält, einen direkten Dialog zu suchen. Einige scheuen dies, weil sie den Eindruck haben, andere würden besser als man selbst durch die Krise kommen. Ich kann Ihnen versichern, dass dies nicht so ist. Sehr viele Unternehmen kämpfen in welcher Form auch immer mit dieser Krise.

Weil ich glaube, dass neben dem Informationsbedürfnis auch ein Dialogbedürfnis besteht, man aber gleichwohl respektieren sollte, dass niemand gerade das eigene Unternehmen als betroffen outen möchte, starte ich in dieser Woche eine Angebot zum Management in Krisenzeiten:

  1. Eine mit diesem Beitrag startende Artikelserie mit Hilfestellungen für das strategische und operative Krisenmanagement und die Krisenprävention, ergänzt durch eine Seite mit Literaturhinweisen zum Krisenmanagement.
  2. Eine Sammlung von praxisnahen Mindmaps, die die Artikelserie ergänzen und als Arbeitshilfe verwendet werden können.

Dieses Informations- und Dialogangebot richtet sich an Unternehmer, Manager aber auch an Mitarbeiter in Unternehmen, wenn sie in welcher Form auch immer in einer Unternehmenskrise stecken oder diese verhindern wollen. Ich bin sicher, dass Sie davon profitieren können und Anregungen erhalten oder auch weitergeben können.

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Überblick Mindmap

Krise als Herausforderung

Unternehmern und Managern werden in diesen Zeiten viele Publikationen gereicht mit Vorschlägen, die ihm sagen, wie er es richten soll. Unzählige Ansätze zur Neu- oder Umorganisation von und in Unternehmen werden vorgestellt. Als wirklich hilfreich werden viele Publikationen nicht empfunden, weil sie zu pauschal sind und selten auf die speziellen Bedürfnisse des eigenen Unternehmens zugeschnitten sind, dies aber auch nicht können. Dies überrascht nicht, denn der notwendige Handlungsrahmen orientiert sich stets am aktuellen Kontext des jeweiligen Unternehmens, seiner Branche, den Ursachen der Probleme usw.

Das bedeutet im Klartext, das Management eines Unternehmens muss stets in Abhängigkeit von der individuellen Situation, der Betroffenheit der Krise und den Zukunftserwartungen seine eigene Strategie entwickeln. Es muss dabei die Balance finden zwischen sinnvoller und zukunftsorientierter Krisenreaktion und der Gefahr, sich in Krisenzeiten zu sehr mit sich selbst zu beschäftigen.

Auch dieser einleitende Beitrag kann das gängige Klischee von der Krise als Herausforderung nicht vermeiden. Es hat sich nämlich gezeigt, dass viele Unternehmen die letzte Wirtschaftskrise zwischen 2000 und 2003 genutzt haben, um sich fit zu machen. Viele fühlen sich dadurch für die gegenwärtige Wirtschaftsflaute gut gerüstet[1]. Bricht eine Krise über die Wirtschaft herein, ist das für viele kein Grund, die Köpfe in den Sand zu stecken.

Insbesondere bei einer Markt- oder Konjunkturkrise bieten sich unglaubliche Chancen. Krisen können z.B. stärkere Wettbewerber schwächen, wenn diese nur ein dünnes finanzielles Polster haben. So nutzen viele Unternehmen Krisensituationen, um ihren Konkurrenten Kunden abzujagen oder Veränderungen durchzusetzen, die in normalen Zeiten auf Widerstände von Eigentümern und Mitarbeitern gestoßen wären.

Krisen brechen verkrustete Marktstrukturen auf, wie aktuell im Finanzsektor. Produktzyklen enden, Märkte trocknen aus und an anderen Stellen entstehen neue Produkte, weil kreative Köpfe plötzlich Mut und Zeit haben, Neues auszuprobieren. Die Globalisierung und andere Megatrends enden nicht, nur weil es eine Finanzkrise gibt. Gängige Allgemeinplätze lauten, dass Unternehmen in diesen Zeiten noch intensiver als zuvor nach neuen Absatzmärkten suchen sollten, Innovationen fördern und das Unternehmen kreativer gestalten müssen.

Wie der griechische Ringer Antaios, der bereits am Boden liegend zu großer Stärke zurückfand, nehmen viele Unternehmen die Herausforderung erfolgreich an, während Konkurrenten dahin dümpeln oder gar scheitern. Jeder Abschwung eröffnet Chancen für Veränderungen, die sich in solchen Situationen häufiger sogar leichter umsetzen lassen, weil der Widerstand gegen Veränderungen schwächer wird.

Dies sind zunächst alles hübsche Allgemeinplätze, die den Business-Smalltalk antreiben, jedoch nicht auf die individuelle Unternehmenssituation eingehen. In der Praxis bleibt außerdem häufig gar nicht genügend Spielraum, wenn die Auswirkungen einer Krise schon deutlich zu spüren sind.

Viele Unternehmen verfallen in Krisenseiten in Extreme, wie Professor Donald Sull feststellt: „ Während eines Aufschwungs treten sie aufs Gaspedal, um die Erträge zu steigern. Dreht sich die Konjunktur, treten sie auf die Bremse, geben alle Wachstumsbemühungen auf und konzentrieren sich darauf, Kosten zu senken. Zieht die Konjunktur wieder an, wird die mühsam erreichte Ausgabendisziplin wieder über Bord geworfen, um erneut auf Wachstumskurs zu gehen.“ [2]

Nach der Analyse sollte man daher nicht unmittelbar und überhastet handeln[3], sondern sich die mittel- und langfristigen Konsequenzen seiner Entscheidungen bewusst machen. Hat man z.B. erst einmal begonnen, Personal frei zu setzen, dann ist diese Entscheidung nicht so einfach im nächsten Aufschwung reversibel. In das Pflichtenheft gehören auch Gedanken, welche mittelbaren oder unmittelbaren Chancen eine Krise eröffnet.

Aufbau der Artikelserie

Die folgende Themeneinteilung für die Artikelserie orientiert sich an typischen Vorgehensmodellen und praktischen Erfahrungen.

  1. Krisenmanagement: Informations- und Dialogpaket für den Mittelstand (dieser Beitrag)
  2. Krise ungleich Krise: Krisendefinition und Krisenphasen
  3. Von der Existenzkrise zur Insolvenz
  4. Grundzüge der Krisendiagnose
  5. Mögliche Ursachen von Unternehmenskrisen
  6. Praktisches Krisenmanagement für Unternehmen: Die Krise strategisch managen
  7. Psychologie in der Krise
  8. Operatives Krisenmanagement: Übersicht, Sanierungskonzept und Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität
  9. Operatives Krisenmanagement: Ausgewählte Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarf
  10. Managementmoden, Umsetzung und Umstrukturierungen
  11. Kommunikation in Krisenzeiten

Artikel und Mindmaps werden in unregelmäßigen Abständen überarbeitet, erweitert und aktualisiert.

* Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH. Er hat als Bereichsleiter in Banken und Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen und die Anforderungen von Banken und Investoren aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de.


[1] Vgl. Firmen sind fit für die Krise, in: Handelsblatt v. 4.2.2009

[2] D. Sull, Mastering Krisenstrategie, Teil 1: Rezession erkennen, Beilage der FTD am 23.1.09, S. 3.

[3] Dringende Maßnahmen mögen häufig unumgänglich sein. Aber Beispiele, wie Märklin oder Kunert zeigen, dass ein Quick-Fix durch teure Berater viel kaputt machen kann.

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