Operatives Krisenmanagement: Ausgewählte Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarf

by Dirk Elsner on 14. Mai 2009

Dieser neunte Beitrag der Serviceserie* zum Krisenmanagement für den Mittelstand (Übersicht hier) setzt die Maßnahmen zum operative Management kritischer Unternehmenssituationen fort. Während es im letzten Beitrag um ausgewählte Maßnahmen zur Optimierung der Liquidität ging, geht es heute um die Deckung des Kapitalbedarfs.

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Abbildung: Übersicht Krisenmanagement (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar)

Nur die wenigsten Unternehmen haben die Marke und das „Glück“, wie aktuell Daimler Benz, einen arabischen Staatsfonds als Investor zu finden und nun sogar mit Investoren aus China zu sprechen. Dass es nicht einfach ist, einen Großinvestor zu finden, zeigen dagegen die Beispiele Opel und Porsche.

Ohnehin setzt die Deckung des Kapitalbedarfs nicht bei Investoren ein, sondern viel früher. Bekanntlich versteht man unter Kapitalbedarf den Bedarf eines Unternehmens an geldwertmäßigen Mitteln, das heißt, den Bedarf an Sach- und Finanzmitteln zur Erfüllung betrieblicher Ziele. [1]

Hier soll es aber nicht um eine akademische Übung zur Ermittlung des Kapitalbedarfs und seiner Finanzierung gehen,[2] sondern um eine praxisnahe Betrachtung.

Die beiden Maßnahmenbündel Liquiditätssicherung und Kapitalbeschaffung sind eng miteinander verzahnt. Sie unterscheiden sich aber u.a. durch ihre Fristigkeit und dadurch, dass man die Liquiditätsoptimierung vorwiegend selbst betreibt, während man zur Deckung des Kapitalbedarfs auf Kapitalgeber angewiesen ist. In der Praxis können die Grenzen zwischen den Ansätzen allerdings fließend sein.

Auch hier gilt, dass eine ausführliche Beschreibung aller Maßnahmen zur Kapitaldeckung diesen Beitrag sprengen würde. Für den praktischen Mehrwert dieser Artikelserie stelle ich daher wieder einige ausgewählte Aspekte heraus. Eine umfassende Übersicht mit verschiedensten Maßnahmen enthält diese Mindmap (siehe auch folgende verkleinerte Abbildung), so dass Artikel und Mindmap zusammen Unternehmern und Managern die Orientierung über Vorgehen und Maßnahmen erleichtern und entsprechende Anregungen liefern können.

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Abbildung: Übersicht Krisenmanagement (aktuelle und umfangreichere Version der Mindmap hier abrufbar).

Planungsaufwand für Kapitalbeschaffung

Finanzierungsmaßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass in welcher Form auch immer dem Unternehmen neue Finanzmittel zugeführt werden.

Der Planungs- und operative Durchführungsaufwand für bestimmte Maßnahmen sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Insbesondere vor mittelständischen Unternehmen stehen gerade nicht die Finanzinvestoren Schlange, wenn man Beteiligungen sucht oder das Unternehmen oder bestimmte Teile verkaufen möchte.

Wenn die Geschäftsleitung oder die bisherigen Eigentümer also nicht über ein Netzwerk verfügen, aus dem sich ohne großen Aufwand zusätzliche Mittel mobilisieren lassen, dann erfordert der (Teil-)Verkauf entsprechende Vorbereitungszeit und –planung, wenn man keine Abstriche beim Verkaufserlös machen will.

Auch wenn die Frage nach einem (Teil-)Verkauf zu Beginn des Krisenmanagements häufig nicht im Vordergrund steht, so gewinnt sie spätestens dann an Bedeutung, wenn sich eine fortführende Sanierung durch die derzeitigen Unternehmenseigner nicht realisieren lässt.

Es empfiehlt sich daher, früh­zeitig nach Interessenten für eine Übernahme des gesam­ten Unternehmens oder von Betriebsteilen Ausschau zu halten.“[3] Das Gleiche gilt, wenn zusätzliches Kapital eingeworben werden soll, sei es von Banken oder Investoren.

Für die eigentliche Suche nach einem geeigneten Investor ist entsprechend Zeit und Geduld erforderlich. Es kann zwar hilfreich sein, über entsprechende Kontakte zu Investoren bzw. Investorenvermittlern zu verfügen, eine wesentliche Erleichterung ist daraus allerdings nicht zu erwarten. Da Investoren ihren eigenen Anlegern ebenfalls Rechenschaft schulden, halten sie sich in der Praxis strikt an selbst auferlegte Regeln für ihre Investments. Und diese Regeln sind von Investor zu Investor höchst unterschiedlich, wie ein Blick in die Beteiligungsbedingungen verschiedenen Gesellschaften zeigt (z. B. hier über die Investorenliste beim Bundesband Deutscher Beteiligungsgesellschaften)

Vorbereitung einer due diligence

Neben der Auswahl potentieller Kapitalgeber gilt es, sich entsprechend vorzubereiten. Hier sind die Ansprüche an den Mittelstand in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Reichten früher Bilanz, Kontoauszug und Bankauskunft, geben sich professionelle Investoren damit längst nicht mehr zufrieden.

An diesem Punkt setzt die due diligence-Prüfung ein. Ins Deutsche übersetzt bedeutet due diligence „im Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfalt“. Es handelt sich um die bewusste, systematische, professionelle Untersuchung vor, während und auch nach den laufenden Kaufverhandlungen. Sie beurteilt diejenigen Aspekte der zu erwerbenden Gesellschaft, die den Wert erheblich beeinflussen. Dabei werden rechtliche, steuerliche, finanzielle und personelle Aspekte zu einem „realistischen“ Gesamtbild des Unternehmens zusammengeführt und bewertet[4].

Eine due diligence hilft damit, den „Informationsnotstand“ des Käufers zu beseitigen. Mit ihrer Hilfe will der (potentielle) Käufer

  • einen realistischeren Kaufpreis verhandeln,
  • den Kaufvertrag sachgerechter formulieren und
  • die gesamte Transaktion juristisch gemäß den tatsächlichen Gegebenheiten der zu kaufenden Unternehmung strukturieren können.

Eine due diligence soll also helfen, Umstände zu erkennen, die nach Abschluss des Kaufs nicht kalkulierbaren Risiken für den Käufer werden könnten, wie z.B.

  • Stützt sich der Umsatz der Firma auf wenige Hauptkunden, die bei einem Kauf der Firma abspringen, lohnt sich ein Kauf kaum.
  • Verfügt die kaufende Unternehmung über zu wenig Managementkapazität und wird sie sich auf das Management der angebotenen Firma stützen müssen, wird sie diese kaum kaufen, wenn eine due diligence zeigt, dass das Management schwach ist und große Fluktuationen beim Personal hervorruft oder mit dem eigenen Management inkompatibel ist.
  • Ungenügend finanzierte Personalvorsorge-Einrichtungen können zu einem Nachholbedarf führen, der den Kauf des Unternehmens nicht mehr lohnend erscheinen lässt.
  • Rechts- und Steuerfragen treten in der Praxis am häufigsten als Deal Breaker auf (Haftpflicht- und Garantiefälle, Marken- und Patentstreitigkeiten, Steuerverfahren usw.).

In der Praxis sieht es so aus, dass das kaufende Unternehmen eine Aufstellung bestimmter Unterlagen übermittelt, die zur Einsichtnahme gewünscht werden. Das bedeutet nicht, dass die geheimsten Geschäftspapiere kopiert und versendet werden müssen, sie sollten aber im Zweifel vor Ort schnell verfügbar sein. Der Vorbereitungs- und Zeitaufwand ist dabei nicht zu unterschätzen, weil oft Unterlagen zusammengesucht werden müssen, die möglicherweise schon lange in Archiven verstauben.

Drei Empfehlungen aus der Praxis möchte ich an dieser Stelle geben:

  1. Stellen Sie die geforderten Unterlagen sorgfältig zusammen. Dies gilt insbesondere für Planungsunterlagen. Wenn bestimmte gewünschte Unterlagen nicht verfügbar sind oder die Bereitstellung nur unter großem Aufwand möglich ist, dann sollte mit dem Kaufinteressenten der Verzicht auf die Unterlage abgestimmt werden.
  2. Legen Sie eine integrierte Planung vor, in der voneinander abhängige Größen wie Umsatz und Wareneinkauf oder Produktionsmenge und Personal stets simultan geplant sind. Andernfalls erhalten Sie schnell Plausibilitätsprobleme, die zu unangenehmen Nachfragen führen können.
  3. Verheimlichen Sie dem potentiellen Käufer nicht vorsätzlich Schwachstellen. Im Rahmen einer Prüfung werden Fachleute eines professionellen Investors diese mit hoher Wahrscheinlichkeit aufdecken.

Einen Fremdinvestor ins Haus zu holen, setzt voraus, dass man mit ihm vertrauensvoll zusammenarbeiten möchte. Sie sollten sich dabei von dem hartnäckigen Vorurteil befreien, dass Investoren wie Heuschrecken agieren. Die mag es tatsächlich geben. Im „normalen“ Beteiligungsalltag trifft man aber eher auf Personen oder Unternehmen, die einfach nur ihr eigenes Kapital sinnvoll investiert wissen und dabei nicht hinters Licht geführt werden wollen. Die Unsicherheit ist also beim Finanzinvestor im Zweifel viel größer als bei dem kapitalsuchenden Unternehmen.

Kreditvergabe und Umgang mit Banken

Der Umgang mit Banken erfordert gerade in Krisenzeiten etwas Fingerspitzengefühl. Banken scheuen das Risiko in noch viel größerem Umfang als Investoren. Und sie sind vom Gesetz dazu verpflichtet, vor der Kreditvergabe den Kreditnehmer sorgfältig zu prüfen.

Kreditinstitute mögen es, wenn sie fortlaufend über den Geschäftsverlauf informiert werden. Dies erfolgt am besten in regelmäßigen Gesprächen, die ich selbst dann empfehle, wenn kein konkreter Finanzierungsbedarf besteht. Diese Gespräche leisten einen wichtigen Beitrag zur Vertrauensbildung.

Gerade wenn ein Unternehmen z.B. ein kompliziertes Geschäftsmodell betreibt, sind regelmäßige Gespräche nützlich, um Verständnis für das Unternehmen aufzubauen. Da Mitarbeiter in Banken häufig Vorurteile gegenüber bestimmten Branchen hegen, hilft man so, diese für die Kreditvergabe hinderlichen Vorurteile abzubauen.

Die aktuelle Wirtschaftskrise ist für viele Unternehmen vor allem eine Zeit der Kreditkrise, weil vielen Unternehmen Kredite verweigert werden.

In diesem Zusammenhang ist mir im Rahmen meiner Beratungstätigkeit ein ganz praktisches Thema aufgefallen, das sich Finanzchefs für bessere Zeiten auf ihre To-Do-Liste packen sollten: Bringen Sie ihre Kreditsicherheiten in Sicherheit!

Der Hintergrund ist ganz simpel. Zwar haben viele Unternehmen in ihren Vermögenswerten eigentlich noch ausreichend Reserven, die mit zusätzlichen Krediten beleihbar wären. Gerade bei vielen mittelständischen Unternehmen ist es aber üblich, dass sich die Hausbanken über länger zurückliegenden Kreditsicherungsverträgen alle wesentlichen Vermögenswerte als Kreditsicherheit schon haben einräumen lassen.

Das kann zu paradoxen Situationen führen. So stehen etwa für neue Kredite keine Sicherheiten mehr zur Verfügung, weil sich Banken in dieser Zeit schwer tun, Kreditsicherheiten frei zu geben. Sie verweigern dies gern mit dem Verweis darauf, dass die Sicherheiten nun weniger Wert seien und die eigenen Kredite andernfalls nicht ausreichend abgesichert seien. Im Klartext: Entweder werden die Kreditsicherheiten nicht freigegeben oder die Kreditlinien werden im gleichen Atemzug reduziert, womit einem Unternehmen ebenfalls nicht gedient ist. Die gebundenen Kreditsicherheiten reduzieren so also den Finanzierungsspielraum.

Daher ist es ratsam, vor allem in wirtschaftlich guten Zeiten bzw. dann, wenn Kredite nicht vollumfänglich in Anspruch genommen werden, möglichst zügig die Freigabe von Kreditsicherheiten zu erwirken. Viele Unternehmen übersehen nämlich, dass Kreditsicherheiten unverändert erhalten bleiben, selbst dann, wenn die Kreditlinien nicht ausgeschöpft sind oder der Wert der Sicherheiten zunimmt.


* Die Beweggründe für diese serviceorientierte Serie sind in diesem Beitrag dargelegt. Der Autor, Dirk Elsner, lebt in Bielefeld und ist Senior Berater der INNOVECS GmbH und berät und unterstützt Unternehmen deutschlandweit. Er hat als Bereichsleiter in Banken und Geschäftsführer in mittelständischen Unternehmen gearbeitet und kennt die Praxis kritischer Unternehmenssituationen und die Anforderungen von Banken und Investoren aus erster Hand. Sie erreichen ihn unter dirk.elsner[at]innovecs.de.


[1] Vgl. Franz-Joseph Busse, Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 5., völlig überarb. und wesentl. erw. A., 2003, S. 41.

[2] Vgl. dazu besser das Lehrbuch von Franz-Joseph Busse, Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 5., völlig überarb. und wesentl. erw. A., 2003.

[3] Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, Die Sanierung von Unternehmen in der Krise, Arbeitspapier 25, November 2008, S. 20.

[4] Vgl. S. Schwager, Due Diligence, in Wisu 12/2002, S. 1531.

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