Geht das: Zinsen unter Null?

by Dirk Elsner on 20. Mai 2009

Ende April hatte der Blick Log auf einem Beitrag der New York Times hingewiesen, der eine Senkung der  Leitzinsen unter 0 Prozent vorgeschlagen hat. Der Harvard Ökonom Greg Mankiw hat in seinem Blog bereits diverse Beiträge zu dem Thema verfasst. „Es gibt keinen theoretischen oder praktischen Grund dafür, dass die Federal Funds Rate, der wichtigste US-Leitzins, nicht bei minus fünf Prozent oder wo auch immer liegen könnte“, schreibt Willem Buiter, Professor an der London School of Economics, in seinem Weblog.”

In Deutschland hat sich Hans Christian Müller im Handelsblatt näher mit dem Thema befasst und denkt über das Undenkbare nach.  Er beschreibt auch einen Problembereich negativer Leitzinsen:

“Bei einem negativen Leitzins – zum Beispiel in der Höhe von minus fünf Prozent – müssten die Geschäftsbanken am Ende nur 95 Euro an die Zentralbank zurückzahlen. Auch die Sparbuchzinsen wären dann wohl negativ. Und hier liegt die Tücke des Vorschlags: Wer sein Vermögen auf der Bank nur mit Verlust anlegen kann, wird es abheben und zu Hause horten. „Bevor man sein Geld an jemanden verleiht, der einen negativen Ertrag verspricht, tut man besser daran, sich das Geld unter die Matratze zu legen“, schreibt Mankiw. Denn das Horten von Münzen und Scheinen wirft eine Rendite von null ab. Damit wäre das Geld aber für den Wirtschaftskreislauf verloren, und die Konjunktur würde noch mehr leiden.”

Buiter und Mankiw haben einige Vorschläge entwickelt, die dieses Problem lösen sollen. Müller fasst diese wie folgt zusammen:

“Der Staat müsse nur den Besitz von Münzen und Scheinen so unattraktiv machen, dass die Menschen ihr Geld dennoch der Bank anvertrauen. Die Regierung könne beispielsweise einmal pro Jahr jeden zehnten Geldschein für ungültig erklären, schlägt etwa Mankiw vor. Mit einem Zufallsgenerator könnte eine Zahl zwischen 0 und 9 ausgelost werden, und jede Banknote, deren Seriennummer mit dieser Ziffer endet, wäre danach wertlos. … Jedes Verfassungsgericht der Welt würde wohl ein so willkürliches Vorgehen verbieten. Der Londoner Ökonom Buiter hat realistischere Vorschläge in die Diskussion gebracht, um die Menschen davon abzuhalten, Bargeld zu horten. Die Regierung könnte zum Beispiel festlegen, dass ein US-Dollar in bar weniger wert sei als ein Dollar auf einem Bankkonto oder Sparbuch. So entstünde eine Art Wechselkurs zwischen Münzen und Scheinen auf der einen und Kontoeinlagen auf der anderen Seite. Alternativ könne auch eine Art Bargeld-Steuer eingeführt werden. Gültig wären dann nur Geldscheine, auf denen regelmäßig gekennzeichnet wurde, dass der jeweilige Besitzer ordnungsgemäß seine negativen Zinsen bezahlt hätte.“

Was sich also beim ersten Lesen noch recht logisch anhört, verkommt so beim Durchdenken schnell zu einem bürokratischen Moloch. Dennoch, möglicherweise sind diese Vorschläge unbürokratischer als andere Konjunkturmaßnahmen. Immerhin entscheiden so nicht Politiker und Lenkungsausschüsse über die öffentliche Förderung von Unternehmen, sondern weiter der Markt.

Sehr kritsch sieht Hansruedi Ramsauer die Minuszinspolitik. Er schreibt in seinem Blog Zeitenwende:

„Negative Zinsen führen in Null-Komma-Nix zu einem Bankrun, da jeglicher Grund fehlen würde, das Geld noch dort zu lassen. Für diese Erkenntnis braucht man kein Experte zu sein.“

Mit spitzer Tastatur beleuchtet er in seinem Beitrag weitere Passaggen aus dem Artikel von Müller. Lesenswert.

enigma Mai 20, 2009 um 03:52 Uhr

Ach herrje, auf das naheliegende kommt anscheinend keiner: Sobald eine Zentralbank für ihre eigene Zentralbankgeldemission einen negativen Zins erheben würde – und das kann sie auch nur bei sich selbst durchdrücken, denn die Verpflichtung an die Banken, diesen negativen Zins weiterzugeben kann sie nicht durchsetzen – passiert nur eins. Die Zugriffsberechtigten verschulden sich bis Oberkante Unterlippe, bunkern das Geld und genießen den wieder mal den vergrößerten Zinsspread! Nichts weiter. Zinsvorteil weitergeben? Wer glaubt denn daran! Guthabenzins? Wozu denn! Nach einem Jahr wird der Tilgungsanteil zurückgegeben und der negative Zins als Nettoeinkommen gebucht. Ist ja auch eine Methode, um den Abschreibungsbedarf des Bankensystems auszugleichen.

Eigentlich ist es ja schön, daß sich die ökonomische anglo – saxon Markttheorie so gekonnt selbst zerlegt. Man muß schon ziemlich viel Humor mitbringen, um derartige Dinge auch noch komisch zu finden. Das eigentliche Desaster liegt doch darin, daß die defekte Makroökonomie diesen Hilfswissenschaftlern genau solche Eier ins Nest legt. Man kann es nur wieder betonen: die Amis und Briten haben einfach nie kapieren könnnen, warum Geldtheorie etwas anderes ist, als ihre gepflegte Mikroökonomie. Es gibt einfach keinen Weg, um von einer Individualtheorie auf eine Sozialtheorie schließen zu können. Das haben sich ja sogar die deutschen Professoren größtenteils einreden lassen, obwohl mit Lautenbach, Stützel, Hahn, Kroll und anderen eigentlich auf gut Deutsch schon alles geschrieben wurde, was man für die Analyse von Volkswirtschaften braucht! Selbst ein Keynes war doch für die (deutschen) Volkswirtschaftler damals alles andere als neu!

Denn der Denkfehler ist seit Urzeiten immer derselbe: daß der Haushaltssektor über die „Ersparnisse“ den Banken die Kreditvergabe ermöglicht, damit Produktion finanziert werden kann. Das ist die uralte Kontroverse, ob Investition die Einkommen generiert, aus denen DANN gespart werden kann oder umgekehrt. Die (Neo-) Klassik favorisiert aus markttheoretischen Gründen letzteres, Keynes hat ja wenigstens gesehen, daß ersteres nur richtig sein kann. Hätte er besser Deutsch gekonnt, wäre es leichter gewesen, die gesamte von ihm verquaste Investitions- und Einkommenstheorie einfach glasklar von z.B. Hahn (der später in den USA davon abschwören mußte) abzuschreiben.

Wie heißt es doch bei Zeitenwende so schön? „Halleluja – wen interessiert heute noch, was Computer ausspucken?“

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