Über ein schwer verdauliches Thema war gestern ein Artikel im Handelsblatt zu lesen. Unter der Überschrift “Pleiteschutz bringt Baufirmen in Zahlungsnot” berichtet die Zeitung von einem bisher nicht beachteten Gesetz, das eigentlich Baulieferanten vor Zahlungsausfällen schützen sollte, sich mittlerweile aber als Fehlkonstruktion entpuppt und sogar zusätzliche Liquiditätsengpässe erzeugen soll.
Es geht um das 100 Jahre alte Bauforderungssicherungsgesetz, das zum 1.1.2009 geändert wurde. Nach bereits 6 Monaten stellt sich heraus, dass das Gesetz wohl unpraktikabel ist und das Liquiditätsmanagement von Bauunternehmen durcheinander wirbelt. Merkwürdig ist dabei, dass der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) erst jetzt öffentlichkeitswirksam Alarm schlägt, denn die Gesetzesänderung wurde bereits Ende Oktober 2008 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Aber nun beklagt sich der Verband, weil der Bundesrat eine Änderung des Gesetzes abgelehnt hat. Dazu ist in dem Artikel zu lesen:
„Wird das Gesetz nicht geändert, kommt die ganze Branche vom Hauptunternehmer bis zum kleinsten Handwerker massiv in Liquiditätsprobleme“, sagte HDB-Vizepräsident Thomas Bauer dem Handelsblatt. Seinen Berechnungen zufolge müssten die Unternehmen nach den neuen Regeln bei gleicher Bauleistung insgesamt vier bis fünf Mrd. Euro zusätzliche Liquidität vorhalten – und das in der Krise. „Sollte die Politik das wirklich ernst meinen, müsste sie sofort einen staatlichen Liquiditätsfonds in dieser Höhe bereitstellen“, sagte er.
Die strittige Vorschrift gibt Bauunternehmen seit Jahresbeginn auf, dass sie eingehende Zahlungen von Auftraggebern und Bauherrn jeweils nur noch für deren konkretes Bauvorhaben verwenden dürfen. Auch ein Unternehmen, das viele Projekte parallel realisiert, dürfe mit Geld aus Projekt A zum Beispiel keine Betonlieferung für Projekt B mehr bezahlen – „selbst wenn der Betonmischer in einer Tour zu beiden Baustellen fährt und die Betonfirma auch nur eine Rechnung stellt“, sagt Bauer. Sogar Personal, das parallel auf verschiedenen Baustellen arbeite, müsse nach diesen Regeln eigentlich genau anteilig aus den Baugeldern für jedes Einzelprojekt bezahlt werden.“
Eigentlich erstaunlich, dass es bei dieser Konstruktion nicht schon früher einen Aufschrei gegeben hat, denn in der Praxis dürfte diese Anforderung kaum unbürokratisch umzusetzen sein und das Liquiditätsmanagement vor erhebliche praktische Probleme stellen. Aber um hier wirklich ein Urteil abgeben zu können, müsste man tiefer in die Materie einsteigen. Vielleicht kann das ja ein Leser leisten. Mir bleibt bis dahin nur ein Kopfschütteln angesichts der Bürokratie, die mit dem Gesetz ganz grundsätzlich verbunden ist.
Mit der Finanzkrise hat das ursprüngliche Gesetzgebungsverfahren übrigens rein gar nichts zu tun, denn der erste Entwurf stammt aus Anfang 2006 (siehe hier die entsprechende Drucksache).
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