Über die Zukunft ökonomischer Vorhersagen

by Dirk Elsner on 17. Juni 2009

Wirtschaftsprognosen sind derzeit ein heiß gehandeltes Thema. Zwei sehr interessante Aufsätze befassen sich mit ökonomischen Vorhersagen. Im US-Blog Credit Writedown analysiert Edward Harrison die “psychology of economic forecasting”.  Harrison geht in seinem Aufsatz auf das Verhalten und die eigenen Interessen der Analysten ein. Dabei betrachtet er u.a. das Risiko, dass Analysten eingehen, wenn sie mit ihren Vorhersagen vom Mainstream abweichen.

Auf Voxeu.org fragen sich David F. Hendry und J James Reade  How should we make economic forecasts? Diese Frage betrachten die Autoren vor allem vor dem Hintergrund, wie man in einer Rezession seine Prognosen stellen sollte.

Die Lektüre beider Texte bestätigt meine Bedenken gegen die Prognosegläubigkeit, die ich bereits im Oktober unter der Überschrift “Extreme Kursprognosen und die Schwächen von Analysten” in diesem Blog zusammengefasst habe. Ich könnte jetzt noch Nassim N. Taleb herausholen, der vielen Prognosemodellen vorwirft, sich zu wenig um “Schwarze Schwäne” zu kümmern. Taleb selbst, der für einige mittlerweile als Guru gilt, lehnt eigene Vorhersagen übrigens ab, wie er in seinem Buch schreibt. Und tatsächlich hat Taleb nicht vor der Finanzkrise gewarnt, sondern allgemein davor, dass die meisten Modelle schlecht auf Extremsituationen eingestellt seien und darum Risiken (und übrigens auch Chancen) substantiell unterschätzen könnten.

Gleichwohl soll dies kein Plädoyer für den Verzicht auf Prognosen sein, selbst wenn Banken bereits aufgrund von Sparmaßnahmen Analystenstellen streichen. Ich denke allerdings, wir sollten für unser Alltagswissen eine gesunde Distanz zu Prognosen aufbauen und Annahmen und Modelldesign insbesondere dann kritisch zu hinterfragen, wenn auf ihrer Basis weit reichende Entscheidungen getroffen werden. Es reicht jedenfalls nicht aus, allein darauf zu vertrauen, dass eine Prognose ein bestimmtes Gütesiegel, wie etwa durch einen “renomierten” Analysten,  aufweist.

Übrigens: Wirft man einen Blick auf die Prognosen der letzten Monate (siehe diese Seite für Berichte zu Prognosen), dann erkennt man wie heterogen allein die volkswirtschaftlichen Prognosen im Ablauf nur eines halben Jahres ausfallen.

Passend zu diesem Artikel gibt es eine 4-teilige Serie in der Süddeutschen, die mit „Minus Dingsbums Komma Sonstwas“ beginnt: Deutschland und seine Wirtschaftsprognosen: Die trügerische Genauigkeit der Mathematik – eine kleine Reise durch Medien und Massenpsychologie.

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