Auch Goldman Sachs muss man etwas lassen

by Dirk Elsner on 22. Dezember 2009

Snow covered Mini Cooper, Vespa and the new Goldman Sachs HQ in Battery Park City

Goldman Sachs ist in diesen Monaten das am meisten angefeindete Unternehmen der Finanzwelt. Das ist bekannt und es gehört offenbar zum guten Ton, sich am Goldman-Bashing zu beteiligen. Und in der Tat, die Goldmänner gelten nicht gerade als zimperlich in ihren Geschäftsmethoden Aber sie haben die Finanzkrise bisher viel schneller überwunden als jedes andere Unternehmen. Michael Maisch ist in einem ausführlichen Beitrag im Handelsblatt dem Phänomen Goldman Sachs nachgegangen. Er unterliegt dabei nicht dem Versuch, eine weitere populistische Schmähschrift zu verfassen, sondern bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung.

Goldman Sachs polarisiere wie derzeit kein anderes Unternehmen. Es sei “die merkwürdige Mischung aus Bewunderung, Ehrfurcht, Angst und Abscheu, mit der das Wall-Street-Haus von Politikern, Regulierern und vor allem von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird,” schreibt Maisch. Weiter: "Räuberbarone", "Vandalen" und "Geier" gehören noch zu den harmloseren Vergleichen, die die Bank in den vergangenen Wochen über sich ergehen lassen musste. Für das US-Magazin "Rolling Stone" ist Goldman schlicht eine "Vampirkrake".

Maisch fragt sich auch, warum Goldmans Kunden, aus deren Provisionen sich ja Gewinn und Bonuszahlungen speisen, sich dies gefallen lassen, obwohl sie wissen, dass Goldman Sachs ohne Scham nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Seine Vermutung:

“Allerdings nimmt die Klientel das offenbar billigend in Kauf, sonst wäre sie schon lange zur Konkurrenz übergelaufen. Wahrscheinlich vertrauen sich Unternehmen mit ihren Finanzierungsproblemen lieber einer Bank an, die bewiesen hat, dass sie ihre eigenen Risiken managen kann, als einem Institut, das unter den Schutzschirm des Staates oder die Fittiche eines Konkurrenten flüchten musste.”

Zu diesem opportunistischen Eigennutz, den man verurteilen kann, weil er offenbar keinerlei moralisch motivierte Rücksichtnahme kennt, gesellt sich aber auch ein hoher Grad an Professionalität. Und genau darin unterscheidet sich Goldman von vielen anderen Instituten. Was Goldman richtig gemacht hat beschreibt Maisch so:

 

“Was hat Goldman anders gemacht als die Konkurrenz? Einer der wichtigsten Punkte dürfte das Risikomanagement sein. Bei vielen Banken hieß die Devise vor der Krise, die Händler verdienen das Geld, deshalb bestimmen sie auch, wo es langgeht. Die Risikomanager galten oft nur als lästige Bedenkenträger. Dagegen stehen Risikomanager und Händler bei Goldman hierarchisch auf derselben Stufe, ihre Stimmen haben dasselbe Gewicht. Dank dieser Risikokultur lag Goldman mit seinen Wetten gleich zweimal richtig, als es darauf ankam. Zum ersten Mal im Winter 2006, als die Banker rechtzeitig aus dem großen Subprime-Roulette am amerikanischen Immobilienmarkt ausstiegen. Das zweite Mal Anfang 2008, als sie das Ende der akuten Phase der Finanzkrise und den Aufschwung an den Kapitalmärkten richtig voraussagten und den Fuß von der Bremse nahmen und aufs Gas traten.”

Gerade im Markfolgebereich (Abwicklung, Risikomanagement, Bilanzierung) hat die Finanzkrise in vielen Banken erhebliche Defizite  offengelegt. Es herrschte bislang überhaupt keine “Waffengleichheit” zwischen den Unternehmensbereichen. Smarte gut verdienende Händler schlossen Geschäfte ab, die das Backoffice nicht abbilden und die Risikomanager nicht bewerten konnten. Die Marktfolgebereiche vieler Häuser waren chronisch unterbesetzt. Und während die Handel- und Salesbereiche mit hochprofessionellen Systemen arbeiten durften, behalfen sich viele Häuser in der Risikodarstellung mit Excel.

Man muss jetzt nicht zu einem Fan von Lloyd Blankfein, der in der Bronx geboren wurde und als Sohn eines Postangestellten in Sozialwohnungen in Brooklyn aufgewachsen sein soll (Legendenalarm?), und den Goldmans werden. Im Gegenteil. Man darf ihr Geschäftsmodell und ihren öffentlichen Auftritt (“wir verrichten Gottes Werk”) kritisieren und man muss ihren gnadenlosen Opportunismus weiter verurteilen, weil dieser, sollten sich alle Institute so verhalten, die Finanzmärkte in ein kollektives Gefangenendilemma stürzen wird. Aber ihre Professionalität sollten viele Unternehmen (nicht nur Banken) nachdenklich machen.

Übrigens bin ich ganz sicher, dass auch Goldmans Stunde noch kommen wird, denn selten gelingt es Unternehmen mit diesem Grad an elitärer Überheblichkeit lange an der Spitze zu bleiben.

Manfred Dezember 22, 2009 um 12:02 Uhr

Endlich mal eine Web-Berichterstattung, die sich auf die Erklärung von Zusammenhängen beschränkt und einen nicht permanent mit moralischen Bewertungen nervt. Mein Eindruck ist, dass die populäre Presse im deutschsprachigen Raum deswegen immer nur bewertet, weil die Journalisten überhaupt keine Ahnung vom Kapitalmarktgeschehen haben.

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