Böser Spekulant mit Leerverkauf: Ich gestehe, Apple geshortet zu

by Dirk Elsner on 27. Mai 2010

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Ein indirekter Leerverkauf über ein Put-Optionsschein

In keinem anderen Land scheint das S-Wort so negativ belegt zu sein, wie in Deutschland. Dem Spekulanten haftet etwas Ehrloses, Ruchbares, Illegales. Dabei ist diese Abneigung keineswegs auf die Neuzeit beschränkt. Die Kritik der Spekulation als Täuschung und Fiktion findet sich bereits in den Schriften von Daniel Defoe aus dem 17. Jahrhundert. Auch Max Weber hatte etwas gegen Spekulanten und bezeichnete sie als ungeeignet für Börsengeschäfte (vgl. Urs Stäheli, Spektakuläre Spekulation: Das Populäre der Ökonomie, S. 22).

Möglicherweise rührt die Abneigung gegen die meist inhaltlich gar nicht definierte Spekulation an sich daher, weil sie abstrakt und losgelöst von realen Werten daher kommt. Diese Abstraktion, so schreibt Urs Stäheli, nimmt diesen Aktivitäten ihre „Wärme“ und „Nähe“ zu den Nähe, die für andere ökonomischen Kommunikationsweisen selbstverständlich sind (vgl. Urs Stäheli, Spektakuläre Spekulation: Das Populäre der Ökonomie, S. 11).

Bei der gefühlten Abneigung gegen Spekulation scheinen auch die vielen Texte der letzten Wochen (siehe unten), die den Nutzen der Spekulation hervorheben, nicht zu fruchten.

Die öffentliche Debatte attribuiert Spekulanten gern als düstere, öffentlichkeitsscheue Gestalten mit dicken Bäuchen, die in irgendwelchen Hinterzimmern Verabredungen zum Schaden von Menschen, Unternehmen oder sogar Staaten treffen. Der Begriff des „Spekulanten“ entstammt übrigens nicht dem ökonomischen Wortschatz, sondern wohl eher der Soziologie. Eric Schreyer hat vor ein paar Woche erklärt, das das Wort „Spekulation“ ironischerweise der griechischen Sprache entstammt und sinngemäß bedeutet,“etwas aus der Ferne zu erspähen“.

Lassen wir jetzt die Begriffsethymologie, denn ich habe ja nur einen Übergang für mein Geständnis gesucht, um vielleicht die Aufnahme in eine Selbsthilfegruppe zu bekommen. Auch ich bin ein Spekulant und gestehe, dass ich mit einer Shortstrategie auf Apple-Aktien hoffe, mein Taschengeld etwas aufzubessern. Was ich tat, habe ich öffentlich in dem Beitrag „Platzt die Apple-Blase“ am 10. April diesen Jahres angekündigt. Mir ging der mediale Hype um Apple, seinen Messias Steve Jobs und das vermeintliche Rettungsboot für Medieninhalte, den iPad, so dermaßen auf den Keks, dass ich Anzeichen einer Blase zu erkennen glaubte. Nun bin ich kein Guru, der jede Blase (vor allem im Nachhinein) mit Sicherheit erkennt, dennoch hat sich die Shortstrategie in kürzerer als erwarteter Zeit (vorläufig) bezahlt gemacht. Das Risiko dieser Spekulation, die zum Totalverlust des eingesetzten Kapital führen kann, ist mir dabei natürlich bewusst. Das Verwerfliche daran vermag ich allerdings nicht zu erkennen. Warum also sollte so etwas verboten werden?

Klar, es gibt auch die Personen, die nicht durch Geschick Überbewertungen erkennen, sondern durch manipulative Handlungen wie auch immer dafür versuchen sorgen, dass sich ein leerverkauftes Papier anschließend tatsächlich negativ entwickelt. Der Anreiz ist schließlich vorhanden. Akteure, die mit gezielten Aktionen versuchen, die Kursentwicklungen in die gewünschte Richtung zu treiben, sind aber keine Spekulanten, sondern Kriminelle. Jemand, der wie ich gegen Apple setzt oder wie ein Hedge-Fonds gegen Griechenland „spekuliert“ meint aber, dass die derzeitigen Preise am Markt eine Fehlbewertung signalisieren. Durch das Einnehmen einer mit Risiken behafteten Gegenposition hofft man bei einer „Korrektur der Preise“ zu verdienen, man führt allerdings diese Korrektur selbst nicht herbei.

Kleine Auswahl von Texten aus der Übersicht „Finanzmärkte und -instrumente“

Zeit: Leerverkäufe – Kurz und gut (20.5.10): Leerverkäufer – sogenannte Short Seller – gelten als die Geier der Finanzmärkte. In Wahrheit sind sie nützlich.

FAZ: „Leerverkauf ist an sich ein gutes Instrument“ (20.5.10): Die Kritik an Deutschlands Leerverkaufsverbot reißt nicht ab: „Sinnlos“, heißt es von der tschechischen Zentralbank. „Überstürzt“, klagen die deutschen Privatbanken. „Wirkungslos“, sagt der Chef der Deutschen Börse. Frankreichs Finanzministerin sieht den Euro erst gar nicht in Gefahr.

HB: James Chanos: „Wir setzen auf fallende Kurse bei Autoaktien“ (17.5.10): Er ist der größte Leerverkäufer der Welt und spürt Firmen auf, die lediglich gesund erscheinen. Eine Spekulanten-Schuld an der Krise verneint James Chanos und kritisiert die Haltung der Politik und Banken. Im Interview verrät der Hedge-Fonds-Manager, bei welchen Unternehmen er auf den Niedergang wettet und wo er Blasen vermutet.

ViG: Es ist die Erwartung, und nicht die Spekulation! Das Wort “Spekulation” entstammt ironischerweise der griechischen Sprache und bedeutet sinngemäß,” etwas aus der Ferne zu erspähen”.Wer sich in diesem Sinne Gedanken über die Zukunft griechischer Staatsanleihen macht, bildet Erwartungen. Diese rational oder irrational gebildeten Erwartungen führen an den Finanzmärkten dazu, dass die Akteure entweder Wertpapiere bzw. Derivate kaufen, weil sie steigende Kurse erwarten, oder verkaufen, d.h. auf Baisse wetten. Es gab Zeiten, in denen gehörte die zielgerichtete Beeinflussung dieser Erwartungsbildung zu der vornehmsten Aufgabe  von Zentralbanken. Der Erfolg geldpolitischer Strategien ruht nämlich auf drei Säulen.

HB: Pro und Contra: Nützliche Zocker oder Teufelszeug? (11.5.10): Spekulanten legen die Finger in die Wunde und sorgen dafür, dass die Politik endlich Reformen voranbringt, sagt Jens Münchrath. Robert Landgraf meint: Spekulanten muss das Handwerk gelegt werden, sonst zahlt der Bürger am Ende die Milliardenrechnung. Zwei Meinungen aus der Handelsblatt-Redaktion.

Spon: Spekulationsgeschäfte – So funktioniert die Milliarden-Zockerei (10.5.10): Spekulanten wetten auf den Absturz des Euro, bringen Staaten an den Rande des Ruins. Doch wie mächtig sind die Finanzhaie wirklich? SPIEGEL ONLINE erklärt ihr Vorgehen und schätzt das Risiko ein.

Zeit: Spekulanten – Was hat das Monster diesmal getan? Politiker aller Parteien machen Spekulanten für das griechische Schuldendebakel verantwortlich. Auf der Suche nach einem Finanzkomplott (6.5.10)

FTD: So spekuliert man gegen Griechenland (23.4.10): Staatsverschuldung, Vetternwirtschaft und Schwarzarbeit haben Griechenland an den Rand der Staatspleite gebracht. Bevor Athen Euro-Staaten und IWF offiziell um Hilfe bat, eskalierten die Spekulationen gegen die Hellenen. FTD.de zeigt Nachrichten – und ihre Marktreaktionen.

FTD: Finanzinstrument – Warum wir CDS brauchen (21.4.10): Die Klage gegen Goldman Sachs heizt die Debatte um Credit Default Swaps an. Doch ein Verbot würde mehr schaden als nützen.

vec Mai 28, 2010 um 09:40 Uhr

Nur eine Frage:
Inwiefern kann eine Put-Option zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen?

Ich betrachte zwei Grenzfälle:
a) Die Apple-Aktie geht auf Null.
b) Die Apple-Aktie steigt ins Unendliche.

In beiden Fällen kann/muss ich als Käufer einer Put-Option doch eine Apple-Aktie zum Basiswert verkaufen. In Fall a) resultiert daraus ein Gewinn, in Fall b) zwar ein ordentlicher, aber kein kompletter Verlust?

Man verzeihe mir meine Naivität und Praxisunkenntnis, Optionen kenne ich als Student momentan nur aus dem Finanzierungs-Lehrbuch…

Joerg Mai 28, 2010 um 16:04 Uhr

Bei einer Put-Option zahlst du mit deinem Kapital im Grunde nur den Preis der Option. Wenn nun der Kurs des Basiswertes über den Ausübungspreis steigt bringt dir die Option aber keine Vorteile mehr und ist somit wertlos. Also alles Kapital das in diese Put Option investiert wurde verloren.

Joerg Mai 27, 2010 um 11:34 Uhr

Glückwunsch zu dem gelungenen Leerverkauf. Daran finde ich auch wirklich nichts verwerfliches dran. Um einen „fairen“ Preis zu finden braucht es eben nicht nur die Käufer die von etwas überzeugt sind, sondern auch diejenigen die etwas für überzogen teuer halten.

Fehlt die Möglichkeit des Leerverkaufens, so stellt sich einer Preisblase fast nichts mehr in den Weg. Robert Schiller hatte das Problem fehlender Leerverkaufsmöglichkeiten auch an der amerikanischen Immobilienblase festgemacht. Immobilien kann man aus der Natur der Sache nunmal schlecht leerverkaufen. Es handeln also nur Akteuere am Markt die eine Immobilie besitzen wollen und auf weiter steigende Preise wetten, wer dagegen von der Blase überzeugt war, dem bieten sich kaum Möglichkeiten seine Einschätzung an den Markt zu bringen. Hätte es also einen Future in Immobilien und damit die Möglichkeiten des Leerverkaufens gegeben, so hätte der Markt schon viel früher signalisiert, das die Preise überteuert wären und die Blase wäre nicht in diesem gigantischen Umfang angeschwollen.

dels Mai 27, 2010 um 22:12 Uhr

Ob die Transaktion aufgeht, ist noch nicht gesagt.

Den Gedanken von Shiller finde ich sehr interessant. Möglicherweise hätten wir also gar keine Finanzkrise bekommen, wenn man Immobilien „leer“ verkaufen hätte dürfen. Ist ja schon wieder ein Thema für einen eigenen Beitrag.

Joerg Mai 28, 2010 um 13:07 Uhr

Wenn ich darf, dazu hatte ich mal im Herbst letzten Jahres einen Artikel veröffentlicht:
http://www.spekulantenblog.de/robert-schiller-wir-brauchen-ein-demokratischeres-finanzsystem/

In ersten Ansätzen hatte Robert Schiller auch schon versucht einen Future zu etablieren und dieser hat in der Tat rechtzeitig Warnhinweise vor dem Einsturz der Immobilienpreise gegeben.

egghat Mai 27, 2010 um 11:03 Uhr

Also man muss hier zwei Sachen trennen. Das machst du leider in diesem Artikel nicht und von der breiten Öffentlichkeit, die eh keinen Plan hat, kann man das erst recht nicht verlangen.

Aber man muss unterscheiden, *ob* man spekuliert und *wie* man spekuliert. Gegen jemanden der Aktien kauft, um damit Kursgewinne zu erzielen, hat wohl kaum jemand was. Gegen jemand, der auf fallende Kurse spekuliert, haben dann schon mehr Leute etwas, auch wenn das unberechtigt ist. Das war jetzt die Frage des „ob“. Zur Frage des „wie“ macht es einen Unterschied, ob ich eine Aktie aktiv handle oder nur ein Derivat auf die Aktie. Wenn ich nämlich die Aktie handle, beeinflusse ich den Kurs. Gerade bei Leerverkäufen ist das wichtig. Wenn du oder ich eine Aktie leer verkaufen, macht das nichts. Wenn aber große Investoren gleichzeitig eine Aktie/Branche/Land shorten, können diese den Markt machen. Bei Calls/Puts passiert das nicht. Kauft da jemand einen Berg Puts, steigt der Preis des Puts (zumindest in der Theorie). Es drückt aber nicht den Kurs. Auch ein gedeckter Leerverkauf ist OK, weil vor dem Verkauf ja ein Kauf stattfinden musste (der den Kurs erhöht hat). Problematisch sind wirklich nur die ungedeckten Leerverkäufe, weil da jemand den Kurs nach unten drückt. Zwar nur temporär, weil er sich ja irgendwann wieder eindecken muss. Aber er kann drücken, ohne das vorher irgendeine Bewegung entstand, die den Kurs erhöht hat.

Das doofe an der ganzen Nummer ist, dass die ungedeckten Leerverkäufe ein wichtiges Hedging Mittel sind. Häufig werden die ganzen Derivate auf eine Aktie genau über die ungedeckten Leerverkäufe abgesichert. Auch viele Arbitragegeschäfte werden technisch über ungedeckte Leerverkäufe abgewickelt. Verbietet man diese, werden auch die angeschlossenen Märkte Probleme bekommen. Auch die Börse Stuttgart kann es dann z.B. vergessen, DAX-Werte mit Null-Spread zu handeln. Wenn die die Möglichkeit des ungedeckten Leerverkaufs für solche Arbitrage-Geschäfte genommen wird, lässt sich sowas nicht mehr darstellen.

Das sind aber alles die Kollateralschäden, die niemand wirklich spezifizieren kann. Eine Diskussion darüber findet nur in Fachkreisen statt und auf die hört eh kein Politiker. Und zahlen müssen die direkten Auswirkungen nur Bruchteile der Bevölkerung (die paar Prozent, die direkt in Wertpapiere geht). Juckt also keinen. Und die indirekten Wirkungen, die ja auch die Lebensversicherungen und die Fondsgesellschaften betreffen (und damit größere Teile der Bevölkerung) sind ebenfalls nicht berechenbar noch werden sie direkt spürbar. Die Rendite der Lebensversicherung oder des Fonds sinkt halt minimal. Aber eben so minimal, dass sie in den großen Schwankungen nicht auffallen. Also juckt es keinen Politiker.

Ich will nur eines sagen: Wer so tut, als würden Transaktionssteuer oder die Abschaffung bestimmter spekulativer Instrumente nur gaaanz wenige, quasi schmarotzende Spekulanten treffe, stimmt das einfach nicht.

Aber auch da darf die Diskussion eigentlich noch nicht aufhören … Denn man kann sich sehr gut den Standpunkt vertreten, dass damit genau die Leute (nämlich die Anleger und Sparer) die Rechnung bezahlen, die auch sonst von den Vorteilen profitieren. Und wieso sollten die anderen, die nie was von den Vorteilen der effizienten Finanzmärkte hatten, dafür zahlen?

War jetzt etwas lang das Posting …

dels Mai 27, 2010 um 20:19 Uhr

Schönes Posting. Unsereiner kann natürlich privat nicht so Short gehen wie die Institutionellen. Die Puts sind halt die Shorts für „Arme“.
Sonst volle Zustimmung

Joss Mai 27, 2010 um 01:55 Uhr

Zur Medienschelte im Artikel ein Beispiel hinzugefuegt.
Derzeit ist das Scheitern Europas offensichtlich ein supergeiles Thema fuer
die Medien. Es ist nicht lange her als wegen der erstmaligen Ablehnung der
Iren des Lissabon Vertrages ein ziemlicher Wirbel gemacht wurde. Es waren
in der Regel jene Medien, die sich damals so aufregten wegen des Neins der
Iren die jetzt auf einmal nicht mehr genug haben koennen vom Scheitern Europas
und des Euro.
Juergen Habermas schrieb zu der Zeit einen wirklich interessanten Beitrag:
http://www.sueddeutsche.de/politik/krise-der-europaeischen-union-ein-lob-den-iren-1.188850?page=2

Punkto Spekulanten, die man tatsaechlich in zwei Gruppen teilen kann,
geht es wohl um das bekannte „Haltet den Dieb!“

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