Barack Obama hat gestern endlich das US-Finanzmarktreformpaket unterzeichnet. Das Gesetz (hier die Dokumentation) markiert nach Einschätzung des Wall Street Journals eine Trendwende für die Finanzdienstleistungs-Branche. Titanen wie JP Morgan Chase, Goldman Sachs und die Bank of America Corp werden in den nächsten Monaten und Jahren zu umfangreichen Änderungen ihrer Geschäftsmodelle gezwungen. Ziel des Reformpaketes ist es bekanntlich, eine weitere Finanzkrise in der Form von 2007-2009 zu verhindern. Ob das gelingt bezweifelt der Blick Log.
Sicher dürfte sein, dass sich der US-Finanzsektor in einem Gestrüpp von Vorschriften verheddert, dessen Komplexität niemand durchblickt mit Konsequenzen, die nicht einmal Chaostheoretiker vorhersagen können.
Nun beginnt nämlich erst die eigentliche Arbeit für die Regulierer. Die New York Times wies bereits vor einigen Wochen darauf hin, dass die Reform im Grunde ein 2.000-Seiten umfassendes Schreiben an Bundesbehörden mit einem vorgegebenen Rahmen zu den verschiedenen Regulierungsthemen ist. Erst im nächsten Schritt werden diese Behörden, darunter die US-Notenbank Federal Reserve, die Börsenaufsichtsbehörde SEC und der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC, die Reform in konkrete Maßnahmen und Handlungsanweisungen gießen. Und hier gibt es widersprüchliche Aussagen über den Umfang der Umsetzung.
Die US-Chamber of Commerce hat in einer Studie das Pflichtenheft (hier als pdf-Tabelle downloadbar) für die Regulierer zusammen gestellt: Danach müssen angeblich 533 neue Regeln in konkrete Vorschriften umgesetzt werden. Daneben seien 60 Studien und 93 Berichte zu erstellen, um Klarheit über die weitere Umsetzung zu bekommen. Ob die Angabe der US-Handelskammer stimmen, ist nicht klar.
Die Anwaltskanzlei Davis, Polk & Wardwell hat es geschafft, auf 130 Seiten die Bestimmungen der Reform für ihre Kunden zusammenzufassen (hier die Studie als pdf-Download), berichtet eFinancial News. Nach Schätzung der Anwälte sind “nur” 243 neue formale Regeln erforderlich, aufzustellen von immerhin elf verschiedenen Bundesbehörden.
Und natürlich benötigen Finanzinstitute und Behörden entsprechende Ressourcen. Die Commodity Futures Trading Commission hat 30 Teamleiter für die Umsetzung benannt. Wie viele Mitarbeiter ihnen zugeordnet sind, ist noch unklar. Es wird aber ein zusätzliches Personalbudget in Höhe von 45 Mio. $ eingefordert. JP Morgan Chase hat mehr als 100 Arbeitsgruppen beauftragt, die die Rechtsvorschriften prüfen (Quelle WSJ).
Einige Regeln werden einfach nur Definitionen enthalten, wie etwas Swap Händler oder großer Swap Teilnehmer. Und gerade bei letztgenanntem Begriff (Major Swap Participant) könnte die Definition auch Unternehmen außerhalb der Finanzbranche umfassen. Andere Regeln sind zwischen verschiedenen Regulierungsinstanzen abzustimmen, was zusätzliches Konfliktpotential in sich birgt.
Insgesamt wird dieser Prozess noch Jahre dauern. So gab sich etwa der Finanzvorstand David Viniar von Goldman Sachs zurückhaltend zum Frank-Dodd-Gesetz: „Wir werden erst in rund 15 Monaten einigermaßen absehen können, wie die Folgen sind“, zitierte ihn das Handelsblatt. Zu viele Details seien noch unklar und müssten noch von den Aufsichtsbehörden geklärt werden.
Der Blick Log bleibt übrigens bei seiner Auffassung, dass diejenigen die die Regulierung beherrschen, und das sind in der Regel die großen Institute, sich mit dieser Reform arrangieren werden. Die durch diese Regulierung entstehenden Markteintrittsbarrieren stören sie nicht, denn sie vertreiben schwächere Wettbewerber und halten neue Spieler von den Märkte fern.
Leider wird so nichts aus Überlegungen, das Gestrüpp der Finanzmarktordnung zu lichten. Dies passt nicht in die Zeit und ist politisch nicht opportun. Wähler, Politiker und Fachleute schreien nach neuen Regeln, “um die Märkte zu bändigen”. Vermutlich wird die nächste Finanzkrise schon anklopfen, wenn die neuen Regeln nicht einmal vollkommen umgesetzt sind.
Comments on this entry are closed.
{ 1 trackback }