Dokumentation: Kommission stellt geplanten neuen EU-Rahmen für Krisenmanagement im Finanzsektor vor (+Pressemeldungen und weitere Links)

by on 21. Oktober 2010

Die EU Kommission hat gestern folgende Information zum Krisenmanagement im Bankensektor veröffentlich.

Hierzu Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier: „Wir müssen in erster Linie versuchen, Finanzkrisen künftig zu vermeiden. Aus diesem Grund sind unsere Arbeiten zur Stärkung des Finanzsektors und zur Schaffung eines echten Aufsichtsrahmens so wichtig. Doch auch in Zukunft werden Banken von Schwierigkeiten nicht verschont bleiben. Sogar der Zusammenbruch einer Bank könnte und sollte möglich sein. Wir müssen sicherstellen, dass dies nicht das gesamte Finanzsystem ins Wanken bringt oder der Steuerzahler die Kosten tragen muss. Keine Bank sollte für eine Insolvenz zu groß oder zu stark verflochten sein. Aus diesem Grund benötigen wir einen klaren Rahmen, der gewährleistet, dass die Behörden in ganz Europa für den Umgang mit solchen Banken gewappnet sind und mögliche Bankeninsolvenzen geordnet abwickeln. Genau das soll mit den heute vorgelegten Plänen erreicht werden.“

Die Kommission legt in ihrer Mitteilung die Eckpunkte ihrer für kommendes Jahr geplanten Legislativvorschläge dar. Die Mitteilung ist das Ergebnis umfangreicher Konsultationen, die die Kommission in den vergangenen Monaten durchgeführt hat (siehe IP/09/1549). Neben den prioritären Maßnahmen zur Schaffung wirksamer Regelungen für das Krisenmanagement in allen Mitgliedstaaten enthält die Mitteilung auch einen mittelfristigen Fahrplan, aus dem einige der größten Herausforderungen hervorgehen, die es zu meistern gilt, um eine reibungslose Krisenbewältigung zu gewährleisten.

Der in der Mitteilung beschriebene neue Rahmen ist breit angelegt und zielt darauf ab, die Behörden mit gemeinsamen wirksamen Instrumenten und Befugnissen auszustatten, um Bankenkrisen im frühestmöglichen Stadium abzuwenden und Kosten für den Steuerzahler zu vermeiden. Das vorgesehene Instrumentarium umfasst:

  • Präparativ- und Präventivmaßnahmen, wie die Vorgabe für Institute und Behörden, sich auf eine etwaige Sanierung vorzubereiten (d. h. schwer­wiegende Probleme einer Bank in Angriff zu nehmen) und Abwicklungspläne aufzustellen, um für den Fall einer finanziellen Notlage oder Insolvenz eine angemessene Planung sicherzustellen („living wills“),
  • Frühinterventionsbefugnisse, um Problemen schon frühzeitig entgegenwirken zu können, wie die Befugnis der Aufsichtsbehörden, die Ablösung der Geschäftsleitung zu verlangen oder einem Institut vorzuschreiben, einen Sanierungsplan umzusetzen oder sich von Geschäften oder Geschäftsbereichen zu trennen, die ein übermäßiges Risiko für seine finanzielle Solidität darstellen,
  • Abwicklungsinstrumente, wie die Befugnis, die Übernahme einer insolventen Bank durch ein solides Institut in die Wege zu leiten oder deren Geschäfte ganz oder teilweise auf eine Brückenbank zu übertragen, was die Behörden in die Lage versetzen würde, die Kontinuität der grundlegenden Bankdienstleistungen sicherzustellen und die Bank geordnet abzuwickeln.

Keine Bank sollte für eine Insolvenz zu groß sein. Als übergreifendes Ziel soll sichergestellt werden, dass Banken in Konkurs gehen können, ohne die allgemeine Finanzstabilität zu gefährden. Zu diesem Zweck müssen Banken in einer Weise abgewickelt werden können, die das Ansteckungsrisiko auf ein Minimum begrenzt und die Kontinuität der Basisfinanzdienstleistungen, so u. a. den ununterbrochenen Zugriff von Kontoinhabern auf ihr Konto, sicherstellt. Der Rahmen dürfte eine glaubwürdige Alternative zu den kostspieligen Rettungsaktionen der vergangenen Jahre darstellen.

Europa ist auch mit dem Problem konfrontiert, dass viele Banken zwar europaweit tätig sind, es aber kein System für die Bewältigung der grenzüberschreitenden Auswirkungen der Insolvenz solcher Institute gibt. Eine zentrale Herausforderung besteht deshalb in der Schaffung wirksamer Regelungen, die dafür sorgen, dass die Behörden ihre Maßnahmen so weit wie möglich koordinieren und so weit wie möglich zusammenarbeiten, um die schädlichen Auswirkungen einer solchen Insolvenz auf ein Minimum zu begrenzen. Die Kommission schlägt vor, aufbauend auf den bestehenden Aufsichtskollegien (Gruppen von nationalen Aufsichtsbehörden) Abwicklungskollegien für Krisenvorbereitung und –management einzusetzen (in denen die Aufsichtsbehörden und die für die Abwicklung zuständigen nationalen Behörden zusammenkämen). Die Kommission wird ferner vorschlagen, den neuen europäischen Finanzaufsichtsbehörden (siehe MEMO/10/434), insbesondere der Europäischen Bankaufsichtsbehörde für Krisensituationen koordinierende und unterstützende Aufgaben zu übertragen, ohne dass dies in die finanzpolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingreift.

Wie bereits in der Mitteilung zu Bankensanierungsfonds vom Mai 2010 um Ausdruck gebracht wurde, schlägt die Kommission die Einrichtung nationaler Fonds vor (siehe IP/10/610), die aus Beiträgen der Banken alimentiert werden, der Finanzierung künftiger Abwicklungsmaßnahmen dienen und gewährleisten sollen, dass die Abwicklung einer Bank eine realistische Option ist. Da es derzeit keine Alternative zu staatlichen Rettungsaktionen gibt, ist das Moral-Hazard-Risiko im gesamten System weit verbreitet. Gemeinsame Finanzierungsmechanismen, die den Einsatz von Steuergeldern vermeiden, dürften die grenzübergreifende Zusammenarbeit verbessern und die Planung im Hinblick darauf erleichtern, wie die Kosten der Abwicklung eines grenzübergreifend tätigen Instituts aufgeteilt werden sollten.

Die Mitteilung enthält auch einen Fahrplan für die Maßnahmen, die auf längere Sicht in Betracht gezogen werden, um einen einheitlicheren Rahmen für das Krisenmanagement zu erreichen, der vor allem für integrierte europäische Bankengruppen (d. h. für Banken, die auf europäischer Ebene tätig sind) besser geeignet ist. Die Kommission will die Notwendigkeit einer weiteren Harmonisierung der Bankeninsolvenzordnungen bis Ende 2012 in einem Bericht weiter prüfen und parallel zur Überprüfung der Europäischen Bankaufsichtsbehörde im Jahr 2014 bewerten, wie sich ein einheitlicherer Rahmen für die Abwicklung grenzübergreifend tätiger Gruppen am besten erreichen ließe.

Hintergrund

Die Finanzkrise hat unmissverständlich vor Augen geführt, dass auf nationaler Ebene robustere Regelungen für das Krisenmanagement benötigt werden und darüber hinaus auch Regelungen geschaffen werden müssen, die eine bessere Vorbereitung auf die Insolvenz grenzübergreifend tätiger Banken gewährleisten. Während der Krise sind eine Reihe großer Banken (Fortis, Lehman Brothers, isländische Banken, Anglo Irish Bank) zusammengebrochen, was schwere Mängel bei den derzeitigen Regelungen offenbart hat. In Ermangelung von Mechanismen für eine geordnete Abwicklung führte für die EU-Mitgliedstaaten kein Weg an Rettungsaktionen für ihren Bankensektor vorbei. So wurden den Banken staatliche Beihilfen im Umfang von 13 % des BIP zur Verfügung gestellt. Die Kommission hat bereits zwei Mitteilungen über weitere Schritte in diesem Bereich vorgelegt (siehe IP/09/1549 und IP/10/610).

Siehe auch MEMO/10/506.

Weitere Informationen unter:

http://ec.europa.eu/internal_market/bank/crisis_management/index_de.htm

Pressemeldungen

HB: Bankenrettung: Die EU plant neue Regeln für Banken in Not. Die Kommission will die Gläubiger angeschlagener Banken in Zukunft an deren Rettung beteiligen. Aber nicht nur bei den Banken sollen die Anleger einspringen: Auch

FTD: Bankenrettungen – EU lässt Bankgläubiger bluten: Bei der Schieflage eines Geldinstituts sprang bislang häufig der Staat ein, Anleiheinvestoren wurden geschont. Nun sollen sie einspringen, um in Not geratene Banken mit frischem Kapital zu versehen. von Reinhard Hönighaus Brüssel

Spon: EU-Plan „Keine Bank darf zu groß sein für eine Insolvenz“: In der Finanzkrise mussten die Staaten massenweise Banken retten – das soll sich nicht wiederholen. Die EU-Kommission plant deshalb ein neues Insolvenzrecht für große Geldhäuser. Das Ziel: Pleite-Institute ordentlich abwickeln, ohne Kosten für die Steuerzahler.

NZZ: Pleitevorsorge für europäische Grossbanken. EU-Kommission legt Pläne für Krisenmanagement vor. Drohte einer Bank die Pleite, konnte sie bisher auf den Staat vertrauen. Damit soll in der EU jetzt Schluss sein: Brüssel will die Banken selbst zur Kasse bitten.

FTD: Too big to fail – EU liebäugelt mit Banktestamenten: Es ist immer dasselbe Spiel: Geldhäuser geraten in Schieflage, der Steuerzahler springt ein. Die Europäische Kommission will den Automatismus brechen. Sie schlägt vor, Banken Pläne für ihre eigene Abwicklung aufstellen zu lassen.

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