Bilfinger Berger: Ernennung Roland Kochs zum CEO schmeckt Aktionären nicht – 115 Mio. € Marktwertverlust (+Presseschau)

by Dirk Elsner on 30. Oktober 2010

Bilfinger Berger - Construction - Gotthard Base Tunnel

Ronald Koch, der brutalstmögliche Betonkopf (Süddeutsche Zeitung), wird Chef des Baukonzerns Bilfinger Berger. Öffentlichkeit und Mitarbeiter mögen sich bei der Besetzung wichtiger Führungspositionen in Unternehmen Sand in die Augen streuen lassen, Kapitalmärkte und Wissenschaftler nicht. Jedenfalls reibt man sich die Augen, wenn die Besetzung einer Top-Position so begründet wird, wie in diesem Fall: 

"Die immer wieder bewiesene Führungskraft von Roland Koch ist die beste Voraussetzung, die sehr erfolgreiche Entwicklung von Bilfinger Berger fortzusetzen und das Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen", begründete Aufsichtsratschef Bernhard Walter die Berufung des früheren Politikers.” (Presseerklärung Bilfinger Berger)

Die Kapitalmärkte glauben diese Botschaft nicht und schickten die Aktie erst einmal auf Talfahrt. Nach der Bekanntgabe der Personalie notierte die Aktie am Mittag 4,6 Prozent schwächer gegenüber dem Vortag, schreibt die FTD auf ihrer Webseite unter der Überschrift FTD: “Kochs Berufung bringt Bilfinger-Aktie zum Absturz”  

Da lässt sich fix nachrechnen, was diese Ernennung den Aktionären gekostet hat. Bei einer Marktkapitalisierung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro entspricht dies nämlich einem Marktwertverlust von etwa 115 Mio. Mio. €. Das ist eine überraschend klare Ansage der Märkte. Die in Koch gesteckte Erwartungen werden also erheblich bezweifelt.

Ob Koch, der seine Berufung vorbildlich findet, und sein sicher ausgezeichnetes Netzwerk in Politik und Wirtschaft dem Unternehmen einen Vorteil bringt, muss er also erst noch beweisen.

Auch die Wissenschaft ist skeptisch, wenn ein Unternehmen einen bekannten Manager verpflichtet. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Unternehmen underperformen, wenn sie sich einen Starmanager holen (siehe auch dieses Interview in “Wenn der Chef berühmt wird, leidet die Firma”). Im Handelsblatt hatte Olaf Storbeck die Ergebnisse einer Studie (paid content) von Ulrike Malmendier und Geoffrey, die in der finalen Fassung unter dem Titel “Superstar CEOs” 2009 erschienen ist (hier Download), zusammengefasst: 

“Der Absturz gefeierter Manager ist kein Zufall, sondern hat System – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Ulrike Malmendier (Berkeley) und Geoffrey Tate (UCLA). Sie liefern den wissenschaftlichen Beleg dafür, was manche Wirtschaftsinteressierte intuitiv schon länger vermutet haben: Chief Executive Officers (CEOs), die renommierte Management-Preise erhalten, leisten danach spürbar schlechtere Arbeit als vergleichbare Berufskollegen, die leer ausgegangen sind. Und die Gehälter der Ausgezeichneten schießen steil nach oben.”

Man wird sehen, wie Roland Koch nun als Bauleiter schafft. Sicher dürfte sein: Wenn es gut geht, dann wird er sich feiern lassen, wenn es schlecht wird, dann werden halt die Märkte, die Rahmenbedingungen oder die Konkurrenten Schuld sein an der Misere.

Presseschau

Capital: Neuer Vorstandschef – Kochs Berufung bringt Bilfinger-Aktie zum Absturz: Deutschlands zweitgrößter Baukonzern setzt auf die Führungsstärke Roland Kochs. Hessens früherer Ministerpräsident wird Vorstandschef des Unternehmens. Anleger sind wenig erfreut. Auch die Linkspartei ist verärgert

Spon: Wechsel zu Bilfinger Berger Koch ist endlich König: Kaum ein Politiker war in den vergangenen Jahren so umstritten wie Roland Koch: CDU-Hardliner, Feindbild der Linken, Merkel-Rivale. Nun wird der Ex-Ministerpräsident Chef von Bilfinger Berger und darf bei der Baufirma endlich frei herrschen. Nur – kann er Konzernchef?

Tagesspiegel: Roland Koch als Vorstandsvorsitzender – eine gute Idee? Auf dem Bau statt in der Politik. Dass Roland Koch mit Baggern umgehen kann, hat er bereits 2009 beim Spatenstich der neuen Landebahn am Flughafen Frankfurt demonstriert. Der ehemalige Ministerpräsident Roland Koch wird Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Bilfinger Berger. Passt der neue Job zu ihm?

FAZ: Roland Koch – Der Gestalter: Roland Koch wird Vorstandsvorsitzender des zweitgrößten deutschen Baukonzerns Bilfinger Berger. Bei den Linken im Bundestag und an der Börse ist die Nominierung nicht gut angekommen. Das wird ihn kaum stören.

Wiwo: Bilfinger Berger Vertrauensmalus für den Manager Koch: Es gibt wenig gute Gründe, Roland Koch zum Chef des Baukonzerns Bilfinger Berger zu machen. Erst einmal hilft der Ex-Politiker weniger dem Unternehmen als das Unternehmen ihm.

FTD: Bernhard Walter – Der Mann, der Roland Koch durchdrückte: Praktisch im Alleingang setzte Bernhard Walter Roland Koch als Vorstandschef bei Bilfinger Berger durch. Ihm kam dafür seine Erfahrung als Multiaufsichtsrat zugute. Kontrolleure seines Kalibers gibt es hierzulande wenig

SZ: Koch, der Baulöwe: Mit großem Tamtam hatte sich Roland Koch aus der Politik verabschiedet. Jetzt wechselt er in die Wirtschaft – zu einem Konzern, der auch schon von Kochs Entscheidungen profitierte. Der Börsenkurs des Unternehmens fällt sofort.

Stern: Roland Koch geht zu Bilfinger Berger: … und schon wieder hat’s "Geschmäckle": Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch wechselt zum Baukonzern Bilfinger Berger. Illegal? Nein. Konservativ aber auch nicht.

Welt: SPD sieht Roland Koch Lockruf des Geldes erlegen: Der frühere hessische Ministerpräsident wird neuer Chef von Bilfinger Berger. Linkspartei-Chef Klaus Ernst spricht von einem Geschmäckle.

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