Davoser Weltwirtschaftsforum bestätigt Trends oder beendet sie

by Dirk Elsner on 20. Januar 2011

In einer Woche trifft sich wieder die “Funktionselite” der Weltwirtschaft im Schweizer Ski-Ressort in Davos Klosters. Die Veranstaltung will ein Umdenken unserer Systeme und die Untersuchung von Strategien und Lösungen, die positive Wirkungen haben. Besonderes Augenmerk wird dabei nach den eigenen Angaben auf der Webseite auf die Frage des „Wie“ gelegt.

In den letzten beiden Jahren, in denen ich das Treffen etwas aufmerksamer verfolgen konnte, hat Davos keine Orientierung gebracht, sondern tief enttäuscht. Davos konzentrierte in den vergangenen beiden Jahren die ökonomische Verunsicherung der Weltgemeinschaft. Dies galt insbesondere 2009.

Ein Kommentator der NZZ schrieb damals:

“Der ausgeprägte Herdentrieb der Akteure ist in den letzten Monaten immer wieder – und mit Recht – als eine wesentliche Ursache der Finanzkrise genannt worden. Wenn alle glauben, die Preise würden sich nur nach oben bewegen, und sich entsprechend verhalten, entstehen jene Blasen, von denen einige nun unter Getöse geplatzt sind. Dass dabei aus Sicht des einzelnen Managers das Schwimmen mit dem Strom durchaus rational sein kann, ist an dieser Stelle mehrfach dargelegt worden.”

“Umso erschreckender ist es, am WEF in Davos beobachten zu müssen, dass sich an diesem Herdentrieb praktisch nichts geändert hat. Wie von einem geheimen Kommando «180 Grad kehrt, marsch!» gelenkt, bewegen sich erneut alle im Gleichschritt, nur diesmal in eine andere Richtung. Statt naiver Euphorie ist jetzt abgrundtiefer Pessimismus angesagt. Die Redner überbieten sich gegenseitig mit einer geradezu intellektuellen Lust an der Schwarzmalerei, und die Zuhörer scheinen es ziemlich unkritisch fast mit Resignation hinzunehmen: «Das ist die neue Realität, auf die wir uns einzustellen haben.» Da kommt einem unwillkürlich der von Walt Disney inszenierte kollektive Selbstmord der Lemminge in den Sinn.”

Für die Zeit Online setzt Josef Joffe nach und schrieb:

“Die Oldtimer von Davos haben schon vor Jahren eine absolut richtige Zukunftstheorie entwickelt: den  „Two-Year Inverted Leading Indicator“  – den “Zwei-Jahre Umgekehrten Frühindikator”. Auf deutsch: Die Institutionen oder Leute, die hier als Helden gefeiert werden, sind zwei Jahre später Staub und Asche. Zwei Jahre bevor die “Asiatischen Tiger” lahm geschlagen wurden, waren sie die ökonomische Zukunft der Welt. Dann gingen die Dotcom-Giganten 2001 in Flammen auf. Es folgte der Triumphzug der Finanz-Akrobaten, der Hedgefonds und Private Equity Fonds. Heute liegen sie am Boden und müssen ihre Gulfstream-5 Flugzeuge verkaufen. Deshalb die Große Frage: Wer wurde auf diesem Weltwirtschaftsforum als Herrscher des Universum gefeiert? Die Antwort dieses Autors nach einer kurzen Umfrage: die Propheten des „Es wird alles noch viel schlimmer werden“ unter den Ökonomen.”

Und auch das Handelsblatt zeigt sich tief enttäuscht:

“Das Weltwirtschaftsforum von Davos ist vorbei, und von dem Treffen ist nicht viel mehr als ein Stimmungsbild der Wirtschaftselite übrig geblieben: Trübsinn dominiert, freudige Bereitschaft zur Verantwortung gerade in schwierigen Zeiten ist kaum zu finden. Dabei sollten sich Politiker und Unternehmer gerade in der Krise wieder auf ihre Verantwortung und klare Grundsätze besinnen.”

2010, als die Abwärtsbewegung längst beendet war und sich der Aufschwung abzuzeichnen begann, war es nicht viel besser. “Ein Gipfel der Ratlosigkeit und des Frusts”, titelte die Welt und schrieb:

“Die Mächtigen haben es beim Davos-Gipfel versäumt, die Weichen für eine stabile Wirtschaftsordnung zu stellen. Statt neuen Ideen gab es Frust und Ratlosigkeit. Vor allem Manager und Banker blamierten sich – und ließen sich von einem Populisten wie Nicolas Sarkozy bloß stellen.”

Im Vorfeld prognostiziert die linksliberale Taz das Ende von Davos, und auch die wirtschaftsnahe Businessweek sah den Tod des Davos Man. In einer kritischen Medienschau zum Start des Weltwirtschaftsforums 2010 trug der Blick Log die Skepsis zusammen.

Von “Eliten” wird erwartet, dass sie Vorbildfunktionen erfüllen, Risiken nicht nur für sich, sondern auch zum Wohle ihrer Unternehmen oder gar der Gesellschaft eingehen. Sie sollen neue Wege suchen, diese gehen und mitreißen können. Die so verstandenen “Eliten” sind nicht in Davos zu finden, sondern schaffen in den Unternehmen und helfen Menschen an den wenig beachteten Brennpunkten dieser Welt, wie etwa auf Haiti, in Pakistan und wo auch immer.

Davos ist ein gigantisches Netzwerkertreffen, aus dem vor allem die Teilnehmer selbst großen Nutzen ziehen werden. Das sei ihnen gegönnt. Der Medienrummel ist aber keineswegs gerechtfertigt, denn aus aus den Podien werden wir nur das erfahren, was wir ohnehin schon wissen. Und die einzige Person, die für Spannung hätte sorgen können, nämlich Wikileaks-Gründer Julian Assange, wurde nicht eingeladen (und dar England auch nicht verlassen). Das WEF, so der Dienst Intern.de, folgt laut Schwab dem Grundsatz, „niemanden einzuladen, der unter Anklage steht“. Er würde daher warten, „bis ihn die schwedischen Gerichte freigesprochen haben“.

In der nächsten Woche  werden wir das hören, was wir ohnehin täglich in der Zeitung lesen: Warnungen vor Inflation und zu hoher Staatsverschuldung, Staatspleiten und weltweiten Ungleichgewichten im Handel. Und natürlich ist die Finanzkrise noch lange nicht vorbei.

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