Die japanische Katastrophe und die unbekannten ökonomischen Konsequenzen (+ Pressereaktionen Auswirkungen Wirtschaft)

by Dirk Elsner on 14. März 2011

imageFür das, was sich in Japan nach dem Erdbeben und den dadurch verursachten Tsunami abgespielt hat (hier eine Chronik) und noch kommen wird, wird man vergeblich nach Beispielen in der Wirtschaftsgeschichte suchen. Japans historische Krise kann weder heute noch in den nächsten Wochen in seinen Ausmaßen erfasst werden.

Umso erstaunter war ich über eine Überschrift in der Online Ausgabe des Handelsblatt. Das hieß es: “Volkswirte halten ökonomische Folgen des Bebens für beherrschbar”. Der Beitrag zitiert einige Ökonomen, die historische Vergleiche zum Erdbeben in der japanischen Stadt Kobe im Januar 1995 anstellen. Damals habe sich die japanische Wirtschaft vergleichsweise schnell von dem Schock erholt. Daneben werden Volkswirte von deutschen Banken zitiert, die offenbar besser informiert sind, als die japanische Regierung, und die Folgen der Krise herunter spielen. Ein Japanologe kommt gleich mit dem Patentzrezept, die Mehrwertsteuer solle in Japan heraufgesetzt werden, dann bekäme die Regierung “das Problem schnell in den Griff“.

Erstaunlich, dass Ökonomen nie wissen, wann sie besser zu schweigen haben. Tatsächlich lassen sich die Konsequenzen auf die japanische und die Weltwirtschaft nicht einmal annähernd bestimmen, ja nicht einmal mutmaßen. Japan ist bereits jetzt das Land, dessen Verschuldung deutlich größer als das anderer Industriestaaten (über 200% des BIP) ist. Welche Wirkungen daher der Wiederaufbau ganzer Infrastrukturen auf die Staatsausgaben, die Verschuldung und damit auf das Rating des Landes haben kann, ist vollkommen offen. Ähnlich verhält es sich mit den Wirkungen auf die Weltwirtschaft (siehe die Grafik in der FAZ zu Japans Rolle in der Weltwirtschaft).

Es beruhigt nicht, dass die Ratingagentur Moody’s erklärt hat, die Folgen der Katastrophe werden “wahrscheinlich keinen Einfluss auf das Rating des Landes haben. ” Die Einschränkung “wahrscheinlich” lässt befürchten, dass es anders kommen kann. Tatsächlich hätte eine Herabstufung Japans für die Weltwirtschaft und die internationalen Finanzströme viel weitreichendere Folgen, als die Herabstufung Griechenlands, Irlands, Spaniens und Portugals zusammen. Japan lag 2010 auf Rang drei der größten Wirtschaftsmächte.

Und die europäischen Schuldnerstaaten könnten das finanzielle Nachbeben schneller spüren, als es erwartet. Japan könnte nämlich als Käufer von Staatsanleihen hochverschuldeter europäischer Staaten. Dazu scheibt fazfinance:

“In den vergangenen Monaten war Japan neben China ein verlässlicher Käufer von Staatsanleihen hochverschuldeter europäischer Staaten. Japan ist zwar selbst hochverschuldet, verfügt aber auch dank seiner Exportstärke über die nach China zweitgrößten Devisenreserven der Welt. Nach dem schweren Erdbeben gibt es aber Spekulationen, dass Japan das für weitere Anleihekäufe eingeplante Geld nun für den Wiederaufbau verwenden muss. Japanische Versicherer sollen sogar gezwungen sein, Geldanlagen im Ausland aufzulösen. Zumindest nannten Händler diese Spekulation als Grund dafür, warum der Yen zu Dollar und Euro nach dem Beben aufwertete.”

Ich halte es zum derzeitigen Zeitpunkt für viel zu verfrüht, irgendwelche Aussagen zu den ökonomischen Konsequenzen zu machen, außer dass, wie der Spiegelfechter schreibt, die ökonomischen Folgen der Katastrophe die Welt in den nächsten Jahren noch in Atem halten werden. Derzeit und selbst in den nächsten Wochen sind weder

  • die direkten Wirkungen (Zerstörungen, Unterbrechungen von Lieferketten, Energiekrise, Kosten für Wiederaufbau etc),
  • noch die indirekten (internationale Diskussion um die Laufzeiten von Kernkraftwerken, Wirkungen der Verschiebungen der Erdachse, Staatsverschuldung etc., Ausfall Japans als Gläubiger) oder
  • gar die noch nicht bekannten Wirkungen zu erfassen.

Warum sollen ausgerechnet Ökonomen, die bereits bei bekannten Daten nicht in der Lage sind, Prognosen abzugeben, jetzt die ökonomischen Auswirkungen abschätzen können? Gute Ökonomen halten sich hier zurück.

Alle in diesen Tagen zu den wirtschaftlichen Konsequenzen genannten Informationen sind den üblichen Reflexen des Medienbetriebs geschuldet, relevant sind diese Statements selbst dann nicht, wenn hier “Experten” zitiert werden.

Hier eine Auswahl der Schlagzeilen, die sich mit den wirtschaftlichen Konsequenzen befassen.

FAZ: Erdbebenschäden – Japan steht vor einer Rezession: Schon jetzt zeichnen sich vielfältige Störungen des Wirtschaftslebens in Japan ab. Allein durch die Produktionsausfälle droht nach Ansicht von Fachleuten eine Rezession. Ob es noch viel schlimmer kommt, hängt von der Entwicklung rund um die beschädigten Atomkraftwerke ab

HB: Kostenschätzung:Katastrophe in Japan kommt Versicherer teuer zu stehen: Das Erdbeben und der Tsunami in Japan kommen die Rückversicherer teuer zu stehen. Experten rechnen mit Kosten bis zu 35 Milliarden Dollar. Stimmen die Schätzungen, steht der Markt vor einer Trendwende.

FTD: Naturkatastrophe – Warum die Weltwirtschaft mit Japan bangt: Ein verheerendes Erdbeben und ein Tsunami haben in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt gewütet. Nach der Katastrophe drohen ökonomische Schockwellen – Japan wird andere Länder mit in den Strudel der Krise ziehen.

NZZ: Japans Wirtschaft hat die Kraft zum Wiederaufbau – Produktionsstilllegungen in zahlreichen Fabriken: Japans Wirtschaft befindet sich in der Schockstarre. Viele grosse Unternehmen stellen ihre Produktion ein. Dennoch könnte der Wiederaufbau schneller gehen, als dies viele erwarten.

Wiwo: Stürzt Japan die Welt in die Rezession? Die Erdbeben-Katastrophe wird die Produktion in Japan dämpfen. Reißt die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt die globale Konjunktur in den Abgrund

FAZ: Stillstand in vielen Fabriken – Erdbeben trifft japanische Wirtschaft hart: Lahmgelegte Fabriken und Erdölraffinerien: Das schwere Erdbeben in Japan hat auch die Wirtschaft des Landes hart getroffen. Der Finanzminister signalisiert Handlungsbereitschaft, die Zentralbank formt ein Krisen-Reaktionsteam.

HB: Japans Premier forderte einen „New Deal“:Kan sieht Wiederaufbau als Konjunkturprogramm (13.3.11): Die japanische Regierung zeichnet sich kurz nach der Katastrophe durch unerschütterlichen Konjunkturoptimismus aus. Auch wenn die Wirtschaft derzeit lahm liegt, es gibt einen Wiederaufbauplan – ohne Steuererhöhungen.

Spon: Erdbeben, Tsunami, AKW-Unfälle – Beben für die Weltwirtschaft: Zittern vor dem Montag danach: Die Katastrophe droht Japan in eine Rezession zu treiben, die Stimmung in den Finanzzentren der Welt ist gespannt. Die Zentralbank will die Märkte mit Milliarden stabilisieren, ein ökonomischer Absturz in Fernost würde auch Deutschlands Aufschwung gefährden.

Wiwo: Erdbeben lässt Japans Wirtschaft implodieren: Stromsperren beeinträchtigen die Produktion landesweit. Langfristig werden Japans Schulden durch den Wiederaufbau steigen

FAZ: Internationaler Finanzmarkt – Spanien und Japan halten Anleger in Atem

HB: Engpässe:Japans Regierung rationiert den Strom: Japan befindet sich im Ausnahmezustand – und zwar nicht nur im Erdbebengebiet: In Tokio wird ab sofort der Strom rationiert. Ab Montag auch in anderen Städten. Die Menschen sitzen im Dunkeln.

NYT: Crisis Underscores Fears About Safety of Nuclear Energy: The troubles at an earthquake-damaged nuclear plant in northern Japan will raise fresh questions about the country’s ambitious plans to develop nuclear energy.

NYT: Tokyo Exchanges to Open; Officials Pledge to Prevent Manipulation

Alphaville: Bank of Japan to the rescue with ‘thoroughly considered’ action

WSJ: Japan Nuclear Crisis Could Cause Reassessment in U.S.

Weitere Berichte und Hintergründe

Spon: Globale Wirkung – Beben verschiebt Japan um zwei Meter: Das heftige Beben in Japan hat den gesamten Globus durchgeschüttelt: Die Erde dreht sich jetzt ein wenig schneller, der Tag ist kürzer geworden – und die Hauptinsel des Landes um 2,40 Meter verschoben. Es ist nicht das erste Mal, dass Forscher derartige Folgen von Erdbeben messen.

FAZ: Japans AKW-Betreiber Tepco – Eine lange Geschichte von Unfällen und Vertuschungen

Alphaville: Monetary policy in a time of natural disaster

iadb: The economics of natural disasters: A survey (pdf)

Marei S. März 15, 2011 um 23:13 Uhr

Angesichts der Katastrophe in Japan wollen wir nicht länger tatenlos zuschauen, wie die Menschen in Japan leiden. Wir wollen ein Kollektiv bilden und uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir Japan jetzt am besten helfen können. Wir haben dieses Gefühl der Ohnmacht satt und wollen endlich handeln.
Unsere momentane Gruppe besteht aus über 7000 Freunden bei Facebook (www.facebook.com/japansoli) und eine vergleichbar große Masse erreichen wir auch über http://www.japansoli.de

Wir suchen engagierte Menschen, die mitarbeiten möchten, an Ideen und Projekten und sich interessiert einbringen möchten. Das Zuschauen hat ein Ende, jetzt wollen wir handeln.
Hand in Hand für Japan !

Comments on this entry are closed.

{ 3 trackbacks }

Previous post:

Next post: