Ein kleiner Blick in die Wirtschaftsgeschichte: Kriegsinflationen, Staatsbankrotte und Währungsausfälle II: Wie die Römer ihre Wirtschaft ruinierten (Teil 1)

by Marsman on 16. März 2011

Die Geschichte des Römischen Reiches wurde bekanntlich recht munter und erfrischend in den Asterix Comics behandelt. Leider haben diese Geschichten und Abenteuer unserer gallischen Freunde ein großes Manko. Die Autoren haben nicht Bezug genommen auf die Wirtschaftsgeschichte des Römischen Reiches und dessen permanente Probleme des Staatshaushaltes oder gar die Verhältnisse in den letzten zwei Jahrhunderten dieses Reiches. Die Finanzen dieser Imperiums waren ein ewiges Fiasko und böten damit jede Menge Stoff für Spott und sarkastische Witze der Gallier.

Erwähnenswert ist zudem auch, dass es in den USA vor etlichen Jahren, zu Beginn des Irakkrieges, eine größere Faszination für das römische Imperium, dessen Glorie und Strategien der Feldherren gab. Auffallend bei dieser amerikanischen Faszination war, dass die Geld- und Wirtschaftsgeschichte des Römischen Imperiums gänzlich  unbeachtet blieb, obwohl der Staatshaushalt der USA, insbesondere die Schulden, in der letzten Dekade immer „römischer“ wurde. Dieser superschlaue Umgang mit der Geschichte wurde also zu einer Fallgrube. Dieser Rückblick auf diesen Teil der Wirtschaftsgeschichte ist hier natürlich sehr verdichtet zusammen gefasst und auf das Wesentlichste beschränkt. Bewusst weggelassen wurden die politischen und militärischen Strategien und Verhältnisse, alle diese Sorgen und Nöte der Kaiser. Der Zeitraum reicht von etwa dem Jahr 1 bis 476 n. Chr., dem offiziellen Ende des Westreiches.

Den besseren Wirtschaftshistorikern ist bekannt, dass es für vox populi sehr wichtig war, gute Münzen von schlechten Münzen feinsinnig unterschieden zu können. Daraus wurde bei vielen eine Art sechster Sinn, der von Generation zu Generation vererbt wurde. In Westeuropa dürfte diese mittlerweile verschwundene Tradition auf das römische Reich zurückgehen. Das galt für Händler, Kaufleute, Marktleute wie auch Individuen. Sie erkannten eine minderwertige  Münze mit zu geringem Silbergehalt an ihrem Aussehen, Geschmack und daran wie sich eine Münze anfühlte.

Der Wert des Geldes war in antiken Zeiten eng verbunden mit dem Metall, dass auch für andere Zwecke, wie Waffen oder Werkzeuge, verwendet wurde. Die Münzen waren seit den Frühzeiten des Geldes zudem eng an den Wert von Vieh gebunden, weswegen viele Münzen mit Wertbezeichnungen versehen waren, die einer bestimmen Anzahl an Rindern entsprach.

Die Münzen sind  stumme, wiewohl  akurate, forensische Zeugen der Geschichte

Die am meisten verwendete Münze zu jener Zeit war der Denarius. Der Denarius wurde bis ca. 270 A.D. während des Imperiums verwendet. Er hatte in etwa den Wert eines Tageslohnes eines Handwerkers oder qualifizierten Arbeiters. Mit dem Denarius wurden die Armee bezahlt und Steuern eingehoben, sofern diese nicht in Naturalleistungen erhoben wurden. Der Denarius taucht deswegen auch in der Bibel auf. Daneben gab es noch den Sestertius (oft als Sesterze bezeichnet) und das As, bestehend aus Kupfer und Bronze, die für kleinere Einkäufe von der Bevölkerung verwendet wurden.

Die Geschichte der Münzen offenbart eine ganze Menge Informationen über das Verhalten römischen Kaiser, das Imperium und den Zustand der Wirtschaft. Der Denarius bestand in seiner Anfangszeit, der Republikanischen Periode, beinahe aus purem Silber. Nur eine kleine Menge Kupfer wurde beigemischt, um die Münze härter zu machen. Es begann um etwa 110 als nach und nach der Gehalt von Kupfer erhöht wurde. Der Kupfergehalt wurde schrittweise mehr, erst zehn und später fünfzehn Prozent. Unter Marcus Aurelius betrug der Kupfergehalt bereits 25 Prozent und wurde in den Zeiten von Septimus Servius (193 – 217) auf etwa vierzig Prozent erhöht.

Caracalla, der Sohn von Septimus Servius, hatte eine weitergehende großartige Idee. Er schuf den „doppelten Denarius“, der allerdings nur anderthalb Mal so viel wog, wie der ursprüngliche Denarius, also bei weitem nicht das doppelt wert war. Die doppelte Denarius geriet bald bei der Bevölkerung in Verruf und wurde zusehends abgelehnt und sollte damit die Periode der Inflation einleiten, die letztendlich nicht mehr zu kontrollieren war.

Zur Zeit der Regentschaft von Gallienus (253 – 266) betrug der Silbergehalt des doppelten Denarius schließlich nur noch etwa fünf Prozent. Die Regierung ließ Unmengen solch minderwertiger Münzen schlagen und brachte sie in Umlauf. Die Münzen sahen zudem entsprechend schäbig aus. Die Wirtschaft war zu der Zeit am Boden. Das Vermögen sehr vieler, ehemals reicher Leute wie Senatoren und Kaufleute wurde wegen dieses Verfalls des Geldwertes wertlos, schlichtweg vernichtet. Der Handel reduzierte sich auf den eher primitiven Tauschhandel und war entsprechend beschränkt und umständlich geworden. Diokletian versuchte es schließlich 293 mit einer Währungsreform, indem er Münzen aus beinahe reinem Silber schlagen ließ ebenso wie kleinere aus Bronze.

Der römische Staat und nach der republikanischen Periode die Kaiser hatten nicht nur die Münzhoheit, sie hatten natürlich neben der Rechtshoheit auch die Steuerhoheit. Am Ende des Imperiums sah es so aus, dass die römischen Bürger und Untertanen als regelrechte Steuersklaven mit schließlich unhaltbaren Forderungen des Steuer verelendeten. Dabei hatte zumindest moralisch alles so gut angefangen. Es waren dies jene grob vereinfachende Erklärungen der Steuer- und Staatsphilosophen wie sie Michael Rostovtzeff, einer der Klassiker und Pioniere der antiken Wirtschaftsgeschichte, aufgriff:

Starting from the position that the welfare of the State depends partly upon the moral qualities of its citizens and partly on the excellence of its constitution, the Greek philosophic historians attributed just these two causes: the virtues of the Roman citizens and the perfection of the constitution – a constitution which realized in practice the ideal shaped long ago by Greek philosophers, from Plato downwards. (Rostovtzeff, chap. 1, p. 2)

Es gab keine Zentralbank oder andere Form von Staatsbank. Banken entstanden in der Antike durch entsprechende Aktivitäten von Tempeln. Griechische Tempel, ebenso wie private Personen und öffentliche Institutionen nahmen Einlagen, vergaben Kredite, wechselten Geld und bewerteten Münzen. Auch „letters of credit“ wurden ausgestellt und ermöglichten es etwa einem Händler, einen Kreditbrief zu erwerben um sich die Umstände und Risiken von Geldtransporten in andere Städte zu ersparen. Im antiken Rom verfeinerte sich die Administration parallel mit der Entwicklung des Rechtswesens, dessen Kodifizierung wie auch die Regulierung und Auflagen, denen Banken zu entsprechen hatten. So entstand etwa ein Wettbewerb bei den Zinsen. Sehr weit gedieh das Kreditwesen allerdings nicht. Man bevorzugte Bargeldtransaktionen. Die römischen Kaiser konnten deswegen auch keine Staatskredite aufnehmen, um die vielen Kriege mittels Staatsschulden finanzieren zu können. Das war ihnen auf Grund des Fehlens eines höher entwickelten Kreditwesens völlig unbekannt.

Der Weg in die Knechtschaft

Die Ausgaben für die Armee waren der größte einzelne Posten des Budgets. Alle römischen Regierungen hatten Probleme, um dafür genügend Einnahmen aufzutreiben. Die Bedürfnisse des Reiches wuchsen ständig aus vielen Gründen. Beispielsweise wurde schon in den ersten zwei Jahrhunderten begonnen, die Löhne für die Legionäre und Soldaten zu erhöhen, um sich deren Loyalität zu sichern. Die Kluft zwischen den Einnahmen und den Ausgaben wurde immer größer. Auf der einen Seite wurde der wirtschaftliche Niedergang immer tiefer, während andererseits wegen der vielen Bedrohungen und den Überfällen feindlicher Armeen an allen Seiten des Reiches der Kriegsbedarf in irrationale Höhen trieb.

Ein anderer riesiger Kostenposten war die Kultur. Lange Zeit wurden keine Kosten und Mühen gespart, um ein entsprechend hohes Niveau zu erhalten. Da waren die Kosten für die Bauten, die Reparationen und der Unterhalt der vielen Tempel, die öffentlichen Bäder, die Amtsgebäude, Ringerschulen, die Amphitheater und vieles mehr. Hinzu kamen die Aufwendungen für die vielen öffentlichen Veranstaltungen, Feste und Spiele. Die Kosten der Arbeitslosenunterstützung trugen ebenfalls dazu bei. Zur Zeit von Marcus Aurelius wurde dann mit täglichen Ausgaben von Fleisch, Öl und Brot an das Proletariat begonnen. Ein System der Unterstützung, das Abhängigkeit schaffte, um sich den Beifall des Proletariats in Rom zu sichern, um Masse bei den diversen Festen und Veranstaltungen zu haben, und das schließlich unhaltbar wurde. Es wurde nicht bloß zufällig von Nero begründet, der bekanntlich eine Vorliebe für blutige Schauspiele und tyrannische Politik  hatte. Das Handelsdefizit wurde wegen der Kosten von Luxusimporten aus dem Osten in die Höhe getrieben.

Ein weiterer riesiger  Kostenposten war die wachsende – militärische –  Bürokratie und der wachsende Zwangsapparat,  der unter anderem dem düsteren Zweck der Zwangseintreibung all der verordneten Abgaben wie auch der verordneten Zwangsarbeit diente. Die Zahl der Provinzen und der Verwaltungsbezirke (Diözesen, damals noch ein säkularer Begriff) wurde, durch Unterteilung, um ein Vielfaches erhöht. Das geschah wohl um eine rigorosere Kontrolle und Durchsetzungsfähigkeit zu haben. Die Kosten dafür stiegen feilich auch entsprechend.

Rom litt denn auch  ab dem  späten dritten  dritten Jahrhundert an einer enormen Wirtschaftskrise. Die Inflation setzte voll ein. Rostovtzeff errechnete eine Inflation von 15 000 Prozent. Eine Maß ägyptischer Weizen beispielsweise die im 2. Jahrhundert sieben oder acht Drachmen gekostet hatte, kostete dann 120 000 Drachmen.

Die Krise entstand nicht zufällig. Caracalla (Kaiser von 212 bis 217), hatte zu seiner Zeit schon erhebliche Schweirigkeiten mit der Finanzierung des Staatshaushaltes. Er hatte seine ganz eigene Vorstellung von Haben und Nichthaben, die er auch umsetzte: „Nobody should have any money but I, so that I may bestow it upon the soldiers.“ Er erhöhte das Gehalt der Soldaten um 50% wozu er unter anderem die Erbschaftsteuer für die römischen Bürger erhöhte.

Die Fortsetzung folgt in der nächsten Woche und enthält außerdem ein ausführliches Literaturverzeichnis.

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