Gedanken zur Nominierung des Blick Logs und der Wirtschaftsblogszene in Deutschland

by delsn on 3. April 2011

Ich hatte bereits vergangenen Montag geschrieben, dass mich die Nominierung zum Finanzblog Award 2011 sehr gefreut hat. Vor allem, wenn man sieht, wer dort noch nominiert ist, dann fühle ich mich durchaus geschmeichelt. Tatsächlich adressiere ich ja mit dem Blick Log nicht einmal die Gruppe der Privatanleger, auf die die nominierten Blogs ausgerichtet sein sollen, wenn ich die Ziele der Comdirect mit dem Preis richtig verstehe.

Eine gewisse Unschärfe im Profil dieses Blogs, wie mir einige Bloggerkollegen sagen, nehme ich bewusst in Kauf. Ich hatte bereits gestanden, dass ich ja hauptsächlich für mich schreibe. Von meiner Familie bringt mir das regelmäßig den Vorwurf, die Themen seien so langweilig, ich solle doch mal etwas Lustiges schreiben, was jeder verstehe. Es tut mir leid, aber so kann ich nicht schreiben. Ich kann und will diesen Blog nicht auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichten und dieser die Welt erklären. Mir reicht meine begrenzte Sicht auf einen eingeschränkten Bereich der Lebensrealität, nämlich der Wirtschaft. Ich schreibe über Dinge, von denen ich glaube, etwas zu verstehen. Manchmal sind es auch nur Dinge, die mich interessieren und von denen ich gern mehr verstehen möchte.

Wirtschaft lässt sich nicht in 1:30 erklären, vielleicht lässt sich Wirtschaft ja auch gar nicht erklären, weil es einfach nicht richtigen Erklärungsmodelle gibt. Die Verhältnisse in der praktischen Ökonomie mit vielen Abhängigkeiten und unterschiedlichsten Interessen sind jedenfalls nun einmal komplexer als eine Klatschnachricht oder Informationen über die Funktionsweise des neuen iPads. Wer Wirtschaft verstehen und sich nicht nur empören will, der muss sich manchmal durch die Tiefe quälen können.

Blogs ergänzen klassische Medien dort, wo es gilt ein tieferes Bild von Ereignissen und Sachverhalten oder eine andere Perspektive zu vermitteln. Ich vergleiche dies gern mit meinem früheren Hobby, dem Fotografieren. Es gibt unzählige Möglichkeiten, ein bestimmtes Motiv abzubilden. Das beginnt bei den Lichtverhältnissen, der Aufnahmeposition, der Wahl der Ausrüstung, den Belichtungseinstellungen, dem Filmmaterial usw. Und nach der Belichtung geht es weiter über das Beschneiden des Fotos, dem Postprocessing und der Wahl der Präsentationsform. Am Ende dieses Prozesses jedenfalls steht eine Abbildung von einer Realität, die so ist, wie der Fotograf sie darstellen will. Kein Foto bildet aber die Realität so ab, wie sie wirklich ist. Der Fotograf trifft eine bewusste und häufig eine unbewusste Auswahl.

Etwa so verhält es sich mit Berichten aus der Wirtschaftswelt. Traditionelle Medien präsentieren uns das, was sie für relevant halten. Objektiv ist das nie und kann es nicht sein. Während klassische Medien letztlich auf etwas zoomen, was ihrer Meinung den Kern dessen trifft, was die Leser konsumieren wollen, versuchen Blogs die gleichen Sachverhalte anders zu belichten, einen anderen Aufnahmestandpunkt oder eine andere Tiefenschärfe zu wählen.

So, dies sollte nun kein Proseminar für Wirtschaftsblogs werden. Ich wollte ja nur noch einmal meine Freude über die Nominierung loswerden. Übrigens vermisse ich in der Aufstellung der nominierten Blogs egghats “Wunderbare Welt der Wirtschaft” und natürlich “Weissgarnix”. Diese und noch einige andere Kandidaten hätten sehr gut ebenfalls eine Nominierung verdient. Aber vielleicht haben sie gar nicht teilgenommen. 

PS

Wer die Vielfalt der deutschen Wirtschaftsblogszene erkunden will, dem bietet die Mindmap Deutsche Wirtschaftsblogs viele Stationen.

Marc April 4, 2011 um 13:07 Uhr

Zunächst mal Glückwunsch von Nominiertem zu Nominiertem… wer von den geschätzten Mitbloggern wird denn an dieser Preisverleihung in Frankfurt teilnehmen? Wäre doch mal eine schöne Gelegenheit sich auch mal abseits der Kommentarspalten auszutauschen…
VG
Marc

dels April 5, 2011 um 11:30 Uhr

Hallo Marc,
den Börsenbloggern natürlich auch Glückwunsch zur Nominierung. Ich drücke uns mal die Daumen gegen die harte Konkurrenz.
Ich wäre gern gefahren. Ist aber die letzte Woche vor meinem Osterurlaub und ich kann meinen Kunden da nicht 1,5 Tage abzwacken.

egghat April 4, 2011 um 11:30 Uhr

Erstmal Danke für das Lob. Zweitens Glückwunsch für *deine* Nominierung! Aber mit Kriterien wie „Gestaltung“ und „Sprache“ hatte ich eh keine Chance. Das Design ist bei mir ein Komplettausfall (Freiwillige an die Front) und das zweite ist höchstens ein „Naja“.

Der Comdirect gebührt aber auch mal ein Lob. Im Gegensatz zu Smava gab’s wenigstens eine Einladung zur Preisverleihung und auch noch ein Mailupdate, als ich „ausgeschieden“ war. Bei Smava habe ich die Preisverleihung eigentlich nur durch Zufall mitbekommen … Nicht wirklich professionell. Und die machen es nicht zum ersten Mal …

dels April 4, 2011 um 12:01 Uhr

Einen Designpreiss gewinnen wohl alle Teilnehmer nicht 🙂
Mir gefällt übrigens Dein Sprachstil.

Marsman April 3, 2011 um 10:36 Uhr

Von wegen langweiligen Themen. Hier in Irland sieht das schon mal anders aus. Hier gibt es seit längerer Zeit das Pub – Sterben,
ziemlich viele haben mittlerweile dicht gemacht. Das hat viele Gründe, natürlich auch wirtschaftliche. Salopp gesehen könnte man das
als die Rache der Ökonomischen Daten und Fakten bezeichnen die sich wegen ihrer jahrelangen Mißachtung rächen, als Strafe die Gaststätten
reihenweise schließen, die Trinkgewhonheiten nachhaltig verändern.
Ähnliche Betrachtungen könnte man über die Ökonomie der Frauen anstellen, ohnehin in mancher ein OMG Kapitel. Was manche nur sehr schwer
oder gar nicht begreifen ist daß die ökonomischen Umstände, diese Bande der Daten und Fakten vollkommen immun sind gegenüber weiblichen
Reizen. Diese Bande schaut nicht den Frauen und Mädchen hinterher. Und nicht nur das, sie greifen, wenn es darauf ankommt, schon recht
gravierend in deren Ökonomie genauso ein, woraus immer denn diese besteht und welche Prioritäten es dabei gibt.

Nixda April 3, 2011 um 09:42 Uhr

Wenn man ein Hammer ist, sieht alles aus wie ein Nagel. In vielen Wirtschaftsblogs werden die Themen aus bestimmten, häufig althergebrachten Perspektiven betrachtet. Da gibt es die Trader, die Börsenjünger, die Makroökonomen verschiedener Lehrmeinungen, die Untergangspropheten, die Verteidiger der reinen Lehre der freien Marktwirtschaft. Die Einträge lesen sich dann auch häufig wie wiederfolgende Bestätigungen der eigenen, bereits vorher bekannten Sichtweise.

Ich finde Ihren Blog gerade wegen der aus der praktischen Erfahrung kommenden verschiedenen Betrachtungswinkel auf das Phänomen Wirtschaft ganz ausgezeichnet. Auch wenn das andere als Unschärfe sehen.

Ich gratuliere zur Nominierung. Und wenn es zum Preis nicht reichen sollte, dann liegt das sicher nicht an der Qualität des Blogs, sondern daran, das Qualitätsprodukte häufig auch Nischenprodukte sind (und das der Comdirectkunde nicht unbedingt Zielgruppe ist?).

dels April 3, 2011 um 10:15 Uhr

Hallo Nixda,
besten Dank für die Rückmeldung. Das ist gut getroffen, denn in der Tat versuche ich die verschiedenen Blickwinkel zu betrachten. Mein Job eröffnet mir glücklicherweise die Möglichkeit in die Praxis der Finanzwelt und der übrigen Wirtschaftswelt zu schauen. Hier trifft man einfach ständig auf unterschiedliche, zum Teil nicht zu vereinbarende Sichtweisen.

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