Vom bisher ausgebliebenen Neustart des Finanzsystems (Teil 3): Eigeninteressen der Behörden und mangelnder Antrieb

by Dirk Elsner on 6. April 2011

The Federal Reserve: The Biggest Scam In History

In Teil 2 dieser Beitragsreihe ging es um einen Vorschlag von Rainer Lenz aus dem Jahre 2009, zum Aufbau einer supranationalen Plattform für Finanztransaktionen, die Transparenz für Bankdienstleistungen schafft und wesentliche Teile der Intermediationsdienstleistungen von Banken auf dieser Plattform abbildet.

Eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung habe ich Prof. Lenz per Mail gefragt, was aus seinem Vorschlag geworden ist. Seine Antwort hier in kursiver Schrift (Zwischenüberschriften und Hervorhebungen durch mich):

Auf die Veröffentlichung im Handelsblatt gab es zwar einige Reaktionen, doch die erhoffte Interessensbekundung seitens der Politik oder der Finanzbranche fehlte.

Eigeninteressen der Regulierer verhindern Veränderungen

Habe zwischenzeitlich versucht, mit Kollegen von der EZB diesen Vorschlag zu diskutieren, doch hier besteht kein Interesse. Die EZB hat im Rahmen der Finanzkrise, die Aufgabe der Aufsicht für Systemrisiken erhalten und baut hier mit einer Vielzahl von neuen Mitarbeitern einen eigenen Bereich auf. Klar, eine webbasierten Finanzplattform würde das Systemrisiko der Banken obsolet werden lassen und damit der EZB diesen neuen Aufgabenbereich wieder nehmen.

Auch die amerikanischen Notenbank hat  institutionell von der Finanzkrise profitiert und deutlich mehr Aufgaben in der Finanzaufsicht erhalten. Von diesen Institutionen kann man keine Unterstützung für eine grundlegende Reform des Finanzsystems erwarten. Gleiches gilt für den Bankensektor, der sich mit meinem Vorschlag selbst wegrationalisieren würde. Die Politik denkt kurzfristig und nur systemimmanent.  „Ordnungspolitik“ aller Walter Eucken, im Sinne einer grundlegenden institutionellen Neuordnung des Finanzmarktes, existiert hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Zudem wäre hierfür ein Paradigmenwechsel notwendig, weg vom neo-liberalen Denken der Deregulierung und Liberalisierung des Finanzmarktes hin zu einer Rückbesinnung auf die originäre Aufgabe des Finanzsystems, als Dienstleister für die Realwirtschaft.

Praxisbeispiele belegen Relevanz des Ansatzes

Der wirtschaftliche Erfolg der Finanzplattformen wie Smava (www.smava.de), Zopa (http://uk.zopa.com/ZopaWeb/ ) und auch Prosper (www.prosper.com/ ) dokumentiert, dass die Idee des Peer-to-Peer Lending funktioniert. Anleger können bei Smava direkt Kleinkredite vergeben und erzielen bei Streuung des Kreditrisikos eine deutlich höhere Marge als am Kapitalmarkt. Die Gewinnmarge der Geschäftsbank, also die Zinsspanne, fällt beim P2P-Lending weg. Die Gebühren der  Finanzplattformen für die reine Vermittlung sind relativ niedrig.

Rechtliche Hindernisse für Newcomer

Doch die Verbreitung des P2P-Lending stößt auf eine Vielzahl von rechtlichen Hindernissen. In Deutschland müsste beispielsweise das Kreditwesengesetz geändert werden, so dass die Finanzplattform auch ohne Zusammenarbeit mit einer Geschäftsbank operieren darf. Wenn diese Barrieren beseitigt werden, könnte man sich durchaus vorstellen, dass Unternehmen wie Amazon und Ebay, oder soziale Netzwerke wie Facebook oder auch die Finanzindustrie (zwangsweise) selbst, ins P2P-Lending einsteigen.

Lenz hebt hebt hier zu Recht die sich ausbreitenden Peer-to-Peer- und Crowd-Funding-Plattformen hervor. Díe erwähnten Unternehmen Smava stellen im Prinzip eine technische Plattform für Menschen bereit, die in Kredite investieren und Menschen, die sich Geld leihen wollen. Das Geschäftsvolumen von Smava liegt zwar (noch) unter der Wahrnehmungsschwelle traditioneller Banken, wächst aber mit hohen zweistelligen Prozentsätzen.

Solche Plattformen sind also nicht mehr nur Phantasien. Die Rahmenbedingungen sollten aber so gestaltet sein, dass der Aufbau aus privater Hand (sprich über Investoren) erfolgen kann. Dort, wo man an regulatorische Grenzen stößt, weil die Finanzordnung für das klassische System gemacht ist, sollten die Gesetzesgeber die Bahn frei machen.

Neben den oben erwähnten Unternehmen gibt es bunten Strauss weiterer Dienstleister und sogar Banken, die sich um einen Neustart des Finanzsystems bemühen (siehe dazu “Die Mindmap des Banking und Finance 2.0). Der Blick Log berichtet darüber regelmäßig und hat auf dieser Seite eine ausführliche Sammlung fremder und eigener Beiträge zusammen gestellt.

Kein Antrieb für den Neustart

Bemerkenswert ist also, dass viele interessante Vorschläge von außerhalb der klassischen Finanzinssektors kommen. Natürlich hängen mit den neuen Entwicklungen viele praktische Fragen zusammen, die vom etablierten Finanzsektor als Problem gesehen wird.
Die klassischen Banken und Aufsichtsbehörden werden diese aber kaum anfassen. Sie sind derzeit ausschließlich mit der Neuregulierung des Status Quo beschäftigt und damit mit der Stabilisierung des gegenwärtigen Systems. Einige mögen der Finanzbranche nebst ihren Regulatoren deswegen intellektuelle Trägheit vorwerfen, ich bezeichne das Verhalten allerdings als rational. Warum soll man in einem System,

  • das gute Erträge im klassischen Geschäft verspricht,
  • über das staatliche Institutionen ihre schützende Hand halten und
  • über strenge Vorschriften neue Wettbewerber vom Markteintritt abschreckt,

Risiken eingehen und gar die eigenen lukrativen Geschäftsmodelle beschneider?
Insoweit ist es eigentlich falsch zu sagen, dass den traditionellen Banken der Mut zu einem Neustart fehlt. Er ist aus ihrer Sicht gar nicht notwendig, denn die Geschäfte spülen auskömmliche Erlöse in die Taschen der Manager und Eigentümer. Neue Ideen, die tradierte Vorstellungen überholen könnten oder gar das System destabiliseren könnten, werden daher aus dem bestehenden System ausgebremst und wegdiskutiert. Meist werden sie, das zeigt die Antwort von Lenz, sogar von den öffentlichen Institutionen ignoriert.

Systeme verändern sich sehr selten von innen heraus. Die Aktivitäten der Mitglieder des Systems Finanzmarkt, und das belegt die Finanzkrise sehr eindrucksvoll, zielen darauf ab, dass bestehende System wieder zu stabilisieren. Der Druck zu Systemänderungen muss daher von außen kommen. Dies bedeutet nicht, dass der Staat hier den Finanzinstitutionen Konkurrenz machen muss. Er muss aber den Weg frei machen, damit neue Dienstleister an die Honigtöpfe des Finanzsektors kommen.

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