Einer der interessantesten Ansätze zum Neustart des Finanzsystems kam von Rainer Lenz, Professor für International Trade and Finance an der Fachhochschule Bielefeld. Er skizziert in einem Beitrag für das Handelsblatt, wie der Neustart unseres Finanzsystems ausgestaltet werden könnte[1]. In dem Beitrag ging es um eine eine supranationale Plattform, über die "Finanztransaktionen dezentral ohne den bisherigen Intermediär Bank" abgewickelt werden können. Dabei setzte er auf den Einsatz von Informationstechnologie, um die Transparenz, den Wettbewerb und die Mobilität von Kapital zu erhöhen.
Ausgangspunkt Komplexität der “unternehmerischer Prozessgestaltung”
Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Frage, warum überhaupt in die Bankenrettung Geld investiert wird, wenn doch die Finanzkrise das Versagen der “Institution Bank” deutlich gemacht hat. Gut fundiert begründet er mit auf Basis der Transaktionskostentheorie, dass die Institution Bank sich durch “dezentraler Verträge zwischen Individuen am Markt organisieren” lassen lässt. Ein Problem der Institution Bank ist nämlich mittlerweile, dass die durch die Finanzprodukte und ihre Regulierung geschaffene Komplexität die “unternehmerischer Prozessgestaltung” an ihre Grenzen stoßen lässt.
Außerdem verlieren Banken ihre Rolle als Finanzintermediäre. Sie schaffen keinen ausreichenden Interessenausgleich mehr zwischen den Marktteilnehmern, die Finanzierungsmittel anlegen wollen (Überschusseinheiten), und den Marktteilnehmern, die Mittel aufnehmen wollen. (Defiziteinheiten).
Rolle der Banken in Frage gestellt
Die vielschichten Faktoren, die die Finanzkrise ausgelöst haben, stellen also die Rolle der Banken als Moderator zwischen den Interessengegensätzen von Anlage und Kredit suchenden Einheiten in Frage. Statt die Interessen zwischen diesen Gruppen auszugleichen, haben Banken ihren Informationsvorsprung z.T. mit opportunistischen Methoden ausgereizt und den Intermediationsmechanismus untergraben.
Zurück zum Text von Lenz, der betont, “dass bankinterne Risikosteuerung sowie externe Aufsicht versagt haben. Und dies, obwohl die Kontrollanstrengungen (z.B. Basel II) und damit auch die Kosten deutlich zugenommen haben. Die derzeitigen Reformmaßnahmen, die alle auf ein Mehr an Kontrolle fokussiert sind, erfassen die grundsätzliche Problematik nicht. Im Gegenteil: Durch höhere Kontrollkosten werden die Transaktionskosten der Organisationsform "Geschäftsbank" ins nahezu Unermessliche gesteigert, ohne die Komplexität und damit letztlich das Risiko zu reduzieren.”
Disintermediation und Dezentralisierung der Finanztransaktionen
Lenz schlägt die Disintermediation und Dezentralisierung der Finanztransaktionen im Rahmen einer einheitlichen Transaktionsplattform vor, die man sich wie eine Art Marktplatz vorstellen kann. Lenz erläutert dies so (Hervorhebungen durch mich):
“Hinter der Überlegung, zukünftig die Vermittlung, Abwicklung und Dokumentation aller Finanzgeschäfte über eine zentrale Transaktionsplattform zu organisieren, steht die Idee, dass damit das Einlagengeschäft und die Kreditvergabe an Transparenz gewinnen und so die damit verbundenen Risiken bewertbar werden. Das derzeit größte Problem ist ja die Unübersichtlichkeit der Finanzmärkte.
Ein zentral organisierter Finanzmarkt hätte einen immensen Vorteil: Alle Finanztransaktionen kommen dezentral ohne den bisherigen Intermediär Bank durch Angebot und Nachfrage innerhalb eines einzigen – wenn man den Gedanken in Konsequenz zu Ende denkt – weltweiten Finanzmarktes zustande. Die Plattform macht das Bankgeschäft der Kapitaleinlage und Kreditvergabe überflüssig. Jeder Marktteilnehmer kann über sein Transaktionskonto Kredite aufnehmen oder Kapital anlegen, sofern er innerhalb der Plattform einen Kontrahenten zum Vertragsabschluss findet. Jede Transaktion wird innerhalb der Plattform abgewickelt und dokumentiert.”
Keine systemrelevanten Verluste mehr
Lenz plädiert damit für die Verlagerung zentraler Bankfunktionen, wie Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation zurück in den Markt und zeigt einige Vorteile auf:
“Die Transaktionsplattform kann keine systemrelevanten Verluste produzieren, da sie lediglich Finanzgeschäfte vermittelt, abwickelt und dokumentiert. So wie bei allen Verträgen liegen die wirtschaftlichen Risiken beim Käufer und Verkäufer, in diesem Fall beim Kapitalanbieter und -nachfrager. Auch bei Kreditausfällen, die es unverändert geben wird, bleibt das System somit stabil. Die Plattform ist kein gewinnmaximierendes Geschäftsmodell, sondern sollte von einer unabhängigen, suprastaatlichen öffentlichen Institution betrieben werden und sich mittelfristig aus den Gebühren der Teilnehmer finanzieren.
In der Plattform wird der Einsatz von Informationstechnologie die Transparenz, den Wettbewerb und auch die Mobilität von Kapital im Vergleich zum oligopolistischen Bankenmarkt deutlich erhöhen. Für die Marktteilnehmer bedeuten höhere Transparenz, verstärkter Wettbewerb und Wegfall der Bankmargen, dass sich die Kosten verringern und sich der Zugriff auf Kapital vereinfacht.” (Zitate überprüfen)
Dieser Ansatz bedeutet auch nicht, das Spezial Know how der Banken und vor allem ihrer Mitarbeiter abgeschafft werden. “Das Know-how und das Produktwissen der Bankmitarbeiter werden unverändert gefragt sein, da auch in der Transaktionsplattform alle bisherigen Finanzinstrumente gehandelt werden.” Es will damit auch keinesfalls die Produkte beschneiden, sondern weiter die große Vielfallt uns sogar komplexer Produkte zugelassen wissen.”
Lässt sich das Banking neu erfinden?
Es ist klar, dass dieser Vorschlag nur eine grob skizzierte Vision eines neuen Banking sein kann und in dieser Form nicht realisierbar sein wird, weil sich eine solche Plattform nicht einfach verordnen lässt. Die Forderung nach einer quasi staatlich vorgegebenen Supraplattform halte ich aber für den einzigen Webfehler dieses Vorschlag, wobei die Betonung auf staatlich verordnet liegt. Ich plädiere eher dafür, marktmäßige Institution zu fördern, die in einen Systemwettbewerb mit den bisherigen institutionellen Arrangements treten und durch staatliche Regulierung zumindest nicht diskriminiert werden.
Im dritten Teil dieser Beitragsreihe schauen wir, was aus dem Vorschlag von Prof. Lenz geworden ist. Ich habe ihn dazu per Mail befragt.
[1] siehe auch Die Institution „Bank“ ist am Ende – das Absurdum Bankenrettung. Plädoyer für eine grundlegende Neuordnung des Finanzsystems), Working Paper 2009
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