Flächendeckende Verwirrung bei Diskussion um einen Schuldenschnitt Griechenlands (+ Presseschau)

by Dirk Elsner on 4. Mai 2011

Das fröhliche Verwirrspiel um einen mutmaßlichen Schuldenschnitt Griechenlands scheint einen neuen Höhepunkt zu erreichen, wenn man sich die öffentlichen Äußerungen und Pressebeiträge der letzten Tage anschaut (siehe Übersicht unten). Die verschiedenen und sich widersprechenden Äußerungen von “Experten” machen es schwer, überhaupt eine klare Linie zu erkennen.

Ganz vorn dabei, Anleger, Steuerzahler und Gläubiger zu verwirren sind Vertreter Griechenlands. Ständig wiederholt wird die Aussage, es gäbe keinen Schuldenschnitt. Und plötzlich rollten am Montag Meldungen durch die Gazetten, Griechenland wolle mehr Zeit für Milliarden-Rückzahlung an die EU und einen niedrigeren Zins. Griechenland und die EU mögen dies nicht als Schuldenschnitt im engeren Sinne ansehen. Ökonomisch vermindert eine solche Transaktion den Wert der Verbindlichkeiten und ist ein Schuldenschnitt light. Ich habe das bereits einmal kurz gezeigt in diesem Beitrag.

Viel interessanter als dieses öffentliche Störmanöver ist die mittlerweile auch offiziell bestätigte Tatsache, dass Griechenland eigene Schuldtitel am Markt zurückkauft (siehe dazu Alphaville: More on Greek debt buybacks). Eine geschickte Transaktion, weil man so ebenfalls sein Schuldsumme mit Marktmitteln reduzieren kann.

Die EU-Kommission selbst erfüllt natürlich ihre Pflicht, wenn sie sagt ein Schuldenschnitt in Athen sei mit ihr nicht zu haben. Solange es kein klares Konzept für ein Vorgehen gibt, muss sie das so sagen, weil angesichts der nicht transparenten finanziellen Vernetzung nicht klar ist, welche Folgen eine Umschuldung der Anleihen hat. So spielt die EU-Kommission auf Zeit und reduziert halt nur die eigenen Forderungen über eine Zinssenkung und eine Laufzeitverlängerung.

Im Handelsblatt profilieren sich derweil “Experten” auf, die meinen “Spekulationen auf einen Schuldenschnitt lohnen nicht”. Wenn sich die Spekulation nicht lohnen soll, dann folgt im Umkehrschluss, dass man griechische Staatsanleihen ohne Bedenken an der Börse kaufen kann. Und in der Tat sehen die Konditionen verlockend aus. Bereits Anfang April hatte ich über die “Traumrenditen bei Verzicht auf Schuldenschnitt” geschrieben. Die in dem Beitrag besprochene Anleihe mit einer Restlaufzeit von 6 Jahren notierte gestern nur noch bei 57,3% und würden damit eine Rendite von 18,1% abwerfen, wenn vereinbarungsgemäß geleistet wird. Das ist ein wahres Schnäppchen und zeigt auch gleich wer von einem Verzicht auf einen Schuldenschnitt profitieren würde: Anleger, die bereit sind, jetzt das Risiko einzugehen, das ja angeblich nicht bestehen soll. Stellt sich nur die Frage, warum diese Anleger nicht zugreifen? Ganz offensichtlich glauben sie die Beteuerungen nicht.

Hier die aktualisierte Renditetabelle für den Fall eines Schuldenschnitts an der hier schon häufiger betrachteten Anleihe. Der Haircut gibt die prozentuale Kürzung von Zins- und Tilgung bei sonst gleichen Konditionen an:

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Folgt man dieser Tabelle, dann ist mittlerweile selbst ein Schuldenschnitt von 50% noch ungefährlich für die Anleger.

Warum glauben Privatanleger, Banken und institutionelle Investoren den Griechen und den Vertretern der EU-Kommission nicht? Ach ja, weil lt. Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, die Banken Stimmung für eine Umschuldung machen, weil sie von den hohen Gebühren profitieren würden. Ich halte das für Unsinn. Zwar haben sich die Banken in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Aber für meinen Geschmack haben sie viel zu häufig nach dem EU-Rettungsschirm gerufen. Klar, sie profitieren davon, wenn die Steuerzahler die Anleihen, die sie von Griechenland, Portugal oder Irland im Portfolio halten, garantieren. So braucht man im Anlagebuch nicht abschreiben.

Schauen wir mal, wie lange das öffentliche Verwirrspiel noch anhält.

Presseschau

FAZ: Griechenland –  Nützt eine Umschuldung? (2.5.11): In der jüngsten Zeit mehren sich Stimmen, die eine Umschuldung Griechenlands als unausweichlich propagieren. Doch den Schaden oder Nutzen aus einer solchen Maßnahmen müssen nicht unbedingt die Richtigen haben.

Standard: Abgeschnitten vom Markt – Griechenland sträubt sich weiter gegen Haircut (3.5.11): Griechischer Finanzminister: Wäre großer Fehler – Regierung rechnet wieder mit Wachstum im kommenden Jahr

FTAlphaville: More on Greek debt buybacks (3.1.11): Petros Christodolou, director-general of the Hellenic Public Debt Management Agency, writes in response to our recent post on Greece buying back some debt: I believe this article was way off the mark

HB: Europas Schuldenkrise„Die Investoren zahlen für die Rettung“ (03.05.11): Griechenland steht vor der Pleite, denken die meisten Investoren. Andreas Utermann, Anlagestratege von Allianz Global Investors, ist anderer Meinung. Er hält Griechenlands Rettung für möglich – auf Kosten der Investoren.

Zeit:  Staatsverschuldung Griechenlands Angst vor dem tiefen Schnitt (2.5.11): Ein radikaler Schuldenerlass für das Land ist unwahrscheinlich. Der griechische Finanzminister spricht sich stattdessen für eine Fristverlängerung aus.

NZZ:  Griechenland will mehr Zeit für Milliarden-Rückzahlung (2.5.11): Griechenland erwartet Wachstum im zweiten Halbjahr. Im Kampf gegen die Schuldenkrise will sich Griechenland Zeit kaufen: Nach einem Vorschlag von Finanzminister Giorgos Papaconstantinou sollen die milliardenschweren Hilfskredite später und zu niedrigeren Zinskosten an die Europäische Union und Internationalem Währungsfonds (IMF) zurückgezahlt werden.

DPA: “Schuldenschnitt in Athen mit uns nicht zu haben” (2.5.11)

HB:  Geldanlage auf griechisch: Spekulationen auf einen Schuldenschnitt lohnen nicht (2.5.11): Anlageprodukte mit griechischen Anleihen als Basiswert haben drastisch an Wert verloren. Könnte es sich für risikofreudige Anleger lohnen, auf eine Umschuldung Griechenlands zu setzen? Experten raten ab.

NZZ: Die Finanzkrise kommt in die Endphase (2.5.11): Wachsende Differenzen in den geldpolitischen Antworten. Die Schuldenkrise kommt in die Endphase. Den Inflationsdruck behandeln die Notenbanken unterschiedlich. Die Entschuldung wird die Welt verändern.

FTD: Portfolio – Profiteure der griechischen Tragödie (1.5.11): Investoren erwarten eine Umschuldung des Landes. Risikobereite Anleger können selbst in diesem Fall mit Gewinnen rechnen

FAZ: Griechenland – Anleitung für den Staatsbankrott (1.5.11): Auch wenn die Politiker noch drum herumreden: An einer Umschuldung Griechenlands führt kein Weg vorbei. Früher hätten die Gläubiger ihre Marine geschickt, um das Geld einzutreiben. Aber wie funktioniert der Schuldenschnitt heute?

HB: Chef des Euro-Rettungsfonds„Banken wollen von Umschuldung Griechenlands profitieren“ (01.05.11): Die Banken möchten von einem Zusammenbruch des Schuldners Griechenlands profitieren, sagt der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling. Nicht der einzige schwere Vorwurf. Ist Griechenland noch zu retten?

FAZ: Griechenland – Die Tücken einer Umschuldung (30.4.11): Die griechischen Umschuldung wird als immer wahrscheinlicher bewertet. Dies könnte auch auf „freiwilliger“ Basis geschehen. Möglich ist aber, dass selbst dieser Verzicht die Finanzkrise verschärft.

FTD: Griechenland-Privatanleger bangen um ihr Geld (29.4.11): So viel steht fest: Kommt es zum Schuldenschnitt, wird es Banken und andere professionelle Investoren hart treffen. Eine Pleite Griechenlands würde aber auch Zeichner von sechs LBBW- und DZ-Zertifikaten hart treffen.

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