Summerflashcrash à la Française

by Dirk Elsner on 11. August 2011

Eigentlich hatte ich gestern Abend gar keine Zeit für diesen Blogeintrag. Ich wollte meinen Vortrag in der nächsten Woche für die IBM-Veranstaltung Banking of tomorrow vorbereiten. Aber wie es gestern aussah, leidet aktuell das Banking of today so stark, dass es die Börsen wieder einmal nach unten gerissen hat. Also fasse ich hier unstrukturiert meine Impressionen zusammen, die ich mir vor allem aus meinen eigenen Twitter- und Google+ Einträgen zusammen “klaue”. Ich schreibe übrigens bewusst von Impressionen, weil ich hier keine Erklärungen liefere (dazu noch einmal am Ende dieses Textes).  

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Einen Kern des Problems beschrieb gestern der Wirtschaftswurm am treffendsten in “Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert und fällt”. Er bezieht sich dabei vor allem auf diesen Aufsatz von Yanis Varoufakis. Zero Hedge hat dann auch gleich mal ausgerechnet (Danke für den Linktipp @TeraEuro) , wie hoch eigentlich das Volumen eines europäischen Rettungsfonds sein müsste, wenn er alle Problemstaaten mit aufnimmt: 3,5 Billionen Euro. Ich kann das jetzt nicht überprüfen, klingt aber plausibel.

Jedenfalls scheint sich nun Frankreich mit Euro-Virus infiziert zu haben. Gerüchte machten die Runde, dass Frankreichs Triple A Rating gefährdet sei (halte ich übrigens nicht für überraschend). Der drohende Griechenland-Haircut sollen dann der Absturz der Société-Générale-Aktie um 20% die Märkte verunsichert haben und hat dann alle Banken erfasst.

Ob das allerdings einen Indraday-Kurststurz von fast 10% (6.100 auf 5544) rechtfertigt, halte ich für unplausibel. Ergänzend sollte man besser auf die Wirkungen des Flash- und Algotradings achten. Zum Alogtrading und den gestrigen Börsentag lesenswert auch Zero Hedge mit “Fractal Algo Strikes Again, This Time Impacts Popular Bond Bear ETF TBT

Zurück zu unseren Nachbarn. Der Chart für Kreditversicherungen auf Frankreich verheißt ja nichts Gutes.

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Das Handelsblatt hatte gestern übrigens nach der FAZ am Dienstag ebenfalls die steigenden Risikoprämien auf deutsche und französische Anleihen aufgegriffen und titelte: Investoren wetten gegen Frankreich und Deutschland. Ich fand das am Vormittag noch zu dramatisch. Am Nachmittag hatte mich dann aber der Summerflashcrash vom Gegenteil überzeugt.

Widersprüchliches liest man unterdessen von den professionellen Ökonomen. Während die FTD aufmacht mit “Ökonomen halten Weltwirtschaft für stabil”, kommen im Handelsblatt die Ökonomen ins Grübeln und stellen ihre Konjunkturprognosen in Frage. Ist ja auch ein undankbarer Job, irgend jemand lästert immer.

Viel mehr Sorgen als das Rating Frankreichs bereitet mir aber, dass das Vertrauen der Banken untereinander wieder austrocknet. Die FTD schreibt “Keine Bank traut mehr der anderen”. Das ist sicher übertrieben, denn natürlich leihen sich die Banken noch Geld untereinander, wie ich aus Bankkreisen höre.

Jetzt haben also die französischen Banken Probleme mit ihren Anleihebeständen an Staaten und damit für neue Unsicherheit an den Finanzmärkten gesorgt. Alle schauen dabei auf die Ursachen in der Makroebene. Wie auch immer bei solchen Dramen an den Finanzmärkten gibt es viele Ursachen, die sehr komplex miteinander verwoben sind. Monokausale Erklärungen führen zwar dazu, dass wir glauben, etwas verstanden zu haben, in Wirklichkeit versteht kaum jemand die Finanzmärkte. Am wenigstens vermutlich die Politiker, die die Rahmenbedingungen setzen. 

Ich möchte hier nur einmal kurz daran erinnern, dass eine Ursache für den großen Umfang der Anleihebestände in den komplexen Regelungen der Basel II-Regulierung liegt. Dies führt, sehr verkürzt dargestellt, dazu, dass die Eigenkapitalanrechnung für Kredite an EU-Staaten sehr gering und es für Banken damit attraktiver ist, unbesicherte Kredite an Staaten zu geben als an Unternehmen. Basel III ändert dies nicht, sondern verschärft das Problem. Hatte ich mal etwas ausführlicher in “Mit Maßnahmen zur Griechenlandkrise sollte EU selbst verursachte Fehlsteuerung der Kreditvergabe beenden dargestellt.”

Wie geht es es nun weiter? Keine Ahnung. Wir erleben derzeit Turbulenzen an den Finanzmärkten. Viele Menschen brauchen Formeln, Muster und Systeme, um unserer Umwelt das Maß an Konstanz abzugewinnen, welches für ein geordnetes Dasein notwendig erscheint. Die Finanzmärkte eignen sich aber nicht dazu mit Modellen und Regeln erklärt oder gar vorhergesagt zu werden. Während einigermaßen verlässliche Modelle viele Phänomene der Natur hinreichend erklären, zeichnen sich die globalen Finanzmärkte durch eine extrem dynamische und daher undurchsichtige Komplexität aus. Hier versagen traditionelle Erklärungsansätze, das will freilich niemand zugeben.

Marsman August 11, 2011 um 01:33 Uhr

Am Rande vielleicht interessant:
In der FAZ gab es recht ehrlichen selbstkritischen
Artikel über die Medien und diesen Crash. Einer
davon schreibt dass den Journalisten die Sache
eigentlich hoffnungslos über den Kopf wächst und
sie die Sache noch schlimmer machen:

Wenn Medien in Echtzeit agieren, verstellen sie den Blick auf das, was sie erklären sollen. Sie werden zu sinnlosen Meldungsautomaten. Die Berichte zur Börse sind das beste Beispiel.
http://www.faz.net/artikel/C31013/boersenmeldungen-die-welt-geht-unter-wir-gehen-mit-30482207.html

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