Wirtschaftsblogs mit ohne Einfluss (+ Update Mindmap am Ende des Beitrags)

by Dirk Elsner on 18. September 2011

Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, welche Überschrift ich wählen sollte. Olaf Storbeck veröffentlichte am vergangenen Donnerstag einen Beitrag in den Ökonomieseiten des Handelsblatts unter dem Titel “Die Macht der Blogger”. Der Beitrag ist seit heute auf Handelsblatt Online unter dem Titel „Übermäßig aktive Blogger“ treiben Ökonomen an. Darin geht es u.a. um eine Studie der Weltbank-Ökonomen McKenzie und Özler, die in „The Impact of Economics Blogs“ empirische Belege dafür liefern, dass Wirtschaftsblogs einen “enormen Einfluss” haben. Das klingt zunächst einmal gut und schmeichelt uns Wirtschaftsblogs.

Gemeint ist freilich der Einfluss der Blogs von Wissenschaftlern auf die ökonomische Forschung, nicht gemeint ist die (polit-)ökonomische Praxis. Hier dämmern Wirtschaftsblogs weiter, so zumindest meine Wahrnehmung, meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. So ist es vielleicht nicht verwunderlich, “dass einzelne Blogger wie der vielgelesene Thomas Strobl (Weissgarnix.de) den Spaß verlieren … und sich zurückziehen”, wie Storbeck schreibt. Im Interview sagt Strobl, er hätte das Interesse an Wirtschaftspolitik total verloren und auch den Glauben an die Volkswirtschaftslehre insgesamt. Seine weitere Begründung kann ich sogar nachvollziehen:

“Die Debatte über tagesaktuelle,wirtschaftspolitische Fragen langweilt mich nur noch. Für jedes gute Argument gibt es ein mindestens genauso gutes Gegenargument. Was man am Ende für richtig hält, ist nur eine Frage der Ideologie. Ich glaube, es ist wirklich schon lange alles gesagt, und die Diskussionen drehen sich im Grunde nur noch im Kreis.”

Ich sehe das längst nicht so trist, wobei es natürlich darauf ankommt, welchen Schwerpunkt ein Blog hier legt. Für bestimmte Themen, wie aktuell insbesondere zur Schuldenkrise, der Wirtschaftspolitik und den Aktivitäten auf den Finanzmärkten, drehen wir uns tatsächlich im Kreis. Und ich denke, die Wirtschaftsblogs haben hier bereits nahezu alles an Argumenten seziert, was analysierbar ist. Die öffentliche und insbesondere die politische Debatte dagegen hat im Vergleich dazu die Tiefe der Windschutzscheibe eines Motorrollers. Auch hier vergeht mir zeitweise die Lust, gegen den stets gleichen Blödsinn anzuschreiben.

Und wie weit es mit der Aufmerksamkeit der Wirtschaftsblogs tatsächlich ist, merkt man am Establishment, für das die oft kritischen, skeptischen oder kreativen Positionen der Blogs gar nicht existieren. So merkt man, dass etwa Metro-Chef Cordes nie einen Wirtschaftsblog gelesen hat, sonst hätte er im Interview mit dem Handelsblatt nicht einen solchen Satz gesagt: „Und wir stehen vor einer zweiten Finanzkrise, von der niemand wusste, dass sie kommt.“

Ob Wirtschaftsblogs Sinn machen, ist so eine typisch deutsche Frage. Eine Antwort darauf könnte etwa lauten, eine sinnvolle Aufgabe von Blogs bleibt es, z.B. deutlich zu machen, welche Folgewirkungen bestimmte öffentliche Positionen und politische Entscheidungen haben. Wir können außerdem bestimmte Aufreger relativeren, viel tiefere Hintergründe zu unseren Spezialthemen vermitteln oder immer wieder die Positionen des Mainstreams in Frage zu stellen. Themen gibt es in der Wirtschaftspraxis genug. Aber ehrlich gesagt, interessiert mich diese Frage nicht, weil es keine generelle Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Wirtschaftsblogs gibt. Jeder Autor hat seine eigenen Motive. Ich mache diesen Blog, weil ich dazu Lust habe und schreibe über Themen, die ich gern lesen würde und freue mich, wenn das noch mindestens einen Leser interessiert.

Strobls lesenswertes Buch “Ohne Schulden läuft nichts“ (Amazon Link) lag in meinem Bücherregal übrigens auf meiner Sammlung von Werken von Karl Popper. In dem Sammelband “Auf der Suche nach einer besseren Welt” (Amazon Link) schreibt Popper in dem Abschnitt über Erkenntnis zwei Sätze (S. 12), die vielleicht ein Leitbild für viele Wirtschaftsblogs sein können:

“Unser Ziel als Wissenschaftler ist die objektive Wahrheit; mehr Wahrheit, interessantere Wahrheit, besser verständlichere Wahrheit. Gewißheit kann unser Ziel vernünftigerweise nicht sein. Wenn wir einsehen, dass die menschliche Erkenntnis fehlbar ist, dann sehen wir auch ein, dass wie nie ganz sicher sein können, ob wir nicht einen Fehler gemacht haben.”

Genug mit der Selbstbetrachtung. Hier das Update der Mindmap deutschsprachigen Wirtschaftsblogs, auf die man auch direkt über diesen Link zugreifen kann.

Thomas Göhrig September 27, 2011 um 11:17 Uhr

Hallo,

ich weiß nicht ob Sie unseren Blog schon kennen, thematisch würde er auch gut auf diese Mindmap passen: blog.fc-heidelberg.de. Vielleicht nehmen Sie uns ja für die nächste Version mit auf 🙂

Thomas Göhrig

jj September 21, 2011 um 12:45 Uhr

Der Herr Strobl hat zuviel Luhmann gelesen. Wenn alles letztendlich nur inhärenten Systemlogiken folgt, stellt man sich doch zwangsläufig die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Beobachtung dieser Systeme. Ein Streben nach „Wahrheit, interessantere Wahrheit, besser verständlichere Wahrheit“, das sich tatsächlich in (wirtschafts)politischer Praxis niederschlägt, kann es in dieser Weltsicht schlußendlich so nicht geben.

egghat September 19, 2011 um 09:37 Uhr

Ich finde die Begründung von wgn übrigens relativ schwach: Dass es zu jedem Argument ein Gegenargument gibt, ist ja wohl so ziemlich überall so … Außer vielleicht in der Mathematik …

Es gib immer zwei Seiten der Medaille und das ist am Ende sogar gut, denn es gibt immer ein Konsensmeinung, gegen die man die Gegenmeinung (die ja nicht einmal zwangsweise die eigene sein muss) platzieren kann. Und es gibt im Konsens auch immer Sachen, die wichtig sind, aber übersehen werden (siehe Finanzkrise 1.0 und 2.0).

Da gibt es eigentlich genug zu schreiben, aber als jemand der sich auch nicht zu schade ist, über so was Schnödes wie BIP Zahlen zu berichten, habe ich vielleicht auch einen anderen Anspruch als weissgarnix.

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