Neue Übersichtsseite im Blick Log: Schattenbanken

by Dirk Elsner on 22. Dezember 2011

Ich bin davon überzeugt, dass das Thema “Schattenbanken” in den nächsten Jahren die Finanzwelt noch weitaus stärker beschäftigen wird. Die Fachwelt befasst sich bereits seit einiger Zeit damit und ich denke, die interessierte Öffentlichkeit könnte dies bald  intensiver beschäftigen. Es gibt Wissenschaftler und Medienvertreter, die sogar glauben, der nächste Finanzcrash gehe von diesen vermeindlich unkontrollierten Kapitalsammelstellen aus. Das ist derzeit freilich reine Spekulation, denn

  1. findet keine wirtschaftliche Aktivität im rechtsfreien Raum statt und
  2. ist dieser Bestandteil des Anlage- und Finanzierungsgeschäfts noch unscharf beschrieben und man weiß eigentlich zu wenig darüber, auch weil einige Akteure dieses Geschäftsfelds sich lieber verschlossen und im Schatten der Aufmerksamkeit sehen.

Lothar Lochmaier definiert in seinem Buch „Schattenbanken“ als ein paralleles Geldwesen, „das sich – je nach kultureller Ausprägung – durch den informellen Geldtransfer direkt zwischen Menschen oder Gruppen auszeichnet. Es umgeht im Sinne einer finanziellen Tauschwirtschaft die offiziellen Mechanismen von Staaten, Regierungen und Banken. Persönliche Beziehungen stellen bei dieser Variante das zentrale Bindeglied in einem sorgsam nach außen gehüteten Vertrauensgeflecht dar.”

Ich weiß nicht, ob diese Definition ausreichend bzw. weit genug geht. Immerhin finde ich diese Definition neutral und nicht so negativ besetzt, wie es der Begriff der „Schattenbanken“ selbst suggeriert. Die Semantik des Schattens suggeriert hier halbseidene oder gar illegale Aktivitäten. Das ist keineswegs der Fall, denn unter Lochmaiers Definition würde etwa auch eine ganz normale Handelsfinanzierung fallen, die ein Lieferant seinem Kunden einräumt.

Ich werde mich sicher im nächsten Jahr in einigen Beiträgen mit dem Thema befassen. Heute will ich nur darauf hinweisen, dass ich eine neue Unterseite im Blick Log eingerichtet habe, auf der ich online erhältliche Berichte und Studien zum Thema Schattenbanken zusammen stelle. Diese Sammlung ist noch kurz und sollte in den nächsten Monaten kontinuierlich wachsen (ich freue mich wie immer über entsprechende Linkhinweise).

Diese neue Übersichtsseite ist hier zu finden.

Wer das Thema gleich vertiefen möchte, der sollte sich einmal die Studie der Federal Reserve Bank of New York: Shadow Banking vornehmen. Dort findet man auf Seite 3 eine unglaubliche Übersicht zum Thema. Tipp: Zum Lesen in diese Übersicht hineinzoomen.

nigecus Dezember 26, 2011 um 15:17 Uhr

Es kann bald zu einen Wirtschaftscrash führen, wenn die Existenz von Schattenbanken verleugnet wird. In den USA ist dieses Bankenmodell quasi irreversibel implementiert und in Europa erfolgte die Einführung in den letzten Jahrzehnt. Jedoch hängt die die Entwicklung der sekundären Kreditmarkte für das Collateral dieser Schattenbanken zurück. Das ist sehr gefährlich vor dem Hintergrund dass Zentralbank im Denken noch sehr veralteten Paradigmen festhalten und als Torschlusspanik etwas versuchen zu regulieren was Sie nur oberflachig verstanden haben. Der Unterschied wird offensichtlich wenn man die intensiven, analytischen Diskussionen zum Dodd Frank Act und den Nullargumenten aus Europa vergleicht.

Ein paar Eigenschaften
– Ist wichtiger Mechanismus um die Geldbeschleunigung zu erhöhen/senken
– es gibt keine „one form fits all“ Verbriefung (kommt auf das Collateral an)
– es ist sehr fragmentiert mit mind 10000 Schattenbanken und einer Vielzahl von Kreditmanager und Servicer (im Gegensatz zu den paar wenigen TBTF Großbanken)
– die Schattenbanken haben eine Laufzeit, also wie Projekte
– die Bilanzierungsregeln innerhalb einer Schattenbanken verändern sich nicht über die Laufzeit (im Gegensatz zu den ständigen IFRS/FASB Gutdünken)
– Das Underwriting/Kreditvergabe des Collateral ist prinzipiell getrennt von den Schattenbanken (Achtung wenn es „zu Balance Sheet“ daherkommt).
usw

Lothar Lochmaier Dezember 22, 2011 um 09:57 Uhr

Noch ein Nachtrag: Wenn Banken und Finanzindustrie sich der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung nicht entschlossen stellen und den sozioökonomischen Wandel blockieren, verlieren sie ihre Legitimation auf kurze oder mittlere Sicht. Und dann kann man jedes Wort meines Romans Schattenbanken auf die Goldwaage legen, der dann im übertragenen Sinne eine Art intellektueller Roadmap in das Zeitalter der via Internet ausgefochtenen Verteilungskämpfe darstellt, wo fundamentale Änderungen im Finanzverhalten der Menschen eintreten werden. Das hat auch seine guten Seiten, aber wer zu spät kommt….

Lothar Lochmaier Dezember 22, 2011 um 09:41 Uhr

Hallo Herr Elsner,

Blicklog: „Das ist keineswegs der Fall, denn unter Lochmaiers Definition würde etwa auch eine ganz normale Handelsfinanzierung fallen, die ein Lieferant seinem Kunden einräumt.“

Nein, eine ganz normale Handelsfinanzierung fällt bestimmt nicht unter die Rubrik „Schattenbanken“. Die Schwierigkeit besteht darin, mit einer klaren Systemtheorie die Finanzströme auf der „dunklen Seite“ zu erfassen. Denn es besteht kein idealtypischer Organismus, der Schatten- und Lichtbanken trennt, ebensowenig wie man exakt zwischen „Realwirtschaft“ und Finanzindustrie trennen kann. Alles ist ineinander verwoben, weshalb wir viel Kreativität benötigen, um die Regulatorien an der richtigen Stelle anzusetzen, und nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten (also kontraproduktive Effekte durch vordergründige operative Hektik auszulösen). Ich selbst bin gespannt, wieweit sich die Bankbranche im weitesten Sinne den neuen Trends öffnet. Mich hat gestern sehr nachdenklich gestimmt, dass etwa der deutsche Bankenverband die halbe Milliarde Euro Geldsegen von der EZB sehr begrüßt, gleichzeitig aber darauf hinweist, dass es jetzt eines funktionierenden Interbankenmarktes bedarf. Wer ist denn dafür verantwortlich? Die Banken selbst, aber kein Wort in der Presseerklärung. Wie Sie öfters bereits geschrieben haben, fasst man sich hier zuwenig an die eigene Nase.
Wie dem auch sei, die Entwicklung der Schatten- versus „Lichtbanken“ werden wir sicherlich genau beobachten, ich werde im Januar dazu auch noch was posten…

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