Wird die Bankenstabilisierung zum Teufelskreis für Unternehmen?

by Dirk Elsner on 21. Dezember 2011

Eigentlich wollte die European Banking Authority (EBA) mit der Veröffentlichung der Stresstestergebnisse Anfang Dezember ja Klarheit über den Gesundheitszustand der wichtigsten europäischen Banken schaffen. Die EBA wollte transparent machen, wie weit diese Institute ihr Eigenkapital aufstocken müssen, um sich gegen weiteren Stress zu rüsten. Schaut man auf die Entwicklung der Finanzwerte und dem Potential der Banken, selbst Eigen- und Fremdkapital am Markt aufzunehmen, dann ist der Versuch gescheitert. Die Hektik um die Eigenkapitalausstattung der Banken unterstreicht die angespannte Lage im Finanzsektor. Aus immer mehr Unternehmen höre ich derweil Sorge über das was dort passiert und welche Auswirkungen dies möglicherweise auf die Unternehmensfinanzierung haben könnte.

Die Finanzhäuser selbst bemühen sich zwar ständig darum, Bedenken vor einer Kreditknappheit zu zerstreuen. Glaubhaft ist das derzeit nicht, zumal in einigen europäischen Ländern die Ampeln bereits Gelb zeigen. Und gerade erst in der vergangenen Woche hat die EBA selbst Bedenken geäußert, dass “die Institute die falschen Konsequenzen aus ihren höheren Kapitalvorgaben und dem Druck der Märkte ziehen und die Kreditvergabe abwürgen”. Daneben erhöhte sich die Frequenz der Bedenken, in denen der Begriff Kreditklemme vorkommt.

Der Grund für die Einschränkungen ist einfach. Banken müssen die Verhältniszahl Eigenkapital/Risikoaktiva (im Volksmund Eigenkapitalquote genannt, obwohl dieser Begriff betriebswirtschaftlich anders besetzt ist) deutlich verbessern. Wenn wir die komplexen Feinheiten der Berechnung einmal weglassen, dann wird deutlich, die Kennziffer wird besser, wenn

  • das Eigenkapital erhöht und/oder
  • die Risikoaktiva vermindert wird.

Die Erhöhung des Eigenkapital ist derzeit ausgesprochen schwierig für Banken. Die aus der Finanzkrise entstandene europäische Schuldenkrise hat quasi nahtlos eine Bankenkrise ausgelöst. Diese Bankenkrise manifestiert sich in stark gesunkenen Aktienkursen, in hohen Risikoprämien für die Versicherung gegen den Ausfall unbesicherter Anleihen der Banken und in der Abneigung von Investoren, überhaupt unbesicherte Anleihen von Banken zu erwerben.

Bei gegebener Risikoaktiva fordert der Stresstest der EBA einen zusätzlicher Eigenkapitalbedarf für europäische Banken im Umfang von 115 Milliarden Euro. Es ist derzeit sehr unwahrscheinlich, dass alle Banken in diesem Umfang Kapital beschaffen können. Eine Alternative ist die Zwangskapitalisierung, die aber die Banken aus nachvollziehbaren Gründen gern vermeiden würden.

Es bleibt die Erhöhung des Eigenkapital durch höhere Gewinnausweise über Kostensenkung oder fragwürdige Maßnahmen, wie die Neubewertung eigener Verbindlichkeiten (durch Abwertung eigener Schulden auf der Passivseite entsteht ein Erfolgsbeitrag, siehe dazu z.B. Banken tricksen an Bilanzen herum). Unter Ertragsdruck stehen die Finanzhäuser aber, weil durch die europäische Schuldenkrise weitere Belastungen drohen.

Gelingt es also nicht, das Eigenkapital zu erhöhen, dann muss am Nenner geschraubt werden. Der muss kleiner werden durch Reduktion der Risikoaktiva. Dies können Banken erreichen, in dem sie Vermögenspositionen verkaufen oder die Risikopositionen neu bewerten. Letzteres will ich hier nicht weiter betrachten, wird aber nach einem Bericht des Handelsblatts vom 11. November von zahlreichen Banken über die Anpassung der Risikomodelle erwogen bzw. umgesetzt.

Sonst gelingt die Reduktion von Risikoaktiva (die Finanzwelt spricht hier vom Deleveraging) nur durch deren Verkauf und natürlich durch die Reduktion des Kreditgeschäfts. Erschwerend kommt dazu, dass bisher europäische Staatsanleihen nicht als Risikoaktiva gerechnet werden. Dies könnte sich, glaubt man ersten Stimmen, künftig ändern. Zwar ist es prinzipiell unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll, alle Risiken mit ihren echten Risikogehalt zu berücksichtigen, gleichwohl würde die Umsetzung dieser Forderung das Staatsschuldenproblem erheblich verschärfen und damit wiederum negative Auswirkungen auf die Bankbilanzen haben.

Das alles braut sich derzeit zu einem Teufelskreis für die Unternehmen zusammen, der gern in der öffentlichen Debatte übersehen wird. Durchbrochen wird dieser Kreis, wenn man

Geht das “Race to the Bottom” aber so weiter, wie in diesem Jahr, dann werden Unternehmen sich noch stärker mit der Kreditverknappung auseinander setzen müssen. Und leider haben nicht alle Unternehmen so veritable Liquiditätspolster, wie einige Großkonzerne.

Dies ist eine überarbeitete Fassung eines Beitrags, den ich ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

marcelo Dezember 21, 2011 um 05:40 Uhr

Hallo Herr Elsner,

vielen Dank für die interessanten Beiträge. Ich will versuchen, etwas konstruktives zur Diskussion beizutragen.

Erstmal sind gewisse Bedenken seitens der Banker natürlich berechtigt, wenn es an die Umsetzung strengerer Eigenkapitalrichtlinien geht. Der Trend in Bankenkreisen geht jedoch dazu, generell höhere Eigenkapitalanforderungen zu verteufeln, wobei das von Ihnen beschriebene Szenario der Kreditklemme vorne angeführt wird.
Sie haben bereits genannt, wie Insititute den neuen Anforderungen an ihr EK gerecht werden können:

1) Abstoßung von Risikoaktiva (Bilanz wird insgesamt kleiner)
2) Rekapitalisierung bei gleicher Zusammensetzung der Aktiva oder
3) Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital, die im Gegenzug leicht liquidierbare Vermögenswerte finanzieren, was auch die (meist unzureichende) Liquiditätssituation verbessert.

Sicherlich ist Option 3 wünschenswert, allerdings nur bedingt umsetzbar. Ich denke hier besonders an die deutsche Bankenlandschaft, darunter an die Institute die mittelständische Unternehmen finanzieren: Für jene ist die Aufnahme von zusäzlichem Eigenkapital sicherlich nicht so einfach. Theoretisch dürften Großbanken keine Ausrede haben, nun aber das große ABER: Sie werden es nicht tun, da die Rahmenbedingungen unter denen Banken operieren, unterkapitalisierte Bankenbilanzen einige Vorteile bringen:

1) Tax Shield (Steuerliche Begünstigung von Zinsen auf Fremdkapital) begünstigen & führen zu high leverage im Bankensektor.
2) Performance Messung & Vergütung erfolgt über die Kennzahl Return on Equity (ROE) und die wird natürlich aus der Sicht des Managers schlechter, wenn ich mehr CET Tier 1 vorhalten muss. Im übrigen eine Kennzahl, die zum Teil zur Systeminstabilität im Finanzsektor beigetragen hat.
3) (Groß)Banken geniessen den Vorzug einer impliziten Staatsgarantie, d.h. Kapitalkosten sinken überproportional je mehr der assets über (indirekt subventioniertes, weil praktisch weniger riskant als theoretisch) Fremdkapital finanziert sind.

D.h. ich sehe die Beseitung der ungünstigen Rahmenbedingungen, die sicherlich zur Krise beigesteuert haben in erster Linie als Aufgabe der Finanzmarktaufsicht an. Unterkapitalisierte Banken stellen ein systemisches Risiko dar, eine Rekapitalisierung darf nicht Jahrzehnte dauern. Andere Staaten wie bspw. die Schweiz, Schweden & China gehen weniger zimperlich mit der Lobby der Banker um und fordern z.T. CET Tier 1 ratios von 19% (Schweiz), im Fall UBS sind sie mit einem blauen Auge davongekommen. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass Richtlinien global in entsprechend verbindliche Vorgaben umgesetzt werden müssen, und diesmal scheint auch das Sorgenkind USA mitzuspielen (die ja bekanntlich Basel II nie umgesetzt hatten).
Ich verstehe, dass die Situation in Deutschland keine einfache ist, aber ich denke, es wäre besser die sozial erwünschten Aufgaben der Banken (Unternehmenskredite) direkt zu subventionieren als indirekt die gefährlich hohen Verschuldungsgrade der Banken.

dels Dezember 23, 2011 um 07:00 Uhr

Vielen Dank für die ergänzenden Hinweise. Passt gut zu der Übersicht.
Aber ich teile die Auffassung nicht, dass es in erst Linie Job der Finanzaufsicht ist, das Dilemma zu beenden. Banken, die sich aus den von Ihnen angeführten drei Gründen so verhalten, wie sie sich verhalten, verwirken aus meiner Sicht ihre ökonomische Legitimation. Ich kann auch nicht erkennen, was die Finanzaufsicht hier ändern sollte.

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