Eigenkapitalfinanzierung 2.0: In der Schweiz geht investiere.ch höher ran als Plattformen in Deutschland

by Dirk Elsner on 2. März 2012

moneyCrowdfundig (zum Teil auch Schwarmfinanzierung genannt) bezeichnet eine internetgestützte Methode der Kapitalbeschaffung, bei der eine größere Gruppe von Kapitalgebern für ein Projekt (wie z.B. einen Film), ein Unternehmen oder eine Privatperson Finanzmittel für einen bestimmten Zeitraum direkt zur Verfügung stellt. Die Idee der Schwarmfinanzierung wird neben den Startup-Plattformen auch bei Kreditbörsen, wie Smava oder Auxmoney umgesetzt. Daneben gibt es projektbezogene Finanzierungen, wie das Filmprojekt Stromberg oder Finanzierungen, bei denen nicht die finanzielle Gegenleistung als Hauptmotiv für die Investoren dient (wie bei der Plattform Kickstarter).

Die Finanzierung über das Netz entwickelt sich zu einer nehmenden Finanzierungsalternative für bestimmte Unternehmensformen. Über die hier bereits vorgestellten Plattformen Seedmatch und Innovestment wurden in den letzten Wochen bereits diverse Startups mit Kapital versorgt. Innerhalb kürzester Zeit konnten hier Fundingprozesse abgeschlossen werden und sorgten damit erneut für Aufmerksamkeit nicht nur unter Spezialisten (Seedmatch sammelte gerade letzte Woche in Rekordzeit für SugarShape 100.000 € ein).

Interessant an all diesen Finanzierungsformen ist, dass die traditionellen Kapitalsammelstellen wie Banken, Fonds oder Beteiligungsgesellschaften nicht mehr benötigt werden. Die jeweiligen Plattformen sorgen dafür, dass die Mittel direkt zwischen Geldgebern und Geldnehmern fließen.

In Deutschland beschränken sich die Plattformen bedauerlicherweise (noch?) auf eine betragliche Obergrenze. So begrenzt Smava Kredite auf 50.000 Euro und Seedmatch und Innovestment die Fundings genannte Geldbeschaffung für Startups auf 100.000 Euro. Die Gründe dafür liegen u.a. in den Vorgaben der Finanzmarktregulierung.

Diese Hemmnisse existieren in der Schweiz nicht. In der Schweiz hat sich mit investiere.ch ebenfalls eine interessante Plattform etabliert, die sich selbst aber nicht mehr als Crowdfundingplattform versteht. Das Angebot ist auf Frühphasenunternehmen mit einem bereits beträchtlichen Kapitalbedarf von mindestens 500.000 Schweizer Franken (= CHF), das entspricht ca. 414.000 Euro) bis maximal 2.5 Millionen CHF (= ca. 2.070.000 Euro) pro Finanzierungsrunde zugeschnitten, nicht aber auf kleinere Gründungsfinanzierungen. Kriterien sind insbesondere ein existierender proof-of-technology oder proof-of-market. Die Investitionsminima liegen bei 6.000 bis 10.000 CHF pro Investor und sind damit zwar tief im Vergleich zu traditionellen Business-Angel-Clubs oder Fonds, doch nicht ganz so tief, dass sie eine sehr breite Masse ansprechen, wie bei Seedmatch und Innovestment. Tatsächlich spricht ist bei dieser Mindestinvestitionshöhe die Bezeichnung Crowdfunding nicht angemessen. Investiere.ch legt nach eigenen Angaben Wert darauf, dass Investoren eine echte unternehmerische Beteiligung eingehen.

Die Investiere-Plattform startete vor 2 Jahren und wurde gegründet von der Verve Capital Partners AG in Zug. Bisher hat die Plattform neun Unternehmen mit einer Gesamtsumme von etwa 1,8 Mio. CHF kofinanziert. Die Gesamtsumme aller Runden betrug nach Angaben des Unternehmens etwa 9,4 Mio. CHF. Bis heute konnte jedes auf der Plattform angebotene Unternehmen erfolgreich finanziert werden.

Investiere arbeitet bei der Auswahl und Finanzierung der Unternehmen eng zusammen mit erfahrenen Industrie-Experten und professionellen Investoren. In dem Pool von investiere.ch befinden sich neben VC-interessierten Privatinvestoren Schweizer Business Angels und CEOs Schweizer SMI-Unternehmen. Die Anleger investieren also stets zusammen mit professionellen Koinvestoren, z.B. Banken, VC-Fonds oder anderen Angel-Clubs. Eine weitere Erläuterung zum Geschäftsmodell von Investiere finden Sie außerdem im Blog Social Banking 2.0. Dort gibt Steffen Wagner, Managing Partner und Mitgründer der Finanzierungsplattform, weitere Einblick.

Damit verfolgt die Plattform genau den Ansatz, den ich vor zwei Jahren einmal in einem idealen Modell der Eigenkapitalfinanzierung 2.0 skizziert habe. Darin schrieb ich u.a. über die Rolle sogenannter Leadinvestoren:

“Weil persönliche Prüfungen notwendig sind, könnten sogenannte vertrauenswürdige und neutrale Leadinvestoren für Transparenz sorgen. Leadinvestoren könnten etwa klassische Beteiligungsgesellschaften oder Fonds sein, die auf der Plattform aktiv mitwirken. Sie erhalten alle Informationen und geben nach standardisierten Kriterien ein Urteil ab und legen den eigenen Investitionsanteil offen.”

Bei Investiere erhalten „Kleininvestoren“ in Absprache mit dem Unternehmer dennoch vollständigen Zugriff auf die Due-Diligence-Daten. Neben den Daten, die auf der Webseite für alle Investoren sichtbar sind, können interessierte Investoren so Zugriff auf das vollständige Business-Plan-Dokument und weitere Unterlagen erhalten, die für einen finalen Investitionsentscheid hilfreich sein könnten. Dazu gehört beispielsweise auch das Termsheet. Investiere.ch legt den Investoren sogar den persönlichen Kontakt zum Unternehmer nahe und ermöglicht auch online den Austausch in einem internen Forum. Zusätzlich werden Veranstaltungen organisiert, auf denen sich Unternehmen interessierten Investoren in einem persönlichen Rahmen vorstellen können und Fragen beantworten.

Investiere.ch bewegt sich mit seinem Konzept weiter in mittelständische Größenordnungen hinein als die bisher in Deutschland gestarteten Plattformen. Leider schließt das Schweizer Unternehmen auch (noch?) normale Wachstumsfinanzierungen aus. Gerade hier sehe ich aber einen besonderen Bedarf für diese neue Finanzierungsform.


Dies ist eine erweiterte und geänderte Fassung eines Beitrags, den ich ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben habe.

Dieter Bruhn Juni 27, 2012 um 13:35 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Start- up- Unternehmen im Bereich der E- Commerce, interessiere ich mich für eine Crowdfunding Finanzierung und bitte um weitere Informationen.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Bruhn

Dirk Elsner Juni 27, 2012 um 15:57 Uhr

Hallo Herr Bruhn,
senden Sie mir doch bitte eine Mail (dirk.elsner(at)blicklog.com, dann kann ich hören, was sie konkret benötigen und ihnen ggf. eine Empfehlung geben.

Dirk Elsner März 2, 2012 um 14:56 Uhr

Hallo Lothar,
nein, das wird trotz der regularischen Barrieren kommen. Am Markt gibt es sowohl auf der Unternehmensseite als auch auf der Investorenseite Bedarf. Beide Seiten, so mein Eindruck, wollen sich nicht mehr von den klassischen Intermediären gängeln lassen und suchen neue Wege für Beteiligungen. Das alte Paradigma bröselt, zusammen brechen wird es allerdings nicht.
Schönes Wochenende

Lothar Lochmaier März 2, 2012 um 09:57 Uhr

Die einzelnen Marktsegmente werden deutlicher, zwischen Crowdfunding und (selektivem) Crowdinvesting. Spannend bleibt tatsälcih zu sehen, wie oben beschrieben, ob wir hier sukzessive auch neue Spielarten in der klassischen, oder genauer gesagt hybriden Wachstumsfinanzierung bis hinein in die mittelständischen Unternehmen sehen werden. Trotz gewisser regulatorischer und anderer Barrieren spricht eigentlich prinzipiell nichts dagegen, oder?

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