Offener Brief an die Bundesregierung: Erleichterung für Gründer bei Crowdfunding über 100.000 Euro

by Gastbeitrag on 29. März 2012

Jens-Uwe Sauer, der Gründer und Geschäftsführer der bekannten Crowdfundingplattform Seedmatch, hat heute einen offenen Brief an die Bundesregierung veröffentlicht, in dem er Erleichterung für diese neue Finanzierungsform fordert. Der Brief ist ein erstklassiges Beispiel, wie die Kehrseite der so vehement geforderten Finanzmarktregulierung in Deutschland wirkt. Hier geht es konkret um die zusätzlichen Hürden für Gründer, denen neue Wege zu Finanzmitteln erschwert und teuer gemacht werden.

In den USA etwa hat man bereits auf den neuen Trend reagiert und ein Gesetz verabschiedet, das die Finanzierung von Unternehmens-Startups erleichtern soll.

Der Blick Log dokumentiert hier den offenen Brief von Jens-Uwe Sauer. Der offene Brief ist hier auch als PDF veröffentlicht.

Erleichterung für Gründer bei Crowdfunding über 100.000 Euro

→ Bürokratische Hürden senken

→ Zulassungsvoraussetzungen für Crowdfunding-Plattformen erleichtern

Sehr geehrte Bundesregierung,

in den letzten Monaten ist das Interesse für Crowdfunding als neues Finanzierungsmodell für junge Unternehmen sehr stark gestiegen. Immer mehr Privatpersonen beteiligen sich ab kleinen Beträgen über Seedmatch an Startups und die Zahl der Unternehmen, die sich per Crowdfunding finanzieren wollen, steigt enorm: Seit dem Start von Seedmatch im August 2011 wurden neun Unternehmen erfolgreich finanziert. Über 800.000 Euro wurden so für die Startups von Privatpersonen zusammengetragen. Die Zahl der registrierten User ist auf über 5.000 angestiegen. Somit pitchen Startups derzeit bei rund 5.000 registrierten Investoren, wodurch sich die Investmentdynamik in nur wenigen Monaten rasant erhöht hat. Das Startup easyCARD benötigte gerade einmal 87 Minuten von ursprünglich angesetzten 60 Tagen, um den Maximalbetrag von 100.000 Euro einzusammeln. Das Interesse an den Beteiligungen an den Startups ist derzeit so hoch, dass letztlich auch ein Mehrfaches des Maximalbetrags von 100.000 Euro zusammengekommen wäre.

In den letzten Monaten kamen sehr viele Anfragen von Startups und jungen High-Tech-Unternehmen auf Seedmatch zu, die diesen neuen Weg der Unternehmensfinanzierung gehen wollen. Viele benötigen aber Beteiligungskapital von weit über 100.000 Euro, um sinnvoll ihr Unternehmen aufbauen zu können. Doch leider ist ein öffentliches Crowdfunding ohne zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Gründer durch das Verkaufsprospektgesetz auf 100.000 Euro limitiert: "Ausgenommen von der Prospektpflicht sind nur: … Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden oder bei denen der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt oder bei denen der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt,…" (§ 8f Abs. 3 VerkProsG).

Durch eine Anpassung dieser Rahmenbedingungen könnten in Deutschland dank Crowdfunding mehr zukunftsweisende Unternehmen mit Kapitalbedarf über 100.000 Euro ihre Unternehmenskonzepte umsetzen und somit nachhaltig die deutsche Wirtschaft voranbringen sowie neue Arbeitsplätze schaffen. Als Crowdfunding-Plattform brauchen wir für die Vermittlung der Startups weder Steuergelder noch Förderprogramme, sondern finanzieren uns über Erfolgshonorare aus dem eingesammelten Kapital. Im Interesse unserer Gründer und einer dynamischen Gründerkultur plädieren wir deswegen für:

Weniger bürokratische Hürden: Bisher stehen die Startups durch das Verkaufsprospektgesetz bei einer Finanzierung per Crowdfunding über 100.000 Euro vor enormen bürokratischen und finanziellen Hürden. Die Kosten für die Erstellung eines Verkaufsprospektes betragen mindestens 12.000 Euro und meistens deutlich mehr. Mit der Erstellung und Prüfung vergehen mindestens zwei Monate, die dem Startup zusätzlich aufgebürdet werden. Für Finanzierungen in Höhe von 150.000 Euro oder 200.000 Euro ist dieser Aufwand unverhältnismäßig hoch und erzeugt eine Finanzierungslücke bei Startups mit einem Kapitalbedarf in dieser Größenordnung. Diese Kluft sollte geschlossen werden, damit auch Projekte mit einem Kapitalbedarf von über 100.000 Euro eine Chance bekommen, sich unkompliziert per Crowdfunding finanzieren zu lassen. Eine Vereinfachung bei der Erstellung des Verkaufsprospekts, eine schnellere Prüfung durch die BaFin oder ein Verzicht auf die Prospektpflicht bei einem Crowdfunding bis 1 Mio. Euro wären die Voraussetzung.

Zulassungsvoraussetzungen für Crowdfunding-Plattformen: Beim Crowdfunding unterstützen Privatpersonen junge Unternehmen mit kleinen, nicht existentiellen Beträgen und fördern damit nachhaltig die Innovationskultur an der Stelle, wo sich die Banken stark zurückhalten. Um einen Qualitätsstandard einzuführen, fordern wir vernünftige Zulassungsvoraussetzungen für Crowdfunding-Plattformen, die Beteiligungen an Startups mit einem Kapitalbedarf über 100.000 Euro vermitteln. Damit soll der Missbrauch seitens der Betreiber verhindert werden. Zum Schutz der Investoren wäre auch eine Limitierung von Einzelinvestments z.B. auf eine Höhe von je max. 1.000 Euro möglich. Nur so kann auch die Crowd durch die Vielzahl der Investoren für die jeweiligen Startups gesichert werden. Die Zulassungsvorrausetzungen für die Plattformen sollten sich aber in einem Rahmen bewegen, der verhältnismäßig und zeitgemäß ist.

In den USA wurden derzeit die rechtlichen Rahmenbedingungen für Finanzierungen über die Crowd bis 1 Mio. bzw. 2 Mio. Dollar mit dem Crowdfunding Act als Teil des "JOBS" Act (Jumpstart our Businesses) geschaffen und stehen kurz vor dem Inkrafttreten. In europäischen Nachbarländern, wie beispielweise  der Schweiz und England sind Finanzierungen per Crowdfunding über 100.000 Euro bereits heute mit geringerem Aufwand möglich. Es ist wichtig, dass Deutschland in Zukunft sich als ein Land etabliert, in dem junge, innovative Unternehmer beste Bedingungen finden, ihr Unternehmen aufzubauen und zu finanzieren und Deutschland nachhaltig als zukunftsweisenden Wirtschaftsstandort stärken. Aus diesem Grund setzen wir uns auch in Deutschland für eine Erleichterung für Startups bei Finanzierungen über 100.000 Euro per Crowdfunding ein.

Deutschland sollte in diesem Punkt eine Vorreiterrolle einnehmen und nicht zulassen, dass innovative und in Forschungseinrichtungen mit deutschen Steuergeldern finanzierte Geschäftsmodelle aus Finanzierungsgründen abwandern. Denn hierzulande gibt es jede Menge Tüftler und Erfinder, deren Innovationen nicht selten an einer ausreichenden Finanzierung scheitern. Geben wir ihnen zusammen ein Chance, sich am Markt zu beweisen.

Mit besten Grüßen,

Jens-Uwe Sauer

Geschäftsführer der Seedmatch GmbH

Seedmatch® – Crowdfunding für Startups

Seedmatch GmbH, Altenzeller Str. 39, D-01069 Dresden

www.seedmatch.de

Olaf Stichtenoth Mai 22, 2012 um 09:01 Uhr

Wichtig ist, dass allen Kleininvestoren klar ist, was sie da tun. Das heißt, dass das Geld auch weg sein kann. Das gilt aber für alle Investitionen in Startups. Ob man das Geschäftsmodell seriös findet, ans Gründerteam glaubt, und die Beurteilung aller möglichen Erfolgsfaktoren kann einem niemand abnehmen.

Kurt April 4, 2012 um 16:28 Uhr

@nigecus
Zu ihrer Frage nach der „Intelligenz der Masse“ kann ich ihnen mitteilen, daß der Herr Sauer damit nichts anfangen kann und dieser Intelligenz sogar mißtraut. Er steht für das klassische Expertentum als Vermittler zwischen beiden Seiten. Ich weiß das, weil ich einmal persönlich an einer Diskussion mit Herrn Sauer beteiligt war, wo es um genau das Thema „Crowdfunding“ und „Wisdom of the Crowd“ ging. (Es war im Rahmen einer abendlichen Networking-Veranstaltung)
Ansosten ist er ein netter Mann in den besten Jahren, dem ich viel Erfolg mit seiner Geldeinsammelplattform wünsche. Auch wenn ich bezweifle, daß es VC-Geber gibt, die 100tausend Euro und mehr nur aufgrund einer Projektbeschreibung auf Seedmatch.de überweisen. Aber diesbezüglich ist der Herr Sauer der Experte und nicht ich.

nigecus März 29, 2012 um 19:15 Uhr

Ja ich mag auch kein übertriebenes Marketingdeutsch, aber meine Fremdsprachenkenntnisse reichen um den Mann zu verstehen. Ich werde mich im Folgenden dem Sprachgebrauch anpassen…

Stimme zu : „…Die Kosten für die Erstellung eines Verkaufsprospektes betragen mindestens 12.000 Euro und meistens deutlich mehr. …“
>>> Verkaufsprospektgesetz ist wirklich ziemlich Balla-Balla. Ich gehöre wahrscheinlich zu den 1 Promille der Bevölkerung, die sich sowas mal durchgelesen hat (Sowohl so ein VProspekt als auch das Gesetz). Das Verkaufsprospektgesetz ist eigentlich nur eine Guideline, wie man einen Disclaimer (Haftungsauschluss) schreibt. Und entsprechend strebt der Informationswert eines Verkaufsprospekt gegen Null. Es ist ein klassischer Fall wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte vom Staat (und v.a. der EU) aus dem Nichts geschaffen wurde.
>>> Für ein Investment in 1 Firma, und insbesondere dem Investment in ein neuartiges und/oder cleveres Geschäftsmodell/Produkt/Gerät/Dienstleistung/etc. wie es im VC nunmal so ist, gibt es Informationen die viel relevanter sind als Textbausteine eines Verkaufsprospekt, z.B. Infos über die „Köpfe“ des Ventures, die Erfindung/das Neue/der USP, das Geschäftsmodell, usw usw usw (Es ist ja gerade bei VCs besser aufgrund stark begrenzter Humanresourcen, diese Infromationsverbreitung in den Vermarktungs/Kommerzialisierungsvorgang zu verquicken). Neben den Anwaltskosten werden dann auch noch Humanressourcen (des Ventures) für Bürokratiequatsch verschwendet (Irgendwer aus einem relativ kleinen Team muss sich dann damit auseinandersetzen, und hat keine Zeit um einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten).

Kritik : „Um einen Qualitätsstandard einzuführen, fordern wir vernünftige Zulassungsvoraussetzungen für Crowdfunding-Plattformen, die Beteiligungen an Startups mit einem Kapitalbedarf über 100.000 Euro vermitteln. Damit soll der Missbrauch seitens der Betreiber verhindert werden.“
>>> Herr Sauer? Was ist dass denn für ein Trade-Off? Reguliere den Intermediär anstatt des Emittenten? Das kann man auch als Aufbau von Markteintrittsbarrieren für Intermediäre interpretieren! Schön, dann kan sich so ein Intermediär so ein vermeidliches „Qualitätssiegel“ auf die Homepage kleben. Wäre es denn nicht besser wenn seedmatch von ganz alleine, für sich, Qualitätsstandards setzen und diese zu kommunizieren und deren Durchführung zu veröffentlichen? Was ist denn mit „Interlligenz der Masse“. Braucht diese (ein paar wenige) Staatsbeamte, um zu beurteilen ob eine Crowding-Plattform betrügerisch oder seriös ist? Ich finde das Betteln nach einen staatlichen Regulierer heuchlerisch und inkonsistent zur eigenen Message.

FDominicus März 30, 2012 um 08:54 Uhr

„Ich gehöre wahrscheinlich zu den 1 Promille der Bevölkerung, die sich sowas mal durchgelesen hat“

Nun, das habe auch ich mehr als einmal gemacht. Interresant wird es zwischen den Zeilen zu lesen und da finde ich diese Prospekte brauchbar. Das Sie in dieser Form für „Normalos“ nicht „angenehm“ sind liegt wohl in der Natur der Sprache von Juristen.

Zur Kritik. Ich denke hier treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Es sieht so aus als ob sich da jemand unliebsame Konkurrenz vom Leib halten will.

FDominicus März 29, 2012 um 17:40 Uhr

Von dem Denglisch wird mir ganz blümerant, das pitcht mich eher ab.

Und klar mal eben 200 000 €, ist ja ein „Klacks“. Kann die EZB doch allemal zu 1% zur Verfügung stellen. Wird schon „klappen“

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