Warum viele Unternehmen die Kreditvergabe nervt

by Dirk Elsner on 11. April 2012

Vergangene Woche habe ich gefragt, ob Apple mit dem nächsten disruptiven Produkt das Banking 1.0 durcheinander bringen könnte. Heute will ich deutlich machen, warum es zwingend notwendig ist, Bankprozesse auf Vordermann zu bringen. Ich habe ja den Vorzug, in meiner beruflichen Praxis nicht nur mit Banken zusammen arbeiten zu dürfen, sondern auch mit Unternehmen, die mit Banken zusammen arbeiten müssen. Und sie sind schon seit Jahren immer weniger begeistert von der Zusammenarbeit mit ihren Finanzinstituten. Neulich sagte mir ein Unternehmer, wenn er könnte, würde er seine Finanzierung ganz ohne Banken machen. Ihm wäre es dabei übrigens egal, ob das 1% oder 2% teurer wäre in den Finanzierungskosten. Er stören vor allem drei Dinge:

  1. Unzuverlässigkeit in den Absprachen
  2. Unverschämte Besicherung
  3. inkompetente Einmischung in das Geschäftsmodell

Ich will hier nicht alle drei Punkte vertiefen, sondern mich auf den 1. Punkt konzentrieren. Er unterstreicht die These, das viele Banken ihre Prozesse nicht ausreichend kundenorientiert denken und gestalten. Und gerade mittelständischen Unternehmen, die viele Banken plötzlich als Zielgruppe entdeckt haben, stößt das unangenehm auf.

Besonders fallen die Defizite im Kreditprozess auf. Hier können die Bankbetreuer oft keine klaren Kriterien nennen, die ein Kreditnehmer zu erfüllen hat, um in eine bestimmte Risikoklasse eingruppiert zu werden. Dazu kommen viel zu lange Entscheidungszeiten und immer wieder die Verweise der Betreuer, man könne leider nicht mehr selbst entscheiden, sondern sei abhängig von der sogenannten Marktfolgeprüfung.

Ehrlich, liebe Banken. Es ist ja richtig, dass Euch die Bankenaufsicht zu der Einhaltung der MaRisk verdonnert hat und Ihr Betreuung und Entscheidung bis hinauf zum Vorstand trennen müsst. Aber das muss man 1. nicht so hinaus posaunen. Und 2. verbieten die MaRisk nicht, die internen Prozesse so zu organisieren, dass sie schneller gehen und es klare Entscheidungsgrundlagen für die materiellen Kreditprüfungen gibt. Manche Betreuer vermitteln gar den Eindruck, echter hausinterner Grabenkämpfe um eine Kreditentscheidung. Das interessiert Kunden nicht und wirkt unprofessionell.

Eure Kunden würde viel eher interessieren, welche Kriterien sie erfüllen müssen, um das Rating zu verbessern. Aber auch hier bleiben die Banker zumindest klare Hinweise schuldig, Ratings kommen weiter aus der Black Box.

Obwohl Banken gerade durch die MaRisk gehalten sind, ihre Kreditprozesse besser zu strukturieren, vermitteln sie den Eindruck, einer gewissen Willkürlichkeit. Und das kommt überhaupt nicht gut beim Kunden an. Dazu gehören etwa immer wieder die Nachforderungen weiterer Unterlagen oder gern in letzter Sekunde die “Bitte” nach Stellung weiterer Sicherheiten. Gerade die Forderung nach Sicherheiten können zwar die Unternehmer gut nachvollziehen. Aber wenn der Betreuer bereits eine faktische Zusage erteilt hat und dann wenige Tage vor der Auszahlung mit Bezug auf die Marktfolge plötzlich noch weitere Sicherheiten gefordert werden, dann ist das eine vermeidbare Zumutung.

In einem anderen Fall zierte sich trotz ausgesprochen guter Daten meines Mandanten eine Bank mit der Erhöhung der Kreditlinie und fand immer wieder andere Gründe, warum sie das nicht wolle. Es sei außerdem für das Unternehmen viel gesünder, wenn es langsam wachse. “Geht es noch?”, will man da rufen. Wie ein Unternehmen sein Geschäft wachsen lassen will, ist seine Sache. Ein Blick in die Bilanz der Bank machte dann klar, warum die Bank sich so zierte. Das Kreditvolumen meines Mandanten war viel zu groß für das Institut. Das Volumen lag zwar deutlich unter der 10%-Grenze des haftenden Eigenkapitals und erfüllte damit nicht einmal die Großkreditkriterien, ein kompletter Ausfall des Kunden, der bei den wirtschaftlichen Daten und den Sicherheiten zwar faktisch ausgeschlossen war, hätte aber den Vorjahresgewinn um fast 60% reduziert. Der Vorstand räumte dann bei einem Besuch des Kunden ein, dass sein Haus zu klein sei. Einen solchen Hinweis hätte aber gern auch der Betreuer geben können. Der hatte das aus Furcht, der Kunde könne sein Geschäft komplett abziehen, lieber verschwiegen.

Nur um hier nicht missverstanden zu werden, es geht mir hier nicht darum, dass eine Bank aus verschiedensten Gründen Kredite auch ablehnt. Das versteht jedes Unternehmen, weil es sich ja selbst üblicherweise seine Geschäftspartner aussucht. Aber gerade bei Kreditprozessen müssen Banken klar ihren Kunden gegenüber auftreten und ihnen deutlich früher kommunizieren was sie wollen und brauchen. Dazu müssen sie die Entscheidungsprozesse beschleunigen, wenn sie sich von ihren Wettbewerbern abheben wollen. Ein holpriger Kreditprozess mit langen Entscheidungsfristen und häufigen Nachforderungen wirkt unprofessionell.

Noch schlimmer ist es übrigens, wenn Banken aus internen Gründen, z.B. weil sie Liquiditätsengpässe haben oder die Eigenkapitalvorgaben nicht erfüllen, Kredite ablehnen. Kunden wird das natürlich nicht offen gelegt. Ihnen wird nur gesagt, er erfülle die Anforderungen nicht. Dass diese sich aber beliebig in Abhängigkeit von der Lage der Bank ändern können, erfährt er nicht. Er hat nach der Ablehnung dafür das Problem, sich eine neue Bank suchen zu müssen. Und gerade neue Bankpartner sind ausgesprochen misstrauisch, wenn eine andere Bank bereits einen Kreditwunsch abgelehnt hat.

Hier könnte z.B. eine Art Ampel helfen, die Kunden signalisiert, bis zu welcher Risikoklasse ein Institut Kredit vergibt. Und noch besser wäre es, wenn der Kunde anhand klarer Kriterien zuverlässig ermitteln kann, in welche Risiko- bzw. Ratingklasse seine Bank ihn einstufen würde, wenn die eingegebenen Daten korrekt sind.

Vielen Finanzhäusern fehlt weiterhin die Dienstleistungssicht, die erst einmal nach den Bedürfnisse der Kunden fragt und darauf die Prozesse ausrichtet. Im zweiten Schritt überlegt man, wie man das unter den gegebenen Rahmenbedingungen umsetzen kann oder wie man ggf. die Rahmenbedingungen ändert. Dies ist eine Sichtweise, die man sonst eher bei Unternehmen außerhalb des Finanzsektor findet.

Die stark abgenommene Bedeutung der Unternehmensfinanzierung über Kredite unterstreicht auch mein Beitrag in der CFO World im Februar Beteiligung statt Bankkredit sowie gestern das Wall Street Journal mit Unternehmen besorgen sich ihr Geld selbst.

Diskutiert mit mir diesen Beitrag über Google+ oder Twitter.

Mario Nefischer April 11, 2012 um 11:15 Uhr

Vielen Dank für die verständliche Darstellung der Kundensicht. Der Kreditprozess und das Risikomanagement beschäftigen mich nun seit 15 Jahren aus Sicht der Regionalbanken, deshalb erlaube ich mir, ein paar Anmerkungen zu machen:

Die regulatorischen Vorgaben sind für den Kreditprozess inzwischen sehr restriktiv. Mit wenigen Ausnahmen erlaubt das Gesetz (ich spreche hier aus österreichischer Sicht, aber die MaRisk sind wohl vergleichbar) nur Bewilligungen im „Gemeinschafts-Votum“ (Markt + Marktfolge). Dass dabei manchmal unterschiedliche Sichtweisen die Bearbeitung verzögern, ist nicht zufällig: die intensive Diskussion soll die Qualität der Entscheidungsfindung heben. Aber je größer das Institut, desto intransparenter (für den Kundenbetreuer – und in weiterer Folge für den Kunden) findet dieser Vorgang statt.

Der Ratingprozess ist aber meiner Erfahrung nach nicht so geheimnisvoll: dass die „Hard-Facts“ aus der Bilanz des Kunden (Ergebnis, Netto-Cash-Flow, Eigenkapitalausstattung,…) einfließen, ist klar. Und die Soft-Facts (zB Nachfolgeregelung, Qualität der Debitorenbuchhaltung,…) können ohnehin nur in Abstimmung mit dem Kunden bestimmt werden. Die Auswirkungen bei Veränderungen dieser Faktoren werden mMn zumindest in Regionalbanken dem Kunden gegenüber transparent kommuniziert.

Die Intransparenz hinsichtlich der Kreditvergabebestimmungen ist aber nicht einfach zu lösen. Wie im Artikel richtigerweise erwähnt, unterliegen diese einer Vielzahl von Einflussfaktoren, die dem Kunden nicht laufend kommuniziert werden können. Neben den kundenbezogenen Daten (Rating, Besicherung) fließen natürlich auch Ertragskomponenten, bankinterne Höchstgrenzen usw. in die Kreditvergabebestimmungen ein. Diese Faktoren unterliegen ständigen Änderungen. Eine zuverlässige „Bewilligungsprognose“ für Kunden ist daher nicht möglich bzw. würde die Offenlegung aller bankinternen Risikomanagementkennzahlen und -mechanismen erfordern.

Letztendlich zeigt sich mMn, dass die angesprochenen Kritikpunkte eher für größere Banken und bei Neukunden gelten. Das Verhältnis zu Bestandskunden, die von einer Regionalbank betreut werden, lebt üblicherweise von laufender Kommunikation. Die Bank erfährt frühzeitig von den Plänen der Kunden, und die Bank erkennt dabei rasch, wenn gewisse Grenzen überschritten werden. Für (Bestands-)Kunden überraschende Kreditablehnungen gehören daher in Regionalbanken eher zur Ausnahme.

lg Mario Nefischer

Dirk Elsner April 11, 2012 um 12:10 Uhr

Danke für die umfangreichen Ergänzungen.
Die Kunden hier haben übrigens alle die Kredite erhalten. Aber obwohl dies Regionalbanken sind und die Betreuer die Kunden lange kennen, hat dies für meinen Geschmack zu lange gedauert. Die Prozesse zwischen Markt und Marktfolge waren dort und sind bei vielen anderen Instituten nicht optimal auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt. Hier gibt es in jedem Fall Nachholbedarf.

Klar ist, dass Banken nicht alle Parameter offen legen können. Daher die Idee mit der Ampel.

Andreas Buschmeier April 11, 2012 um 11:00 Uhr

Guter Beitrag – mal wieder 🙂

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Firmenkundenberater selbst keine Ahnung haben, welche Kriterien in welchem Umfang Einfluss auf die Kreditvergabe haben.
Dafür gibt es ja eine Rating-Software, wo man nur die Zahlen eingeben muss.
Wozu sollte man die Kriterien kennen?

Übrigens: die suboptimale Effizienz der Kreditprozesse sehe ich auch. Und auch innerhalb der Institute ist das bekannt.
Aber aus eigener Erfahrung kann ich nur raten, dieses Thema nicht bei Banken anzusprechen… 😉

Insgesamt bestätigt der Post die Notwendigkeit unseres Geschäftsmodells – Beratung von Firmen VOR (!) Bankgesprächen/Kreditgesprächen.

Dirk Elsner April 11, 2012 um 12:13 Uhr

Bei den Ratingmodellen ist ja meist so, dass diese „einkauft“ sind und der Ermittlungsalgorithmus oft nicht bekannt ist (zumindest nicht den Betreuern).
Ich denke, wenn Banken sich hier verbessern wollen, dann sollten sie sich tatsächlich diese Prozesse einmal genauer ansehen und dies nicht verdrängen mit den üblichen Argumenten: Regulierung, andere machen das auch so und hat noch keiner so gemacht 🙂

Mittelständische Unternehmenskunden fühlen sich hier übrigens in einer Zwickmühle. Wenn die Kreditvergabe stockt, dann wenden sie sich zum Beispiel ungern an ihre Verbandsvertreter oder Handelskammern. Es könnte ja sein, dass die Stockung am Unternehmen liegt. So etwas will man natürlich nicht öffentlich sagen.

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