Wie widersprüchlich die Finanzmarktlobby das Regionalprinzip gegen Finanzmarktregulierung einsetzt

by Dirk Elsner on 21. August 2012

Keine Frage, die Lobbyarbeit nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems gegen eine neue Finanzordnung war in den letzten Jahren so effektiv, dass niemand genau weiß, wie mit welchen neuen Regeln für das Banksystem eine neue Finanzkrise verhindert werden kann. Ich jedenfalls glaube weiterhin nicht daran, dass beschlossene oder noch in der Diskussion befindliche Regeln das weltweite Finanzsystem verbessern. Aber dieses Thema will ich hier heute gar nicht vertiefen.

Gestern ist mir bei der Zeitungslektüre wieder einmal aufgefallen, wie auffällig durchsichtig die Lobbyarbeit der Finanzindustrie ist. Zu den Kernstrategien der Verbandsarbeit gehört nämlich der Einwand der Einheitlichkeit. Plastisch zu besichtigen ist er an zwei Artikeln auf Handelsblatt Online.

In “Sparkassen und Volksbanken wehren sich gegen EZB-Überwachung” fordert man die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten. Das Handelsblatt zitiert DSGV-Präsident Fahrenschon, der moniert: „Eine EU-weite Bankenaufsicht für alle europäischen Kreditinstitute wäre überdimensioniert und könnte nicht mehr nahe genug an den Marktrealitäten operieren, was gerade für regional tätige Institute von überragender Bedeutung ist.“

Ich kann die Argumente von Fahrenschon nachvollziehen und bin noch aus verschiedenen anderen Gründen gegen eine Zentralisierung der Bankenaufsicht bei der EZB. Aber das ist hier heute nicht das Thema, sondern es geht darum, wie Lobbyvertreter je nach Interessenlage die regionale Besonderheiten verwenden. Während also Fahrenschon deutsche Besonderheiten beachtet wissen möchte, argumentieren Börsenhändler entgegengesetzt, um einen deutschen Sonderweg beim Hochfrequenzhandel zu verhindern. In “Deutsche Regulierungspläne stoßen auf Kritik” heißt es u.a.:

“Der europäische Händlerverband (FIA EPTA) unterstütze die geplanten Vorschriften zur Kontrolle des sogenannten Algo-Tradings in Deutschland zwar grundsätzlich, sagte Verbandschef Remco Lenterman am Freitag zu Reuters. "Die Tendenz, dass nationale Regulierer den europäischen Regelungen vorgreifen, kann jedoch dazu führen, dass es in Europa uneinheitliche Regeln gibt." Eine einzelstaatliche Vorgehensweise konterkariere eine einheitliche Rechtsetzung und die Schaffung einheitlicher Regeln im europäischen Wertpapierhandel, schrieb der Bundesverband der Wertpapierfirmen (BWF) an das Bundesfinanzministerium.”

Die Argumente sind zwar plausibel, aber nicht ganz offen, denn Lenterman weiß, dass eine internationale Einheitlichkeit zu einer Aufweichung, Verzögerung oder gar einem Scheitern der Regeln führen wird.

Chronokrator August 22, 2012 um 14:01 Uhr

Das Streben nach internationaler Einheitlichkeit wird leider viel zu oft als Feigenblatt für bloßes Nichtstun gebraucht. Natürlich ist eine einheitliche Regulierung ein erstrebenswertes Ziel, eine lokale Regulierung scheint allerdings ein notwendiger Anfang.
Die Aussage von Herrn Lenterman: „Die Tendenz, dass nationale Regulierer den europäischen Regelungen vorgreifen, kann jedoch dazu führen, dass es in Europa uneinheitliche Regeln gibt.“, stimmt zwar, ist aber kein Argument gegen eine nationale Regulierung. Innerhalb Europas und innerhalb der globalen Finanzmärkte kann man dann am besten Druck auf andere Länder aufbauen, wenn man selbst schon eine funktionierende Regulierung etabliert hat.

Dominic August 21, 2012 um 19:08 Uhr

Ich fürchte, das Finanzsystem ist nicht mehr zu re-regulieren, weil es nicht mehr zu kontrollieren ist. Das heisst, es wird (wieder einmal) heiss laufen und kollabieren.

Es gibt darin eine Sollbruchstelle. Man erkennt sie, wenn man sich die Entwicklung der Schulden und der korrelierenden Vermögen seit dem letzten „reset“ anschaut: Es ist der ziemlich exakte Graph einer Exponentialfunktion.

Man kann die Menschen täuschen, hinters Licht führen und notfalls betrügen und belügen – aber man kann die Mathematik nicht verar***en.

Erst nach dem Kollaps hat man (wieder einmal) die Chance zu reflektieren, welche Daseinsberechtigung ein Finanzsystem hat; wofür es eigentlich da und gut ist.

Dient es der Wirtschaft, den Menschen und der Gesellschaft insgesamt – oder dient es sich selbst, als eine Art „virtuelle Industrie“, die „virtuelle Produkte“ erfindet (NICHT produziert!) um damit möglichst viel Gewinn anzuhäufen – woraus auch immer der gezogen wird?

Diese Frage muss beantwortet werden. Dann ist der Entwurf eines sinnvollen Regelwerkes auch kein Problem mehr.

Aber so lange hier eine völlig entfesselte Finanzwirtschaft um ihren Fortbestand kämpft, wird die Vernunft immmer wieder mit erpresserischen Drohungen abgeblockt. Die Politik ist schon längst entmachtet, gegenüber der Finanzlobby. Warum? Weil die Finanzmärkte längst global agieren – die Politik aber nur lokal agieren kann. Eine Begegnung auf Augenhöhe ist so nicht möglich und auf dieses Ziel hat die Finanzlobby sehr ausdauernd und kontinuierlich hingearbeitet. Sie bestimmt jetzt die Regeln und weiss dabei geschickt das Prinzip „Teile und Herrsche“ für ihre Interessen einzusetzen, was man sehr gut an den G20-Treffen nach dem Lehmann-Desaster sehen konnte.. Ausser Absichtserklärungen, dass etwas getan werden müsse, ist nichts konkretes dabei herausgekommen und noch weniger wurde davon umgesetzt. Jene, die von Steueroasen, HFT und dem OTC-Casino profitieren sperren sich gegen jedweden regulativen Ansatz mit den Worten: Ja man würde ja sofort, aber nur wenn es global gemacht werden könnte.

Kann man aber nicht, weil nur einer global agiert: das Finanzsystem und jede Regierung und jedes Unternehmen hängt daran wie ein Junkie auf Entzug.

“ Gebt mir die Kontrolle über die Währung einer Nation, und es ist mir gleichgültig, wer die Gesetze macht!“ (Amschel Meyer Rothschild)

Wir leben in interessanten Zeiten…

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