Das Geschäft mit der Angst

by Karl-Heinz Thielmann on 7. Mai 2013

André Kostolany wurde am 3.9.1982 in einer Talkshow zur der damals schwierigen Situation an den Kapitalmärkten befragt. Die Stabilisierung von Banken mit Staatsgeldern wurde diskutiert, die marode Wirtschaft Großbritanniens wurde von der eisernen Lady Thatcher zu einer Radikalkur gezwungen. Frankreich schien unter dem neuen Präsidenten Mitterrand fest entschlossen, mit dem Sozialismus Ernst zu machen. Überall beschwor die Presse Parallelen der aktuellen Situation zur Weltwirtschaftskrise 1929. Viele Anleger hatten Angst um ihr Geld und suchten nach sicheren Anlagen, viele kauften Gold.

Wörtlich sagte Kostolany damals: „Seit einigen Monaten, Wochen, und speziell die letzten Tage wird nur von einer Sache gesprochen: Dass wir in einer Situation, einer Lage sind, die sehr nahe steht dem berühmten 29er Krach – Crash. Also ich möchte sagen: Das ist der größte Unsinn! Und jeder Nationalökonom, Journalist eventuell, oder Industrielle, Geschäftsmann der davon sprich, der weiß nicht, was 1929 war. Den Vergleich zu machen mit 1929 und der Krise von damals in Deutschland und speziell in Amerika ist ein purer Unsinn. … Schauen Sie: Es sind viele Leute, die an einer Panik Interesse haben. Die Panik ist ein gutes Geschäft. Denn in einer Panik kaufen die Leute Gold, sie kaufen Diamanten, kaufen das und jenes, und das ist natürlich ein Geschäft. Vor 3 Jahren (Anm.: Zweite Ölkrise 1979) hat man eine Panik gemacht und die Leute haben alles gekauft.“

Wie recht Kostolany mal wieder hatte. Zum Zeitpunkt seines Interviews stand Gold in heutigen Euro umgerechnet bei 388,30 €. Genau 10 Jahre später war der Preis bei umgerechnet 224,50 €. Die ängstlichen Anleger, die meinten mit Gold auf Sicherheit zu setzten, verbuchten einen Verlust von ca. 40%. Anfang September 1982 stand der DAX – zurückgerechnet laut Angaben der Deutschen Bundesbank– bei 502,9. Bis September 1992 waren die von Kostolany favorisierten Aktien gemessen am DAX dann auf 1540 und damit auf den dreifachen Wert gestiegen.


Alle, die 1982 aus Angst vor einer Wirtschaftskrise Aktien verkauft und Gold gekauft hatten, standen 10 Jahre später als komplette Deppen da. Den Ruf als Ansicherungsinstrument schien Gold für alle Zeiten verloren zu haben. Viele Investoren verkauften aus Angst vor einem weiteren Verfall entnervt wieder ihr Gold, wollten aber auch nicht mehr dem ja schon so stark angestiegenen Aktienmarkt hinterherlaufen. Was folgte ist bekannt: Trotzt aller zwischenzeitlichen Kurskapriolen hat sich der DAX seitdem ungefähr verfünffacht und der Eurowert von Gold vervierfacht. Gold erreichte danach noch einmal einen Tiefpunkt während der Interneteuphorie und scheint vor allem dann ein guter Kauf zu sein, wenn keiner mehr Angst hat.

In den vergangenen Jahren hatten wir ein nicht unähnliches Bild der Verunsicherung an den Kapitalmärkten: Banken wurden mit Staatsgeldern gerettet, die eiserne Lady Merkel zwingt die marode Wirtschaft Südeuropas zu einer Radikalkur. Frankreich scheint unter dem neuen Präsidenten Hollande fest entschlossen, mit dem Sozialismus Ernst zu machen. Viele Anleger hatten Angst um ihr Geld und suchten nach sicheren Anlagen, viele kauften Gold. Wiederholt sich die Geschichte? Im Moment sieht es fast so aus.

Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber. Franklin D. Roosevelt machte den Satz „Das Einzige, wovor wir Angst haben müssen, ist die Angst selbst („The only thing we have to fear is fear itself“) zum Motto seiner Einführungsrede als US-Präsident 1933. Und er hatte recht: Angst vernebelt das Gehirn und lässt Menschen Dinge tun, mit denen sie sich am Ende selbst schaden. Leider ist Angst aber nur allzumenschlich. Verlustaversion nennen Verhaltensökonomen ein Phänomen, das beschreibt, dass uns erlittene Verluste viel mehr schmerzen als entgangene Gewinne im gleichen Umfang. Deswegen ist das Streben vieler Kapitalanleger auch vor allem darauf gerichtet, Verluste zu vermeiden. Einigen wohlhabenden Menschen wird durch Verlustängste ihr Leben geradezu vermiest.

Interessanterweise werden verängstigten Investoren besonders gerne gerade Anlagen als angeblich sicher angepriesen, die tatsächlich unter sehr großen Wertschwankungen leiden: Immobilien und Gold. Sachwerte sind ja angeblich so sehr viel sicherer als die von der Inflation bedrohten Anleihen oder die unberechenbaren Aktien. Doch in Wirklichkeit sind insbesondere die hohen Vertriebsprovisionen bzw. die Möglichkeiten zur Gebührengenerierung bei Sachwerten besonders vielversprechend.

Doch nicht nur Drückerkolonnen unseröser Finanzvertriebe, auch viele deutsche Banken verleiten im Moment zum Kauf von angeblich sicheren Immobilien als Altersvorsorge. Dass ein Häuschen fürs Alter für so manchen Kleinsparer in den vergangen Jahren ein so schlimmer finanzieller Albtraum geworden ist wie es keine Aktie je sein kann, wird dabei geflissentlich unter den Teppich gekehrt. Jährlich ca. 70.000-80.000 Zwangsversteigerungen in Deutschland sind ein eindeutiges Indiz für die mangelhafte Sicherheit der Immobilienanlage.

Immer wieder findet man auch sogenannte Experten, die versuchen, sich durch extrem negative Vorhersagen als „mahnender Warner“ zu profilieren. Da die Kapitalmärkte ja gelegentlich zu starken Schwankungen neigen, kann es dann durchaus sein, dass diese sogar irgendwann einmal recht bekommen. Das kann dann sehr lohnend sein, wie das Beispiel von Elaine Garzarelli zeigt, die 1987 als einzige Anlagestrategin den Oktobercrash vorhersagte. Sie war zwar mit ihren Prognosen insgesamt wenig erfolgreich und leiste sich in den Jahren vor und nach 1987 einige spektakuläre Fehleinschätzungen. Ein auf der Basis ihrer Prognosen gesteuerter Investmentfonds zeigte nur eine sehr mäßige Performance und wurde nach einigen Jahren still und heimlich wieder eingestellt. Dennoch wurde sie aber in der Folge ihres Prognoseerfolges 1987 in Leserumfragen 11 Jahre lang als Top-Quantanalystin vom Institutional Investor geführt und gehörte lange zu den am besten bezahlten Strategen an der Wall Street.

Doch nicht nur im Finanzbereich ist Angst machen ein lohnendes Geschäft. Im Gesundheitswesen vergeht kaum ein Tag, in dem nicht irgendein Experte vor bestimmten Gefahren warnt und zur Vorbeugung bzw. Bekämpfung zu teuren Vorsorgemaßnahmen oder Medikamenten rät. Oftmals sind die Nebenwirkungen solcher Maßnahmen gravierender als ihr potenzieller Nutzen.

Lassen Sie sich nicht verängstigen! Sehen sie die Angst der Andern eher als Chance, vielleicht günstig an die eine oder andere interessante Langfristanlage zu kommen. Oder wie Warren Buffett einmal gesagt hat: „Sei ängstlich, wenn die anderen gierig sind. Sei gierig, wenn die anderen ängstlich sind.

Dieser Artikel erscheint in leicht abgewandelter Form ebenfalls in „Mit ruhiger Hand“ Nummer 13 vom 6. Mai 2013.

Die Angaben zur Entwicklung des Goldpreises wurden der Website des World Gold Council entnommen, diejenigen zur Entwicklung des DAX der Website der Deutschen Bundesbank.

RD1 Mai 8, 2013 um 12:23 Uhr

Ich bin wahrlich kein Goldfreund sondern ein Politik-Pessimist.
Ich stelle mir folgendes Szenario vor:
Irgendwann werden einmal diejenigen für die Staatsschulden zur Kasse gebeten werden, von denen man noch was holen kann:
1. Immobilien (kann man nicht wegtragen)
2. Aktien und andere Wertpapiere (sind irrgendwo registriert)
3. Gold (lässt sich gut verstecken bzw. mitnehmen)

Fazit: der Besitz von Gold kann nicht schaden.

FDominicus Mai 8, 2013 um 06:54 Uhr

@Andreads Teufl. Für die kleinen Besorgungen werden es Silber und iPhones tun 😉
Aber etwas größeres wird wohl mit Gold zu bezahlen sein.

Selbstverständlich können Sie weiter Ihre Aktien kaufen. Dabei viel Glück. Aktien sind ja derzeit geradezu „spottbillig“ zu haben. Und Immobilien sind natürlich sehr mobil. Jedem das Sein und Ihnen Ihre Aktien und Immobilien.

Andreas Teufl Mai 7, 2013 um 17:55 Uhr

Wer Gold als Geld kauft, der erwartet einen Zusammenbruch des Währungssystems? In dem dann die Brötchen mit Goldmünzen oder Teilen davon gekauft werden?
Oder kauft man Gold um sich gegen die Inflation abzusichern? Dann kauft man es aber wieder als Investment.

Werden Coca-Cola, Nestlé und Co keine Produkte mehr verkaufen, wenn der Euro oder Dollar einbrechen/verschwinden sollte?
Wie sollte überhaupt der Euro bzw. Dollar verschwinden?
Wenn mir diese Fragen jemand beantworten kann, denke ich darüber nach Gold zu kaufen.
Bis dahin halte ich mich davon fern, investiere in Aktien usw. und kaufe Immobilien und Gold, wenn die Aktien zu teuer und Sachwert nicht so stark nachgefragt, also wesentlich günstiger, sind…

FDominicus Mai 7, 2013 um 05:14 Uhr

„Sei ängstlich, wenn die anderen gierig sind. Sei gierig, wenn die anderen ängstlich sind.“

Nur mal so in den Raum gefragt. Die derzeitigen hohen Aktienkurse sind so weil?
a) die „Anderen“ gierig sind
b) die „Anderen“ ängstlich sind

Auch bitte ich mir zu erklären, wieviele Schulden sind nach 1982 hinzugekommen. Wo stand damals der Zins wo heute?

Wer Gold als Investment kauft, kann das tun und sich auf fallende oder steigende Kurse freuen. Wer Gold als Geld kauf, dem kann der Preis in anderen Verrechnungseinheiten völlig egal sein.

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