Über welche Schulden soll man sich sorgen: Private oder Öffentliche?

by Dirk Elsner on 24. Oktober 2013

Viele Beobachter sehen die europäische Schuldenkrise durch die Linse öffentlicher Finanzen und leiten daraus wirtschaftspolitische Maßnahmen ab. Die Unfähigkeit vieler Regierungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu haushalten sei eine zentrale Ursache der Krise. Daraus fordern sie, strengere Haushaltsregeln, um eine Ausweitung der Krise zu zu verhindern. Andere argumentieren, dass wir uns mehr über die private Kreditaufnahme sorgen sollten. Nach dieser Sicht, so schreiben Òscar Jordà, Moritz Schularick und Alan Taylor auf Voxeu, ist die Krise in Europa das Ergebnis des von der Privatwirtschaft ausgehenden Kreditbooms und der Immobilienblase. Erst wenn diese Blasen zerplatzen, wird der öffentliche Sektor gezwungen, die direkten Kosten der Bankenverluste und/oder der viel größeren indirekten Kosten von extremen konjunkturellen Defizite zu tragen. Der Anstieg der Staatsverschuldung ist dann nur eine Begleiterscheinung.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass man sich auf Basis historischer Daten mehr über die Verschuldung des privaten Sektors sorgen sollte:

“Historically, risks to financial stability have typically originated in the private sector, not in the public sector. This finding is consistent with the events of 2008 – with the exception of dangerous levels of government debt in Greece, most other advanced countries did not have obvious public debt problems ex ante. Ex post, the devastation from the financial crisis recession would wreak havoc on public finances via crashing revenues and rising cyclical expenditures.”

Nach ihrer Ansicht wird der Ansatz, dass Finanzkrisen ihre Wurzeln in fiskalischen Problemen haben, von historischen Daten nicht unterstützt. Allerdings spielt der Grad der öffentlichen Verschuldung eine wichtige Rolle für den Pfad der Erholung aus einer Krise. Während also hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte in “normalen Zeiten” kaum eine Rolle spielt, verschärft sie eine Finanzkrise. Die nicht sehr überraschende Schlussfolgerung: Länder mit wenig finanziellen Spielraum habe Probleme bei der makroökonomischen Stabilisierung und der Rückkehr auf einen Wachstumspfad.

Der negative Einfluss der privaten Verschuldung erinnert natürlich sofort an Hyman Minsky und seine These von der Finanziellen Instabilität. Der 1996 gestorbene Ökonom wurde mit der Finanzkrise “wiederentdeckt” (und schon vorher in dieser Dissertation von Marc Schnyder).  Minsky warnte vor Übertreibungen an den Märkten durch Assetpreisblasen.

Ich finde hier könnten sich vielleicht gar der Kreis zum frisch gekürten Nobelpreisträger Eugene Fama schließen, der an die Effizienz der Märkte glaubt. In einem Interview mit der FAZ sagte er: “Die Stabilität der Märkte hängt davon ab, wie gut die Spieler finanziert sind. Und sie hängt davon ab, wie groß die echte Unsicherheit in der Welt ist.“ Das kann man durchaus auch so verstehen, dass bei schlechter Finanzierung der “Spieler” (= hohe Verschuldung) die Unsicherheit größer wird und darunter die Märkte volatiler werden.

Cliff Oktober 26, 2013 um 14:40 Uhr

Das Problem ist jedoch, dass selbst ein solider Staatshaushalt mit geringen Schulden in seiner Dimension zu klein ist, die Bilanzen aller anderer Sektoren (Bankenrekapitalisierung, Haushaltentschuldung, Unternehmensrestrukturierung) zu finanzieren.

Statt nur auf die Schulden zu schauen, sollte man auch den Wert der Aktiva betrachten. Daher kommt m.E. Massnahmen zur Vermeidung von asset price undershooting eine wichtige Rolle zu (siehe http://cliffeconomics.blogspot.com/2013/10/policy-responses-to-debt-overhang-asset.html). Dies wird in der Analyse oft uebersehen.

Stefan Wehmeier Oktober 26, 2013 um 13:09 Uhr

Ende der Arbeitsteilung

Sind die Basis allen menschlichen Zusammenlebens (die Makroökonomie, insbesondere die Bodenordnung) und die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung (das Geld) fehlerhaft, ist alles fehlerhaft, was das menschliche Zusammenleben im weitesten Sinne betrifft. Angebot und Nachfrage sind nicht im Gleichgewicht, es entstehen Konjunkturen und Krisen, systemische Ungerechtigkeit, der Zwang zur Lüge, Bürger- und Völkerkriege, Umweltverschmutzung und -zerstörung, Terrorismus, Kriminalität, materielle und geistige Massenarmut, Fehlernährung – bis hin zur genetischen Degeneration.

Was Zivilisation ist, findet sich ab Genesis_2,4b als „Paradies“, und die Ursache, warum die Menschheit bis heute nicht zivilisiert ist, unter Genesis_3 als „Erbsünde“ mit genialen archetypischen Bildern und Metaphern exakt umschrieben. Der religiöse „Normalbürger“ erkennt die zahlreichen Negativsymptome der „Mutter aller Zivilisationsprobleme“ nicht als deren zwangsläufige Folgen, sondern interpretiert sie als vermeintliche Folgen einer „Sündhaftigkeit des Menschen“ – die durch eine „Moral“ zu verbessern sein müsste.

Die vom „Normalbürger“ als „vernünftig“ gedachten Moralvorstellungen bestimmten die Kulturentwicklung über Jahrtausende und führten dazu, dass die wahre Zivilisation nicht nur allgemein unverstanden blieb, obwohl sie nach dem tatsächlichen Stand des Wissens längst verwirklicht sein müsste, sondern die „Moral“ von der „etablierten Wissenschaft“ sogar als „entscheidender Vorteil“ des Menschen in der gesamten Evolution angesehen wird.

Unterstützt wird die „Moral“ von der Religion, deren Aufgabe es war, die Erbsünde – solange noch niemand wusste, wie sie zu überwinden ist – aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes auszublenden, damit das, was wir heute „moderne Zivilisation“ nennen, überhaupt entstehen konnte; denn kein vernünftiger – nicht religiös verblendeter – Mensch wäre dazu bereit, in einer a priori fehlerhaften Arbeitsteilung zu arbeiten, wenn er weiß, dass ein nachhaltiges Wirtschaften unmöglich und der nächste Krieg unvermeidlich ist.

Damit wurde der Krieg zum „Vater aller Dinge“, was er jedoch nur solange sein konnte, wie es noch keine Atomwaffen gab! Das heißt nun nicht, dass ein „Frieden durch ultimative Abschreckung“ möglich wäre. Um die ganze „moderne Zivilisation“ – von einem Tag auf den anderen – auszulöschen, ist es nicht erforderlich, dass irgendein wahnsinniger Präsident den „roten Knopf“ betätigt – es reicht schon aus, wenn wir gar nichts machen.

In der Heiligen Schrift heißt das Ende der Arbeitsteilung „Armageddon“; so genannte „Wirtschaftsexperten“ und „Spitzenpolitiker“ schwafeln irgendwas von „Finanzkrise“; und wer etwas von Makroökonomie versteht, nennt diese größte anzunehmende Katastrophe der Weltkulturgeschichte – nach J. M. Keynes – globale Liquiditätsfalle!

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/10/glaube-aberglaube-unglaube.html

FDominicus Oktober 25, 2013 um 17:28 Uhr

@Nixda. Dann warten wir einfach mal ab ob Schulden im Endeffekt etwa machen auch wenn die eigenen Leute die Schuldverschreibungen halten. Ach das war noch nie wichtig? Fragt man sich was mit den ganzen Kriegsanleihen so gewesen ist.

Schulden von Staaten kann man kaum unterschätzen. Und so wie die EU Staaten verschuldet sind wird es mit jedem Tag schlimmer.

topperhopper Oktober 25, 2013 um 12:08 Uhr

Ich finde es bezeichnend, dass selbst hochwertige Zeitungen wie die FAZ immer wieder das Wort „Staatsschuldenkrise“ verwenden. Weder die Privaten oder der Staat allein sind die Ursache.

Neben den üblichen Staatsschulden-„Verdächtigen“ wie Griechenland oder Italien sollte man viel mehr auf die Privatverschuldung Acht geben – das Spitzentrio 2012 besteht hier aus Irland (332 Prozent des BIP), Zypern (302 Prozent) und Schweden (257 Prozent) – zum Vergleich Deutschland: 116 Prozent.

VG

Nixda Oktober 25, 2013 um 09:32 Uhr

Die öffentlichen Schulden werden in ihrer Bedeutung weit überschätzt, um direkt nicht zu sagen, sie sind irrelevant, so lange sie aus dem Inland finanziert sind. Der Staat ist eine Repräsentanz aller Bürger gemeinsam, wenn er sich bei den eigenen Bürgern verschuldet, dann verschuldet er sich bei sich selbst. Analog wie bei einem Unternehmen, dass einen Gesellschafterkredit aufnimmt, das Gesamtvermögen den Gesellschafters ändert sich nicht. Deshalb ist die Japanische Staatsverschuldung nicht besorgniserregend.

Kritisch ist die Situation, wenn Schulden im Ausland bestehen. Und dann ist es wieder irrelevant, ob vom Staat oder privaten Schuldnern. Entscheidend ist, dass die Zinsen und Tilgungen an das Ausland gehen. Deshalb die die amerikanische Staatsverschuldung auf den ein Problem.

Die deutsche Politik der zurückgehenden Staatsverschuldung ist in der deutschen Situation (Außenhandelsüberschuss) ein ziemlicher Knieschuss, der im Wesentlichen zeigt, mit wie wenig Verstand Wirtschaftspolitik betrieben wird. Es zwingt die deutschen Sparer in unsichere Anlagen im Ausland oder in überteuerte Assests zu investieren.

FDominicus Oktober 25, 2013 um 05:25 Uhr

Ok dann erläutern Sie mir bitte wann private Schulden zu einem Währungszusammenbruch geführt haben…. Mir fiele aus dem Stehgreif nicht ein Beispiel ein.

FDominicus Oktober 24, 2013 um 17:01 Uhr

Was fällt denn unter „fiskalische Probleme“? Also ich kann dem so nicht folgen die Pleiten von Deutschland nach WWK I und WWK II waren doch nicht wegen der Schulden der Privaten…..

Dirk Elsner Oktober 24, 2013 um 20:22 Uhr

Hier geht es ja um einen empirischen und nicht kausalen Zusammenhang. Empirisch heißt ja nicht, dass es eine Korrelation von 1 geben muss, ergo fallen immer einzelne Beispiele raus.

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