Griechische Banken mit weniger Schulden und mehr Eigenkapital als deutsche Banken

by Gastbeitrag on 4. Dezember 2013

Crosspost von Acemaxx-Analytics*

Die Finanzkrise legt nahe, dass eine staatliche Regulierung der Eigenkapitalanforderungen für Banken unerlässlich ist. Es muss endlich für eine deutliche Erhöhung der Eigenkapitalfinanzierung der Banken gesorgt werden. Doch die „systemrelevant“ geltenden Banken profitieren nach wie vor von impliziten Garantien.


Paul De Grauwe und Yuemei Ji deuten in einer heute vorgelegten Studie („Strong Government, Weak Banks“) auf die Verzerrungen, die von staatlichen Garantien und Subventionen ausgehen, hin. Die Banken verfügen in Europa noch immer über zu wenig Eigenkapital.

Der Eigenkapitalanteil der europäischen Banken belief sich 2013 auf nur 7,6% der gesamten Aktiva. Bemerkenswert ist die Dichotomie im Euro-Raum:

Während die Banken im Kern der EU über einen sehr niedrigen Eigenkapitalanteil von 5% oder weniger verfügen, beträgt der Eigenkapitalanteil der Banken in der Peripherie der EU mehr als 10%.

Warum? Weil in Nordeuropa die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit deutlich niedriger ist als die Rendite der entsprechenden Staatsanleihen in Südeuropa. Das schafft eine Art "Moral Hazard"-Problem. Die Banken im Norden fühlen sich von den Regierungen gestützt.

De Grauwe und Ji zeigen auf, dass es eine wesentlich positive Relation gibt: Banken in den EU-Ländern mit niedrigen Renditen der Staatsanleihen haben wenig Eigenkapital. Banken in den EU-Ländern mit hohen Renditen der Staatsanleihen haben viel Eigenkapital. Die Variation des Eigenkapitalanteils (equity ratio) lässt sich auf diese Weise zu 50% erklären, wie in der zweiten Abbildung zu sehen ist.

2012: Eigenkapital + Reserven im Verhältnis zu Bilanzsumme, Graph: Paul De Grauwe und Yuemei Ji in:Strong Government, Weak Banks

Interessant ist, dass die Aufteilung des Eigenkapitalanteils zwischen dem Kern und der Peripherie der EU vor der Finanzkrise nicht wesentlich auseinander lag.

2012 haben die Banken in Südeuropa den Anteil ihres Eigenkapitals im Durchschnitt auf 10,5% erhöht. Die Banken in Nordeuropa hingegen haben ihren Eigenkapitalanteil im Gefühl, durch ihre Regierungen geschützt zu werden, auf 5,1% reduziert.

Das Paradox ist, dass finanziell besser stehenden Regierungen in Nordeuropa fragile Banken züchten, halten De Grauwe und Ji fest. In Südeuropa hingegen passiert genau das Gegenteil. Da die Regierungen finanziell angeschlagen sind, bemühen sich die Banken auf eigene Faust, da sie weniger Anreize (durch die öffentliche Hand) haben, den Eigenkapitalanteil zu erhöhen, um für die eigene Sicherheit und Solidität zu sorgen.

Das Ergebnis ist, dass die Banken in Griechenland heute tendenziell mit weniger Schulden und mehr Eigenkapital arbeiten als die Banken in Deutschland, die mehr Schulden haben und weniger Eigenkapital halten.

Eigenkapital + Reserven im Verhältnis zu Bilanzsumme und Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Paul De Grauwe und Yuemei Ji in:Strong Government, Weak Banks

Auf der y-Achse ist der EK-Anteil aufgetragen, während auf der x-Achse die Rendite der Staatsanleihen abgebildet sind.


Fazit: Die Eigenkapitalanforderungen sollten deutlich besser gehandhabt werden als nach Basel III vorgesehen ist.


Der Beitrag ist ein erlaubter Crosspost des Blogs Acemaxx-Analytics und ist ursprünglich hier erschienen.

Stefan Wehmeier Dezember 8, 2013 um 15:13 Uhr

Was ist die „Finanzkrise“?

„Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuß wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da.“

(aus „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“, 1916)

20 Jahre später bezeichnete der „Jahrhundertökonom“ J. M. Keynes in seiner „Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)“ dieses Phänomen, das sich zwangsläufig aus der Verwendung von hortbarem Geld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) ergibt, als „Liquiditätsfalle“ – und beschrieb zwei Mittel, um sie hinauszuzögern: Erhöhung der Staatsverschuldung mit Ausgabe des Geldes für Projekte, die den Zinsfuß nicht senken (Löcher graben und wieder zuschaufeln, Kriegsrüstung, etc.), und Geldmengenausweitung.

Um aus der Liquiditätsfalle herauszukommen, gibt es bei der weiteren Verwendung von Zinsgeld nur eine Möglichkeit: Eine umfassende Sachkapitalzerstörung muss den Zinsfuß anheben. Diese früher sehr beliebte „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ konnte jedoch nur solange der „Vater aller Dinge“ sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

Was ist Politik?

„Im Grunde ist Politik nichts anderes als der Kampf zwischen den Zinsbeziehern, den Nutznießern des Geld- und Bodenmonopols, einerseits und den Werktätigen, die den Zins bezahlen müssen, andererseits.“

Otto Valentin („Warum alle bisherige Politik versagen musste“, 1949)

Was nun?

„Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren.“

Sir Arthur Charles Clarke (1917 – 2008)

Der längst überfällige, eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation, die Verwirklichung der Natürlichen Wirtschaftsordnung, setzt die Überwindung der Religion voraus, die den Kulturmenschen überhaupt erst „wahnsinnig genug“ für das Geld machte, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war.

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/11/der-wille-zur-macht.html

Dimitri Dezember 4, 2013 um 20:37 Uhr

Das mit der hohen Eigenkapitalquote ist zwar schön und gut, die Frage bleibt ja, was sie mit dem restlichen Fremdkapital alles für Geschäfte eingehen. Die könne ja trotzdem super riskant sein?!

logicorum Dezember 4, 2013 um 09:27 Uhr

Das ist m,E. kein moral hazard. Zum einen das was Orbiter schreibt, sprich – es ist keine externe Forderung vorhanden. Zum anderen müsste man sich ansehen ob es nicht an Bilanzverkürzungen liegt. Wenn die Bilanzsummen als Berechnungsgröße herangezogen wird spielt auch die Kreditvergabepraxis eine Rolle. Daher hinkt die Kausalität etwas.

Orbiter1 Dezember 4, 2013 um 06:05 Uhr

In dem Artikel fehlen wichtige Informationen. Z. B. dass 3 der 4 größten griechischen Banken nach dem Schuldenschnitt Griechenlands im März 2012 negative Eigenkapitalquoten aufwiesen und seitdem mit Staatshilfen von über 50 Mrd. € rekapitalisiert wurden. Oder dass die Troika bei den systemrelevanten griechischen Banken eine Eigenkapitalquote von mindestens 9 % verlangt.

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