Macht Prokon seine Investoren zu Muppets?

by Dirk Elsner on 20. Januar 2014

Über Prokon waren in den letzten Wochen mehr Artikel zu lesen (siehe Kasten), als in der gesamten Zeit seit das Windenergieunternehmen seine Genussrechte flächendeckend bewirbt. Glaubt man der eigenen Darstellung des Unternehmens, dann steckt die Itzehoer Unternehmensgruppe mitten in einem Finanztornado, der nicht nur das Dach, sondern gleich das gesamte Fundament wegzureißen droht. Eine aktuelle Chronologie der Ereignisse ist bei Egghat zu finden. Ob das Unternehmen am Ende weggefegt wird, ist derzeit noch offen.

Ausgewählte Berichte zu Prokon

Drei Dinge gehen mir bei der Lektüre der aktuellen Berichte durch den Kopf.

  1. Macht Prokon seine Anleger zu Muppets?
  2. Warum haben es alle nachher wieder vorher besser gewusst
  3. Folgt nach den populistischen Gesetzen der Politik mal wieder eine verschärfte Regulierung

Zu 1. Macht Prokon seine Anleger zu Muppets?

Ich kenne das Verhältnis zwischen Prokon und seinen Investoren nicht. Aber irgendwie wird hier insbesondere durch die “Freunde Prokons” ein besonderes Verhältnis suggeriert. Sie haben eine eigene Webseite und (Stand Sonntagmittag) 5.064 Unterstützer.

Die Bezeichnung “Muppets” geht bekanntlich auf Greg Smith und Goldman Sachs zurück. NachAngaben von Smith sollen Direktoren der Investmentbank Kunden als Muppets bezeichnet haben, weil die Kunden bestimmte Geschäfte nicht durchschauen und deswegen zu viel Geld zahlen.

Das Muppet-Konzept gilt nicht nur für Investmentbanker, sondern für sehr viele Dienstleistungen, bei denen bestimmte Eigenschaften den Anreiz für die Ausbeutung von Kunden erhöhen. Ich hatte das einmal hier dargestellt. Die Welt der Investmentberatung ist voll mit Beispielen und Gerichtsentscheidungen, in denen nachgewiesen wurde, dass Finanzprofis die Unerfahrenheit und das mangelnde Wissen über die Prozesse hinter den Entscheidungen von Anlegern ausgebeutet haben. Typische Beispiele sind fürGroßanleger der Fall Madoff, für Kleinanleger dieEmission der Facebook-Aktien und unzählige Fälle, über die die Wirtschaftsmedien laufend berichten.

Wenn ein Investment in eine Schieflage gerät, dann bedeutet dies aber nicht, dass Investoren vorsätzlich zu Muppets gemacht wurden. Das gilt nach meiner Auffassung nur, wenn diejenigen, die Kapital einsammeln, von vornherein wissen, dass sie die Investoren über den Tisch ziehen. Ob dies bei Prokon so war, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls hat Unternehmen zumindest im Kleingedruckten auf die Risiken hingewiesen. Dass diese nicht in den Werbespots und Anzeigen großflächig hervorgehoben werden, entspricht den üblichen Gepflogenheiten der Finanzmärkte.

Auch die von Anlageschützern stark kritisierte Pleitedrohung ist in der Wirtschaftspraxis nicht ungewöhnlich. Meist wird sie allerdings nicht so offen gespielt. Es ist aber doch ganz offensichtlich, dass ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten kommen kann, wenn es seine Investitionen falsch finanziert (nämlich zu kurzfristig) und Geldgeber ihre Einlagen zurückfordern.

Die “Freunde Prokons” könnten spieltheoretisch ein sehr geschickter Schachzug der Investoren sein, die ihr Geld retten wollen. Ich betrachte das noch einmal in einem eigenen Beitrag. Ob dagegen Prokon seine Anleger wirklich zu Muppets gemacht hat, lässt sich eigentlich nur dann beurteilen, wenn das Geschäftsmodell von Anfang an auf tönernen Füßen stand. Damit kommen wir zu 2.

zu 2. Warum haben es alle nachher wieder vorher besser gewusst?

Natürlich wissen jetzt wieder alle ganz genau, dass das Prokon-Finanzierungsmodell scheitern musste. Schaut man aber einmal nach, wer sich bereits frühzeitig kritisch mit der kaum übersehbaren Werbung auseinander gesetzt hat, dann muss man wirklich tief in Google wühlen, um fündig zu werden. Der sich jetzt empörenden Mainstream war jedenfalls nicht in der Breite und Tiefe darunter, sondern eher Blogs und Verbraucherschützer:

Es gehört zu den üblichen Reflexen der Berichterstattung über Kapitalanlagen, dass man es im Nachhinein immer vorher schon ganz genau wusste. Das sind aus meiner Sicht narrative Verzerrungen im Sinne Kahnemans und Talebs (siehe dazu “Die Illusion des Verstehens”). Dabei geht es um fehlerhafte und unvollständige Geschichten vergangener und oft gerade passierter Ereignisse, die so konstruiert werden, dass sie im Nachhinein vollkommen plausibel erscheinen. Viele Berichte, etwa von Journalisten, Bloggern und Unternehmensberatern, vermitteln z.B. im Nachhinein genaues Wissen darüber, wieso ein Unternehmen erfolgreich war oder Pleite gehen musste. Für Kahneman ist das eine Wahrnehmungsverzerrung, die er darauf zurückführt, dass wir stets versuchen, Ereignisse im Lichte unseres Wissens zu verstehen.

Fakt jedenfalls ist es, dass es überhaupt keine zuverlässigen Verfahren gibt, den Erfolg von Geschäftsmodellen und Strategien hinreichend genau vorherzusagen. Wenn Ihr einen Text lest, der so etwas behauptet, betrachtet ihn als Anekdote. In die heutige Bewertung der Vergangenheit beziehen wir die aktuellen Erkenntnisse mit ein, die aber damals noch gar nicht zur Verfügung standen. Damals war vor allem bekannt, dass – welche Überraschung – die Anlage in Prokon gerade nicht risikofrei war, was mich zum letzten Thema bringt.

zu 3. Folgt nun nach den populistischen Gesetzen der Politik mal wieder eine verschärfte Regulierung

Aus einem für mich nicht nachvollziehbaren Grund hält sich in Deutschland die Mär von der risikofreien Kapitalanlage. Jede Pleite wird weiterhin skandalisiert und als vermeidbar angesehen. Wie auf Bestellung rufen Anlageschützer nach dem Staat und fordern die “Bändigung des grauen Finanzmarkts”. Andere schreiben, die Anleger seien selbst Schuld, weil “Gier ihr Gehirn” gefressen habe.

Beide Einstellungen sind blödsinnig und unterstreichen, dass wir in Deutschland noch kein normales Verhältnis zur Kapitalanlagen haben. Wir haben noch nicht begriffen, dass die risikofreie Geld- und Kapitalanlage ein Mythos ist. Wenn etwas wackelt, dann wird wie in einem Reflex die Politik zur Stabilisierung und zum Schutz unbedarfter Anleger gerufen. Und wenn der Staat nicht stabilisieren kann, dann soll er möglichst verhindern, dass so etwas noch einmal passieren kann.

Es mag ja sein, dass “Sonne und Wind machen Anleger blind” gemacht hat. Aber wo ist hier die Tragödie? Wenn wir ein realistisches Verhältnis zu Kapitalanlagen entwickeln, dann wissen wir, dass hohe Rendite mit einem höheren Risiko kommt. Ein höheres Risiko bedeutet, die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls ist vorhanden.

Ich fürchte, dass eine spektakuläre Pleite Prokons wieder einmal dazu führt, die Anlegergesetze noch strenger zu machen. Damit wird die bankenunabhängige Unternehmensfinanzierung weiter erschwert. Wie auch immer eine neue Regulierung aussehen wird, der Spagat zwischen Geldanlage, Risko und Transparenz wird bestehen bleiben, dafür wird die Finanzierung aber teurer. Anleger kommen nicht drum herum, sich eigene Gedanken zu machen und mehr Zeit für ihre Kapitalanlagen zu investieren.

Zum Schluss

Um hier nicht falsch verstanden zu werden. Ich will den Fall Prokon nicht verharmlosen. Ich finde das Geflecht eher intransparent. Mich stört vor allem, dass man hier immer noch auf testierte Bilanzen warten muss. Ob hier im Sinne des Strafrechts sogar ein Bilanzdelikt vorliegt, wird man wohl in den nächsten Wochen lesen. Gleichwohl wünsche ich mir etwas mehr Gelassenheit. Auch ohne Analyse aller Details, glaube ich nicht, dass eine Verschärfung des Anlegerschutzrechts notwendig ist.

PS

Noch ist übrigens unklar, was in den nächsten Tagen passiert. Das Handelsblatt stellt in dem am 20.1. erschienen Beitrag „Prokons Stunde der Wahrheit“ einige Überlegungen an.

Dominik Januar 24, 2014 um 12:12 Uhr

Ich finde den Beitrag sehr, sehr gut erklärt. Ich mache mir trotzdem Sorgen um unsere Finanzen.

Andreas Herzog Januar 22, 2014 um 11:26 Uhr

Der Beitrag ist m.E. ausführlich, aussagekräftig, weil fundiert und somit sehr zur Kenntnisnahme zu empfehlen!
Leider ist es immer noch nicht rechtskräftig verbindlich, Jahresabschlußrechnungen von Firmen zu fordern und somit Anleger zu informieren und vielleicht auch Leichtgläubige zu warnen!

ulf Januar 20, 2014 um 21:51 Uhr

Ich denke Prokon hat in den letzten Jahren einen Bilanzierungsfehler gemacht. Laut Prokons Prospekt handelt es sich um Genussscheine mit Verlustbeteiligung (Das geht ja nicht anders, da ansonsten die GS nicht als EK bilanziert werden dürften). Prokon hat aber bisher bei Kündigung oder Rückzahlungstag das Nominal zurückgezahlt auch wenn in der Subperiode bilanzielle Verluste vorlagen.
Ich bin kein WP, aber ich denke jeder geistesgegenwärtige WP hätte das Testat verweigert, wenn er dies bermerkt hat (Und Prokon hat ja auch kein Testat bekommen, soweit man es so in der Presse liest).

Was könnte Prokon tun?
(1) Prokon könnte seine alten Bilanzen korrigieren und die Verlustbeteiligung in die ausgelaufenden GS einbuchen, und folglich die Differenz von den alten Investoren zurückverlangen. Diese nehmen sich dann einen Anwalt und gucken wer mehr Zeit übrig hat.
(2) Da Prokon quasi selbst eingesteht falsche Bilanzen veröffentlicht zu haben, kommen aktuelle Investoren auf die Idee eine Sammelklage einzureichen, z.B. eine Rückabwicklung der Genusscheinkäufe.
(3) Prokon macht nichts und geht in die Insolvenz. Die verbleibenen Anleger werden dann einen Haircut schlucken oder es findet sich irgeneine Private Equity Bude die den ganzen Laden aufkauft und die Restanleger auszahlt.
(4) Prokon geht in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter boxt dann (1) durch und muss dann (2) abwehren. Um das alles zu finanzieren ist eine Liquidiation der Sachanlagen unvermeidbar.

Nr.3 wäre wohl die beste Option für das Prokon-Management und die Restanleger, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich jemand damit die Finger verbrennen will (Außer die Leute auf der Passiva bluten vorher noch mal ordentlich). Mein Favorit ist Nr.4, d.h. die Anwälte zerfleddern den Laden und die Restanleger schaun in die Röhre.

jens Januar 20, 2014 um 16:15 Uhr

Ich habe mir noch mal den verlinkten SPON-Artikel angeschaut. Bis auf den dummen Satz „Gier frisst Hirn“ trifft ers aber ziemlich genau :Die Unbedarftheit vieler Deutscher in Finanzfragen ist ist kein Wissens-sondern ein Motivationsproblem. Freundlich formuliert. ( Bin selber in der Branche tätig) So wird das auch nichts mit Banking 2.0…
Jens

Dirk Elsner Januar 20, 2014 um 13:53 Uhr

Da Stimme ich absolut zu. Ein testierter Jahresabschluss wäre hier mW aber auch Pflicht von Prokon gewesen.
Das sind zum Beispiel Voraussetzungen für Emittenten, deren Anteile an einer Börse gehandelt werden sollen.

Dividenden-Sammler Januar 20, 2014 um 13:10 Uhr

Der tag „Grauer Kapitalmarkt“ spricht für sich.
Ich habe schon vor 20 Jahren in Büchern gelesen,das man sich NIEMALS auf dem grauen Kapitalmarkt rum tummeln sollte.
Das ist etwas unreguliertes, ein Bereich in dem sich die Hochfinanz (mit ihren Tricks) bewegen sollte…

Kleine Privatanleger sollten nur das kaufen, was sie auch verstehen und nicht HOFFEN, das es schon gut gehen wird und sie eine dicke Rendite einstreichen!

Aber durch das Internet und die ganzen Blogs und Informationen, dürfte dieses unvorteilhafte Verhalten nach und nach durch Wissen ersetzt werden. Hoffe ich zumindest,,,

Beste Grüße
D-S

Nixda Januar 20, 2014 um 10:48 Uhr

Der Fall Prokon ist sicher interessant. Gerade weil es im Vorfeld genug Warnzeichen bei Prokon gab, können sich die Anleger in den nachrangigen Genussscheinen nicht auf den Muppetstatus berufen. Andererseits gab es Werbemaßnahmen für diese Anlage, hier in Berlin gab es Plakate in den U-Bahnen, die offensichtlich direkt auf die Anleger zielten, die wenig Erfahrungen in diesem Segment haben.

Was mir zur Zeit bei Prokon querliegt ist die Ansprache der Anleger bezüglich der Kündigung. Besonders unschön finde ich hier vor allem die Ankündigung, eine vertragsgemäße Kündigung der Anleihe „in Sinne der Insolvenzordnung“ nicht als Fälligkeit verstehen zu wollen, diese wäre dann als „automatisch gestundet“, und Prokon verweigert die Zahlung. Zudem lasse man sich derzeit ein Rechtsgutachten erstellen, dass genau deshalb auch keine Insolvenz eintreten würde, wobei sich die geneigte Beobachter fragt, wie dann die Insolvenzordnung zur Anwendung kommt?

Wenn Prokon mit dieser Ansicht durchkommt, dann hat es die Anleger tatsächlich zu Muppets gemacht, und es gibt Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Nachranganleihen sind zwar im Falle einer Liquidation nach den Senioranleihen zu bedienen, aber immer noch vor den Eigenkapitalgebern. Die aktuelle Rechtslage kehrt diese Rangfolge um. Im Insolvenzrecht fehlt eine stärke Rechtsstellung der Gläubiger bis hin zur Durchsetzung eines Debt to Equity Swap, so dass die Altaktionäre, und idR mit ihnen das alte Management, von den Gläubigern aus dem Unternehmen gedrängt werden können.

Gerald Fix Januar 20, 2014 um 16:44 Uhr

hier in Berlin gab es Plakate in den U-Bahnen, die offensichtlich direkt auf die Anleger zielten, die wenig Erfahrungen in diesem Segment haben.
Das muss nicht so sein. Mit Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln kann man auch auf einen Personenkreis zielen, der an Umweltfragen interessiert ist. (Im Gegensatz zu Werbeplakaten an der Hauptverkehrsstraße.)

ralph hirnrabe Januar 20, 2014 um 10:11 Uhr

Und nicht zu vergessen, die Anleger haben vergünstigten Strom über Jahre beziehen können. Mitte Dezember flatterte über die Postwurfsendung uns in Bayern 4 Cent Rabatt bei Anlage ab 250 EUR herein

Peter Januar 23, 2014 um 17:52 Uhr

Lesen hielft 0,4 cent sind richtig und wenn du den ganzen Artikel liest verstehst du auch warum 0,4 cent rabatt!

memyselfandi007 Januar 20, 2014 um 08:18 Uhr

Sehr guter Beitrag !!! Eine Anmerkung: Ich fände es nicht zuviel verlangt, von Firmen wie Prokon ab einer gewissen Summe von Anlegergeldern zumindest einen konsolidierten Jahresabschluss zu verlangen. Dann hätte man schon sehr viel früher gesehen, dass die gezahlten Zinsen nicht den erzielten Renditen entsprochen haben.

mmi

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