Widerstand ist der Regelfall bei Veränderungsprozessen. Bei mittelständisch geprägten Unternehmen wird er durch Changeprojekte noch erhöht, was darauf hinweist, dass die in der Unternehmenskultur von Großunternehmen gepflegte anglophilere Unternehmenssprache misstrauisch macht. In erfolgreichen mittelständisch geprägten Unternehmen sind Veränderungsprozesse Element der Lebendigkeit; Englisch dient der Verständigung.
Vorab: mittelständisch geprägt ist der Hinweis auf Stärken in der Unternehmenskultur, die in Großkonzernen kein Produktionsfaktor mehr sind.
Beim mittelständisch geprägten Unternehmen sprechen die Chefs die Sprache verschiedener Ebenen, was eine Voraussetzung für Wertschätzung und Glaubwürdigkeit ist; sie sind nah am Markt und am Mitarbeiter und daher sowohl eher bereit zum Change-Prozess als auch eher geeignet für die Einleitung und Erfolgskontrolle notwendiger Wandlungen. Gelebte Wertschätzung und die Einbeziehung aller Beteiligten sind große Potenziale für das Gelingen von Veränderungsprozessen in mittelständisch geprägten Unternehmen. Hinzu kommt, dass diese Unternehmen gerade deshalb auf professionelle Verstärkung zurückgreifen. Die bekannten Beratungsgesellschaften entdecken einen neuen Markt. Doch Obacht: Veränderungsprojekte bei Mittelständlern haben eigene Handlungsbedingungen.
Die Beziehung zwischen Management und Mitarbeitern ist ein Merkmal typisch mittelständischer Unternehmenskultur. Die flinke Antwort, dass Externe in das Veränderungsprojekt einbezogen werden, ist daher noch einmal zu beleuchten. Ausgangspunkt sind die soeben festgestellten mittelständischen Bedingungen: Die Verantwortung für die Umsetzung liegt unmittelbar, d.h. nicht nur formal über den Vorsitz im Lenkungsausschuss, beim Chef bzw. dem Top-Management. Sie dürfen die Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht einer Beratungsfirma überlassen, der sie ihre Glaubwürdigkeit nicht übertragen können; die diese aber ankratzen kann. Gleichzeitig ist die Nähe zur Belegschaft auch ein kritischer Erfolgsfaktor, wenn in –unvermeidlichen– Konfliktsituationen eine offene Diskussion gewährleistet werden und auf einen unverstellten und kritischen Blick nicht verzichtet werden soll. Nur erfahrene externe Projektmanager mit nachgewiesenen Erfolgen im operativen Geschäft können als Projektregisseure die Intendanz unterstützen.
Deren Professionalität wird bei Mittelständlern nur Hands-on zum Erfolg. Großunternehmen entscheiden sich i.d.R. für Beratungsgesellschaften, deren Management-Design zur entpersönlichten Unternehmensstruktur in Konzernen auch besser passt. Doch nicht die Struktur des Projektmanagements, sondern die Nähe der Projektmanager zu den Beteiligten und deren Vertrauen zu Veränderungen unterscheiden mittelständisch geprägte von Projekten in Großunternehmen. Glaubwürdigkeit und Wandlungsfähigkeit sind Stärken mittelständischer Unternehmen. Das sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. Das Projekt-Design von Beratungsgesellschaften spiegelt gewissermaßen die Unternehmenskultur von Großkonzernen.
Widerstand bei Veränderungsprozessen ist selten die unmittelbare Folge einer schlechten Dramaturgie, sondern geht als verständliches Unbehagen angesichts der realen Bedrohung des Ist-Zustandes dem Kick-Off bereits voraus. Diese Beobachtung mache ich in allen Unternehmensformen und –größen. Sollte wider alle Erwartungen trotz signifikanter Veränderungen am komfortablen Ist-Zustand keine Abwehrhaltung bei den Mitarbeitern erkennbar sein, so stellt Christian Brauner von dem Beratungsunternehmen DETEGO schlicht fest, dass etwas „nicht normal“ sei. Die Qualität des Change Managers ist auch an dieser Stelle daran zu erkennen, dass er Widerstände als normal und damit Bestandteil jedes Veränderungsprozesses begreift und praktische Erfahrungen hat, mit diesen zu arbeiten und gerade dadurch voranzukommen. Der Umgang mit Widerstand hat in mittelständischen Unternehmen andere, ich behaupte bessere, Ausgangsbedingungen, Glaubwürdigkeit und den Willen zur Veränderung zu erhöhen oder zurückzugewinnen. Insbesondere in familiengeführten mittelständischen Unternehmen, bzw. den Unternehmen, die wie eine Familie sein wollen und daraus Ansprüche an ihren Umgang von Vorgesetzten und Mitarbeitern, aber auch deren Loyalität ableiten, sehe ich mehr Chancen als Grenzen eines Change Management, wenn die Stärke der internen Kommunikation und Fachkompetenz mit den Vorteilen externer Umsetzungs-Professionalität verknüpft wird. But: Your Company is not a Family – so stand es im Harvard Business Review. Dennoch bezeichnet Dirk Elsner das Gefühl der Zugehörigkeit als große Chance im Mittelstand. Und das ist neben Glaubwürdigkeit und dem Willen zum Wandel entscheidend für erfolgreiche Veränderungen.
Über einen Zweijahreszeitraum gesehen erleben immerhin 72 Prozent aller Mittelständler einen Veränderungsprozess.Ob mit drei magischen Punkten, vier Regeln, den Eckpunkten will, kann, soll, muss oder sieben Schlüsseln; die Anregungen zur Steuerung von Veränderungsprozessen sind ebenso zahlreich wie die Untersuchungen ihres Scheiterns. Und dennoch:fast 70% der Veränderungsprojekte erreichen nicht ihr Ziel, wenn eine Verbesserung der Kundenorientierung oder eine höhere Marktdurchdringung angestrebt wird. Die einem Erfolg vorausgehenden Funktions-Optimierungen und Prozessmuster-Wechsel scheitern, weil auf dem schmerzhaften Weg des Übergangs Schrittfehler und halbherzige Umsetzungen gemacht werden. Oder nicht zu Ende gegangen wird. Der kritischste Punkt eines Projektes ist meistens die Umsetzung. Der Satz erfahrener Projektmanager, das der Beginn eines Projektes über das Ende entscheidet, gilt nicht uneingeschränkt.
Während der Dauer eines Projektes büßen diese Unternehmen nach Schätzung befragter Manager durchschnittlich 43 Prozent an Produktivität ein. Dies ergab eine Studie der Personalberatung Mercuri Urval. Hinzu kommen die direkten und indirekten Kosten eines dann doch gescheiterten Veränderungsprozesses. Die Betrachtung der Opportunitätskosten ist mehrschichtig: Kein Projekt – Projekt mit/ohne externe Unterstützung – Beratungsgesellschaft oder Hands-on Projektmanager.
Im Teil 2 dieses Beitrages erzähle ich von den Schlüsselreizen erfolgreichen Change-Managements und dem Umgang mit Widerstanden
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*) Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen tätig.
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