Was ist eigentlich los mit der Mittelstandsfinanzierung? Die Bienen müssen überleben.

by Udo Stähler on 20. November 2014

Läuft’s nun oder klemmt es? Die Wirtschaftspresse schlagzeilt dazu:

  1. Banken schauen genauer hin. Was ja an sich nichts Schlechtes ist.
  2. Es kann eng werden für den Mittelstand. Weil die Banken hinschauen?
  3. Frohlocken, weil der Mittelstand jetzt Liquidität direkt vom Kapitalmarkt holen könne. Gleichzeitig
  4. Firmen gehen mit einem Puffer in die Krise
  5. Unternehmen horten Liquidität. Also viel Eigenkapital und viel Liquidität, die er sich am Kapitalmarkt dann nochmal holen kann?
  6. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen übersteigen die Kreditangebote die Nachfrage.

Bevor ich darstelle, dass wir einen zunehmend geteilten Markt für Mittelstandsfinanzierungen bekommen haben −was das eigentliche Problem für mittelständische Unternehmen geworden ist− werde ich dieses Knäuel von Schlagzeilen entwirren:

(1.) Banken schauen genauer hin: laut einer aktuellen Umfrage der Förderbank KfW berichten deutsche Wirtschaftsverbände, dass die Banken mehr Sicherheiten, höhere Risikoaufschläge und mehr Informationen verlangen. Nach meinen Beobachtungen können wir hier zwei Tendenzen, die auch parallel verlaufen können, festhalten: zum Einen gibt es durchaus Banken, die dem nachhaltigen Cash-Flow des Unternehmens und der Bewertung seines Geschäftsmodells eine größere Bedeutung geben als den Sicherheiten, zum Anderen wurde die schematische Risikobewertung der Marktfolge (Kreditbearbeitung) in Banken gerade durch die Anforderungen nach Basel III gegenüber dem eher an den wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten orientierten Risikoansatz des Vertriebes in den Vordergrund gedrängt. Hier rechne ich mit einer Kräfteverschiebung bei weiter rückläufigen Erträgen aus einem Kerngeschäft der Banken: dem klassischen Kredit (Vice versa bei steigenden Wertberichtigungen).

(2.) Es kann eng werden für den Mittelstand: Der Finanzdienstleister GE Capital kam zu dem Ergebnis, dass der deutsche Mittelstand deutlich mehr Umsatz machen und die Wirtschaft vorantreiben könnte, wenn er Mittel für Zukunftsinvestitionen leichter erlangen könnte. Mit dieser Aussage in Zeiten, da Unternehmen schon bei der Entscheidung für weitere Investitionen zurückhaltend sind, beißt sich die Katze in den Schwanz. Führt eine Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe dazu, dass das seit der Finanz- und Wirtschaftskrise

dramatisch gesunkene Vertrauen in diese Branche sich weiter verschlechtert oder ist die gewachsene Unsicherheit der mittelständischen Industrie über die Entwicklung der Nachfrage und Rahmenbedingungen trotz guter aktueller Verfassung die letztlich fatale Ursache für reichlich Eigenkapital und Liquidität, die nur die Bilanz verschönern, jedoch ungenutzt bleiben für wirtschaftliche Innovation?

(3.) Liquidität direkt vom Kapitalmarkt holen: Noch 2004 wurde erwartet, dass der Kapitalmarkt für den Mittelstand an Bedeutung gewinnt. 2009 wurde man nüchterner. Die nach dem Ausbruch der Finanzkrise „angeschlagene“ Mittelstandsfinanzierung erfuhr zwei Veränderungen:

  • auf der einen Seite haben Banken –ohne Erfolg– versucht, neue Finanzierungsmodelle, z.B. Mezzanine-Finanzierungen in ihr Portefeuille aufzunehmen,
  • auf der anderen Seite schlug die Stunde der bankenunabhängigen Finanzierungsalternativen.

 

Das Investmentbanking sollte eine weitere Säule der Mittelstandsfinanzierung neben z.B. Mittelstandsanleihe, Schuldschein und Factoring werden. Zugleich beobachten wir ein stärkeres Auftreten von Schattenbanken wie Geldmarktfonds, Hedgefonds oder Private-Equity-Gesellschaften.

Eine Umfrage von Deloitte in 2011 zur Mittelstandfinanzierung über den Kapitalmarkt kam zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich mehr Möglichkeiten gäbe, wenn –sehr diplomatisch formuliert– Emittenten und Investoren Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit als Anlage – und Finanzierungsprodukt haben. Auch die Ratingagentur S&P attestiert diesem Mittelstand eine solide Finanzierung. Weitere Erkenntnisse zur wirtschaftlichen Verfassung dieser Kundengruppe kann S&P nicht machen, da das kapitalmarktorientierte System der Ratingbewertung nur bedingt auf die Struktur mittelständischer Unternehmen übertragbar ist. In diesem Blog hat Dirk Elsner eine Studie der Commerzbank vorgestellt, die zeige, dass Unternehmen derzeit kaum Finanzierungsschwierigkeiten hätten. Der Blick dieser Untersuchung richtet sich auf die Gruppe kapitalmarktnaher Mittelständler, die in der Regel tatsächlich kein Finanzierungsproblem haben.

(4.) Firmen gehen mit einem Puffer in die Krise. Die robuste Verfassung des deutschen Mittelstandes hat –investitionsbereites und ungenutztes– Kapital geschaffen: Die Eigenkapitalquote, die 2002 erst bei durchschnittlich 17,4 Prozent lag, ist auf 26 Prozent gestiegen.

(5.) Unternehmen horten Liquidität: „Die Unternehmen sind verunsichert und halten sich wegen der enttäuschten Wachstumshoffnungen in Europa und der zahlreichen geopolitischen Risiken mit Investitionen zurück“, resümieren KfW-Forscher. Also lassen mittelständische Unternehmen lieber Geld liegen in Form von Sicht- und Termingeldern – statt Realinvestitionen vorzunehmen.

Die Katze beißt sich beim Thema Mittelstandsfinanzierung verdammt oft in den Schwanz. Setzten die Banken auf Sicherheiten oder der Mittelstand auf Sicherheit?

So stufen mittlerweile 38 Prozent der Unternehmer die Erhöhung der Eigenkapitalquote als wichtigstes Ziel der Unternehmensfinanzierung ein. Die Erhöhung der Eigenkapitalquote ist das Thema Nummer eins auf ihrer Agenda. „Der deutsche Mittelstand hat seine Lehren aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise gezogen“, sagt Britta Becker, Partnerin von Ernst & Young. Die Studie von Ernst & Young Wege zum Wachstum (2013) hat allerdings vor allem gezeigt, dass die Mittelständler sich nach den Erfahrungen mit ihren Banken in der Finanzkrise lieber auf sich selbst verlassen.

Der geteilte Markt für Mittelstandsfinanzierungen

(6.) Kreditangebote übersteigen die Nachfrage führt zurück zu meiner These, dass wir es mit einem geteilten Markt für Mittelstandsfinanzierungen zu tun bekommen. So übersteigt laut Thomas Duhnkrack, Vorstandsmitglied der DZ Bank, die Kreditbereitschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken als bedeutender Kreditversorger kleiner und mittlerer Unternehmen deutlich die Nachfrage. Einen Zusammenhang zu möglichen Aktivitäten der Wettbewerber in diesem Segment sehe ich –abweichend von Thomas Duhnkrack– nur teilweise, da nicht die „kleinen und mittleren Unternehmen“, sondern der Mittelständler von Deloitte oder S&P die Zielgruppe der größeren Geschäftsbanken ist.

Überschneidungen gibt es, doch sie sind nicht Grund der von Thomas Duhnkrack vermissten Nachfrage nach Krediten der Volks- und Raiffeisenbanken. Die kleinen und mittleren Unternehmen haben die großen Geschäftsbanken längst in der schillernden Sparte „Geschäftskunden“ abgelegt, wo sie die standardisierte Bearbeitung des Retail-Segments erleben. In dieser Schnittmenge und im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen liegen Chancen. Im April dieses Jahres hatte ich geschrieben, dass der Mittelstand ein Prinzip der Wertschöpfung ist. So vermeiden wir, dass Größe (nach Umsatz oder Mitarbeiter oder etc.?), Führungsprinzip (Familie oder Manager) oder der Zugang zum Kapitalmarkt entscheidet. Und er ist das filigrane Geflecht zu Sicherstellung der komplexen Produktionsprozesse großer Unternehmen. Dienstleister, die an der Wertschöpfung der industriellen Produktion partizipieren, gehören dazu.

Dieser Mittelstand muss auf Augenhöhe mit seinem Finanzdienstleister verhandeln können, was bei ihm hierfür zusätzliche Expertise und bei den Banken mehr Verstand für das Prinzip der mittelständischen Wertschöpfung erfordert. Sie kämen zu besseren Ergebnissen –so noch einmal mit Deloitte− wenn

Emittenten und Investoren Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit als Anlage – und Finanzierungsprodukt (hätten).

Wenn diese beiden Schritte nicht gelingen, wird ein wichtiges Element der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung nicht mehr Teil der Mittelstandsfinanzierung sein. Mit allen Konsequenzen. Irgendwie ist es wie mit den Bienen.

 

 

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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager, der über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen, zuletzt bei einem Property und Asset Manager, tätig war. Er ist Partner der High Professionals und der RE² Real Estate Executives.

 

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