Wirkungslose Geldpolitik der EZB: Unendliche Liquiditätsfalle

by Dirk Elsner on 7. März 2016

In dieser Woche erwarten viele Marktbeobachter eine erneute Lockerung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, im “Idealfall” eine weitere Zinssenkung, die Ausweitung der Wertpapierkäufe und neuen Billigkredite für Geschäftsbanken. Ich habe mich hier länger nicht mit der aktuellen Geldpolitik befasst, komme mir aber mittlerweile vor, wie in dem Film “Täglich grüßt das Murmeltier”. Seit Jahren gleichen sich die Erwartungen an die Wirkung der Geldpolitik mit bislang wenige Effekten für die Realwirtschaft.

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Trotz Niedrigzinsen keine Investition

Ich schrieb Ende 2014:

“Verfolgt man die aktuelle öffentliche Debatte über die Geld- und Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), dann fällt auf, welche große Hoffnungen an die EZB geknüpft werden. Die Niedrigzinspolitik, das Aufkaufprogramm für Wertpapiere und selbst der Bankenstresstest sollen endlich die Kreditvergabe in Europa ankurbeln.

Nun wurden gerade letzte Woche erneutDaten veröffentlicht nach denen die Banken in der Eurozone immer weniger Kredite an Unternehmen und Privathaushalte vergeben. Die EZB, so dämmert es, kann einerseits allein die Probleme der mangelnden Investitionskreditvergabe durch die Banken nicht lösen, andererseits benötigen viele Unternehmen nicht einmal Kredite, weil sie in Liquidität baden können.”

Irrelevanz der Geldpolitik

Was will die EZB mit ihrer Geldpolitik erreichen? Sieschrieb im vergangenen Jahr dazu:

“In einem Umfeld, in dem die Leitzinsen der EZB ihre Untergrenze erreicht haben, schaffen Ankäufe von Vermögenswerten monetäre Anreize für die Wirtschaft. Sie bewirken eine weitere Lockerung der monetären und finanziellen Bedingungen, sodass Unternehmen und private Haushalte günstiger Finanzmittel aufnehmen können. Dies stützt tendenziell die Investitionen und den Konsum, was letztendlich dazu beiträgt, dass sich die Teuerungsraten wieder dem Niveau von 2 % annähern.” (Unterstreichungen durch mich).

In ähnlicher Weise wird die EZB auch in dieser Woche ihr überholtes Narrativ über geldpolitische Maßnahmen und den geldpolitischen Transmissionsmechanismus wiederholen. Der lautet bekanntlich: Wenn die Zinsen gesenkt werden und die Geldmenge erhöht wird, dann stehen den Banken mehr Mittel zu günstigeren Konditionen für die Kreditvergabe zur Verfügung. Diese würden sie dann zu verbesserten Konditionen an die Realwirtschaft weitergeben. Für die Realwirtschaft lohnen sich nun Investitionen mehr, weil sie leichter und zu besseren Konditionen an Kredite kommen. So investieren Unternehmen mehr und kurbeln die Wirtschaft an. Warum stets ignoriert wird, dass diese Erzählung nicht mehr funktioniert, ist mir schleierhaft.

Vor vier Jahren schrieb ich hier über die “Irrelevanz der Geldpolitik wegen der abnehmenden Bedeutung der Bankkredite?”. Ich fragte mich damals, ob nicht die Wirkung geldpolitischer Instrumente viel zu sehr überschätzt wird. In der Summe sind die Probleme in Europa, die den geldpolitischen Transmissionsmechanisus (Details dazu unten) wirkungslos machen, gleichgeblieben

  1. Die Unternehmen, die Kredite benötigen und damit investieren würden. Hier muss man aber festhalten, dass die Kredithürde für Unternehmen in Deutschland in den letzten Jahren deutlich gesunken ist (Übersicht und aktueller Stand hier).
  2. Die Unternehmen, die aufgrund ihrer Bonität Kredite erhalten würden, wollen sie nicht, weil sie in Liquidität schwimmen und sich mit Investitionen aus verschiedensten Gründen zurückhalten.

Ja, die Wirkung der Geldpolitik wurde und wird weiter überschätzt. Robert Halver schrieb für die Börsenblogger:

“Unverkennbar ist doch, dass nicht nur die Eurozone ein konjunkturelles Problem hat, das geldpolitisch offensichtlich nicht geheilt werden kann. Deflationsdruck und weltwirtschaftliche Konjunkturschwäche halten sich hartnäckig wie Kaugummi am Schuh. Hat die Geldpolitik also in Bausch und Bogen versagt oder kann irgendetwas zu ihrer Ehrenrettung beitragen?”

Und trotzdem scheinen sich viele an weitere Maßnahmen der EZB zu klammern. Halver erwartet, dass der Einlagenzins für Banken von minus 0,3 auf minus 0,4, wenn nicht sogar minus 0,5 Prozent gesenkt wird und gleichzeitig die monatlichen Anleiheaufkäufe um bis zu 20 Mrd. Euro monatlich ausgeweitet werden.

Die Nachfrage-Seite will nicht so, wie die EZB. Wir stecken seit Jahren in dem fest, was die Lehrbücher Liquiditätsfalle nennen. Investitionsentscheidungen hängen von Absatzpotenzialen bzw. Ertragserwartungen ab. Die Kreditzinsen sind hier nur ein kleiner und offenbar irrelevanter Faktor.

Angesichts der Wirkungslosigkeit der Geldpolitik sollte man sich eher über die Nebenwirkungen des Programms Gedanken machen.

Hintergrund Wirkungmechanismen der Geldpolitik

Ein zentrales Kernelement des Wirkungsmechanismus der Geldpolitik ist die Kreditversorgung der Realwirtschaft durch den Banksektor. Banken sollen von der Zentralbank zur Verfügung gestelltes Geld und Zinssenkungen vor allem an die Kreditnehmer der Realwirtschaft weitergeben, um so die Investitionsneigung und damit die Konjunktur beflügeln.

Die Österreichische Nationalbank hat das einmal so erklärt:

Aufgrund des Einflusses, den die Geldpolitik auf die Finanzierungsbedingungen (nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Verfügbarkeit von Krediten oder die Bereitschaft der Banken, bestimmte Risiken einzugehen) in einer Volkswirtschaft ausübt und auch aufgrund ihres Einflusses auf Konjunktur- und Inflationserwartungen kann die Geldpolitik auf Güterpreise, Vermögenspreise, Wechselkurs sowie auf Konsum und Investitionen einwirken.

Eine Zinssenkung trägt zum Beispiel zu einer Verringerung der Kreditkosten bei, die zu höherer Investitionstätigkeit sowie zum Kauf langlebiger Güter führt. Die Erwartung eines Konjunkturaufschwungs kann die Banken auch dazu veranlassen, ihre Kreditvergabepolitik zu lockern, was wiederum dazu führt, dass Unternehmen und Haushalte ihre Ausgaben erhöhen können. Bei niedrigeren Zinssätzen werden Aktien attraktiver, sodass das Vermögen der Haushalte steigt, was ebenfalls zu höheren Konsumausgaben beiträgt, während für Unternehmen die Attraktivität ihrer Investitionsprojekte zunimmt. Ein niedrigerer Zinssatz führt tendenziell auch zu einer Abwertung der Währung: Wenn importierte Güter teurer werden, steigt die Nachfrage nach inländischen Gütern. Alle diese Faktoren bewirken höhere Produktion und Beschäftigung sowie höhere Investitions- und Konsumausgaben. Wenn Güter- und Arbeitsmärkte ausgelastet sind, kann jedoch diese erhöhte Nachfrage ein Ansteigen der Preise und Löhne zur Folge haben.

Die genauere Art und Weise, wie sich geldpolitische Entscheidungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen und das Preisniveau im Besonderen auswirken, wird geldpolitischer Transmissionsmechanismus genannt. Die einzelnen Verbindungen, über die diese geldpolitischen Impulse übertragen werden, werden als Transmissionskanäle bezeichnet. Die wichtigsten geldpolitischen Übertragungswege (Transmissionskanäle) sind in der Abbildung vereinfacht und schematisch dargestellt.”

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