Halleluja für Monte dei Paschi

by Dirk Elsner on 9. Januar 2017

Wir haben das vorvergangene Silvesterwochenende in Rom verbracht, eine sehr besuchenswerte Stadt, wenn man auf antike und Kirchengeschichte steht. Am Silvesterabend selbst schlenderten wir durch die Fußgängerzone und lauschten in der Via delle Muratte einigen Straßenmusikern, die wirklich gute Musik machten und für Stimmung auf der Straße die Menschenmassen anzogen. Eine Gänsehaut bekam ich, als das Trio den Klassiker Halleluja von Leonard Cohen anstimmte (siehe folgenden Ausschnitt).

Danach spielte er den Song Losing my Religion von R.E.M. Während des Songs drehte ich um nach hinten und da schaute ich direkt auf den Schriftzug “Monte dei Paschi Di Siena”. Wir standen am Eingang einer Niederlassung der ältesten Bank der Welt, die ihren Hauptsitz in Siena hat.

Am Tag zuvor war mir in der italienischen Hauptstadt aufgefallen, dass vor einer Niederlassung der Bank mehr bewaffnetes Sicherheitspersonal patrouilliere als vor öffentlichen Gebäuden und Botschaften. Ich gehe nicht davon aus, dass die unbekannten Musiker ihr Hallelujah für die Bank sangen. Das war auch nicht mehr nötig, denn nach Medienberichten bereitet die italienische Regierung die “Rettung” der Bank vor. Dazu soll der italienische Staat für Anleihen garantieren, die die Bank zur Refinanzierung begibt. Die Stuttgarter Nachrichten weisen darauf hin, dass noch ungewiss ist, wie genau die Rettung aussehen soll. Kurz gab es eine Liquiditätsspritze des Staates.

Eigentlich sollte es das nach dem Willen der Europäischen Union gar nicht geben. Die EU-Kommission ist aber nach Bericht der NZZ grundsätzlich einverstanden mit einer Staatshilfe.

Überraschend ist das nicht, vorgesehen ist das freilich erst recht nicht. In einem auch von mir (z.B. hier und hier) kritisch begleitetem Verfahren zur europäischen Bankenunion gibt es basierend auf einer EU-Richtlinie neue Regeln zur Bankeninsolvenz bzw. Restrukturierung. Ziel ist es, Schieflagen von Instituten künftig bewältigen zu können, ohne die Finanzstabilität zu gefährden und Steuergelder einzusetzen. Neben Regelungen zum Bankentestament, also der Abwicklung eines Instituts, sind dabei auch weitreichende Sanierungs- und Frühinterventionsmaßnahmen geplant, die spätestens seit 1.1.2015 anzuwenden sind (siehe dazu im Detail mit den rechtlichen Grundlagen diesen Fachartikel der Bafin). Die BaFin selbst schreibt:

“Ziel ist es, dass Schieflagen von Instituten künftig bewältigt werden können, ohne die Finanzstabilität zu gefährden und Steuergelder einzusetzen.”

Tobias Piller kritisierte für die FAZ das Verfahren, weil dadurch gefährliche Anreize gesetzt würden und die Versuchung für Banken bestehen bleibe, einfach weiterzumachen wie bisher. Das Handelsblatt spricht von einem unrühmlichen Präzedenzfall. Der Bonner Ökonom Martin Hellwig hatte im Sommer seine Zweifel an Gläubigerhaftung erneuert und entsprechende EU-Regeln als „unrealistisch“ bezeichnet.

Der Umgang mit der Monte dei Paschi passt zu den vom Sachverständigenrat geäußerten Zweifel an der umfassenden Bankenprüfung durch die EZB mit Asset Quality Review und Stresstest (siehe Details dazu vom Sachverständigenrat 2014). Danach soll es bei der Bank “nur” eine Kapitallücke von 2,1 Mrd Euro gegeben haben. Jetzt soll der italienische Staat laut Handelsblatt rund 6,6 Milliarden Euro aufbringen.

Leider muss man nun erneut feststellen, dass selbst neun Jahre nach ihrem Ausbruch die Finanzkrise und europäische Bankenkrise nicht beendet ist. Für mich ist die Bankenkrise genau dann beendet, wenn

  1. der Finanzsektor alle erhaltenen Hilfen zurückgezahlt hat und
  2. sichergestellt ist, dass Banken keine direkten oder indirekten Subventionen mehr erhalten.

Zum derzeitigen Stand der im Zuge der Finanzkrise noch ausstehenden Staatshilfen per 2014 siehe diese Übersicht der EU-Kommission. Auch wenn diese Daten nicht ganz aktuelle sind, zeigen sie doch, dass wir noch immer weit von einer Gesundung des Finanzsektors entfernt sind.

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