Warum ich die Bankenkrise nicht für beendet halte

by Dirk Elsner on 19. November 2013

Heute Abend haben wir unseren Hangout zur Bankenkrise und der Frage: “Lässt sich die Bankenkrise beenden?”. Mit der Fragestellung unterstellen wir, dass die Krise der Banken noch nicht zu Ende ist.

Thrill The World Vancouver 2011

Zombie-Banker? Auf der Thrill The World Vancouver 2011
(Quelle: flickr/Vancouver Film School)

Wenn man einen Banker fragt, ob nach seiner Meinung die Bankenkrise beendet ist, wird er erst einmal nach einer Krisendefinition fragen. Im Zweifel erklären die meisten Banken zumindest für sich selbst die Bankenkrise für beendet.

Für mich ist die Bankenkrise genau dann beendet, wenn

  1. der Finanzsektor alle erhaltenen Hilfen zurück gezahlt hat und
  2. sichergestellt ist, dass Banken keine direkten oder indirekten Subventionen mehr erhalten.

Zu 1.

Viele mögen es verdrängt haben, aber noch steigen in Europa die Beträge für die Stützung des Finanzsektors. Martin Hess, der Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung, schrieb auf finews:

  • Fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise stiegen die neu bewilligten Gelder auf 429,5 Milliarden Euro und erreichten 2012 den höchsten Stand seit 2009. Weitere Zahlen lassen ähnlich erschauern.
  • Insgesamt wurden zwischen 2008 und 2011 Staatshilfen im Wert von sagenhaften 4’656 Milliarden Euro bewilligt. Mit 1’612 Milliarden Euro wurde gut ein Drittel davon – oder rund 13 Prozent des BIP – beansprucht.
  • Bis Ende 2012 wurden 10 bis 15 Prozent aller Banken in der EU staatliche Beihilfen gewährt, unter der Auflage einer Restrukturierung. Werden die Banken nach der Grösse ihrer Bilanz gewichtet, schnellt dieser Anteil sogar auf 25 Prozent.
  • In vier Ländern ist der Bankensektor faktisch verstaatlicht. Ein Viertel der 76 grössten Bankengruppen in der EU waren gemäss IWF grösstenteils oder vollständig in Staatsbesitz.

Im Dezember diesen Jahres wird voraussichtlich auf dieser Seite der EU-Kommission ein Update der Beihilfen auch für den Finanzsektor erhältlich sein. 2012 notierte die EU-Kommission hier 5.058,9 Mrd. Euro. Gerade erst im September genehmigte die EU Staatshilfen für Hypo Alpe Adria.

Zu 2.

Neben den offiziellen Hilfen kommen die indirekten Subventionen, vor allem dadurch, dass notleidende Großbanken, die too big to fail sind, weiterhin vom Staat gerettet werden müssen. Martin Hellwig und Anat Admati zeigen in ihrem unbedingt lesenswerten Buch “Des Bankers neue Kleider” (Kapitel 9) , dass “die verschiedenen expliziten und impliziten staatlichen Garantien für Banken sowie das Steuersystem die Schuldenfinanzierung besonders attraktiv” machen. 

Hellwig und Admati sehen eine wesentliche Ursache der Bankenkrise in der extrem hohen Verschuldung der Banken.  Die impliziten Staatsgarantien stellen Subventionen dar und machen die Schuldenfinanzierung noch attraktiver.  Mit den Kosten der faktischen (oder impliziten) Staatsgarantie für Kreditinstitute habe ich mich in diesem Blog mehrfach befasst, z.B. “Die Kosten der faktischen Staatsgarantie für Kreditinstitute”. In The implicit subsidy of banks wies die Bank of England darauf hin.  Das Financial Stability Board wies in einer aktuellen Analyse auf die Subventionen hin:

“The implicit government guarantee that arises when public authorities are perceived to have limited options in dealing with a threatened failure of a financial institution, leading them to bail it out and pass on the costs of failure to taxpayers, provides a public subsidy to TBTF firms in the form of lower funding costs and adversely affects market discipline, competition, systemic risk and public finances. “

Gerade erst vergangene Woche hat sich in den USA das “Banking Committee” des Senats in einer Anhörung  mit Janet Yellen mit der noch immer nicht ausgestandenen too-big-to-fail Thematik befasst. Time schrieb dazu:

“Senators from both sides of the aisle expressed concern that we still haven’t dealt with the problem of too-big-too fail, and the subsidy big banks get from lenders who assume that they will bailed out by the federal government if anything goes wrong.”

Der American Banker schrieb am Freitag zu den indirekten Subventionen für den Finanzsektor:

“The first of two anticipated studies from the Government Accountability Office has found that (surprise!) big financial firms benefited from U.S. aid during the crisis in the forms of lower rates and longer maturities. The GAO didn’t attach a dollar amount to these subsidies. A second GAO study, due out next year, is expected to examine how big banks benefit from the market’s assumption that the government will bail them out of a crisis. Wall Street Journal, Bloomberg, American Banker” (Die Studie gibt es hier)

Hier in Europa sorgen derweil die neuen Aufsichtsaktivitäten der EZB für Unruhe im Finanzsektor. Ich hatte bereits Ende Oktober geschrieben:

“Glaubt man den Ausführungen der EZB zum Banken-TÜV, dann ist die Bankenkrise weiter nicht ausgestanden. Zumindest bestätigt die EZB nun amtlich, was jeder weiß, die Banken jedoch (logischerweise) nicht eingeräumt haben: Trotz permanenter Beteuerungen hat es in der Zeit nach Lehman keine Fortschritt in Richtung Vertrauen und Transparenz gegeben hat. Erst mit der Vorbereitung der Aufsichtsfunktion durch die EZB für 128 Banken sollen “Transparenz, Korrekturen und Vertrauensbildung” gefördert werden.”

Der Finanzsektor selbst hat hinter verschlossenen Türen seine Skepsis zum geplanten Stresstest der EZB geäußert, las man vergangenen Freitag in der Printausgabe des Handelsblatts (siehe aber bereits Ende Oktober). Danach fürchte man, dass bereits vor der offiziellen Veröffentlichung Ergebnisse durchsickern können und dies Turbulenzen an den Finanzmärkten auslösen könne. Der Verband öffentlicher Banken möchte gar eine Verschiebung bewirken.

Überhaupt deuten die umfangreichen Aktivitäten der EZB zur Vorbereitung ihrer Finanzaufsicht für “systemrelevante” Institute, dass sie erhebliche Zweifel an den Bilanzdaten der Banken hat. Warum sonst sollte sie die Abschlüsse erneut prüfen lassen? Diese Zweifel bestätigt unterstreicht ein Bericht der FAZ über eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young: Auf Europas Banken lasten so viele faule Kredite wie nie.

PS

Die Lösung des CEO der Deutschen Bank gegen die Bankenkrise ist übrigens ultra einfach. Er hat gestern die Too-big-to-fail-Problematik für unsinnig erklärt.  Das Konzept von „Too big to fail“ „klingt gut, ist nur völlig daneben“, wetterte Fitschen. Es sei an der Zeit damit aufzuhören, „diesen Unsinn zu wiederholen“. Besser, so zitierte ihn das Handelsblatt,  sei es doch einmal über „too strong to fail“ reden, also darüber, dass manche Banken so stark sind, dass sie gar nicht erst in Schieflage geraten. „Größe kann Teil der Lösung sein“, argumentierte Fitschen. Als Beweis für seine These führt er an, dass eine Bank wie JP Morgan Handelsverluste bis zu 6 Mrd. Euro hätte verkraften können.

mister-ede November 20, 2013 um 15:39 Uhr

Widerspruch:
1. Die Einlagensicherung ermöglicht auch kleineren Banken eine Sicherheit wie eine große Bank zu haben. In einer Marktwirtschaft gibt es Gewinner und Verlierer, aber es ist im Sinne der Staatsstabilität nicht gewollt, dass Banken insoweit Pleite gehen, dass Privatanleger betroffen sind. Diese Unsicherheit würde wesentliche Kosten bedeuten, da alle (Private, Unternehmen, Institutionen) immer Risiken miteinpreisen müssten. Ähnliches gilt z.B. auch für private Renten- oder Lebensversicherungen.
2. Der Ansatz der Risikoadjustierung der Aktiva macht Sinn, um besonders riskante Strukturen und Geschäfte zu minimieren. Die Leverage-Ratio macht Sinn um Allgemein, risikounabhängig mehr Eigenkapital in die Banken zu bringen. Außerdem macht es Sinn die Anforderung nach der Systemrelevanz zu staffeln, wie das aber auch jetzt schon geschieht. Systemrelevante Banken haben ja höhere Anforderungen zu erfüllen als kleine Banken.

mister-ede November 20, 2013 um 15:21 Uhr

Wenn ich die Reportage der ARD* richtig verstehe, dann wäre die Deutsche Bank ohne die amerikanische Bankenrettung schlicht Pleite gewesen. Die geretteten US-Banken konnten zweistellige Milliardenbetrag an die Deutsche Bank überweisen, weil sie zuvor vom US-Steuerzahler gerettet wurden.

* http://www.ardmediathek.de/rbb-fernsehen/dokumentation-und-reportage/staatsgeheimnis-bankenrettung?documentId=17619360

Prinzipiell stimme ich Ihnen zu, dass die Bankenkrise bei weitem noch nicht überwunden ist. Ich will aber sagen, dass man zumindest kleine Schritte in die richtige Richtung geht. Basel III oder auch die Leverage Ratio sind zu nennen.

Für mich fehlt aber vor Allem:
1. Ein europäischer Bankenabwicklungsmechanismus, der von den Banken mit einer Art Versicherungsbeitrag aufzufüllen ist. Der Topf soll also regelmäßige Einnahmen durch die Versicherungsleistung aufweisen, die umgekehrt ja den versicherten Banken auch höhere Bonität und damit niedrigerer Zinskosten bringt.
2. Eine Finanzmarktsteuer um insgesamt den Handel von Finanzprodukten aller Art einer Besteuerung zu unterziehen (Ein Betrag zwischen 0,1 und 0,01% reicht mir da ja schon). Und wenn dann Geschäfte verschwinden, behaupte ich, sind das keine Geschäfte die ich unbedingt in der Euro-Zone haben möchte. Das Finanzwesen und der Euro sollen kein Selbstzweck sein, sondern die Realwirtschaft unterstützen und damit zur Wohlstandsförderung beitragen.

Radoslav Albrecht November 19, 2013 um 13:05 Uhr

Ihre genannten Punkte sehe ich genauso. Es stellt sich aus meiner Sicht vor allem die Frage, wie Punkt 2. in Zukunft sichergestellt werden soll.

Warum sind Banken too big to fail? Weil die Pleite einer Bank weitere Banken und Unternehemen mitreißen kann. Wenn der Frisörbetrieb um die Ecke pleite geht, wird er (zu recht) nicht staatlich gestützt. Er ist zu klein um ernsthaften Schaden bei seinen Kunden und Geschäftspartnern anzurichten. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Schaden kann sein Bankrott verursachen. Bei Banken ist dieses Problem durch Kontrahentenrisiken verstärkt.

Um (implizite) Subventionen überflüssig zu machen, müssten Banken deutlich kleiner sein. Basel III und weitere Initiativen gehen hier genau in die falsche Richtung. Je mehr Regulierung den Banken auferlegt wird, desto mehr machen sich Skaleneffekte bemerkbar. Kleinere Banken werden aufgrund des hohen Aufwands bei der Einhaltung der Regulierung vom Markt gedrängt, größere werden größer. Je mehr Auflagen Banken aufgrund von regualtorischem Aktionismus und missverstandenem Verbraucherschutz bekommen, desto schwieriger wird es für kleinere Wettbewerber.

Die zusätzliche Aufsicht sytemrelevanter Institute wird bestenfalls höhere Bürokratiekosten verursachen. Das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Das ginge nur, wenn man die Bedingungen für mehr Wettbewerb verbessern würde.

Als Beispiel eine provokante These: die Einlagensicherung führt dazu, dass die Bankkunden nicht hinschauen, mit welcher Bank sie Geschäfte machen. Die Einlagen sind ja sicher. Was mit den Einlagen auf der Aktivseite passiert, ist dem Kunden deshalb verständlicherweise völlig egal.

Ohne Gebühren für die gesetzliche Einlagensicherung wäre der Betrieb einer Bank deutlich günstiger (=mehr Wettbewerb). Und noch viel wichtiger, möglicherweise würde das dazu führen, dass einige Banken auf Druck ihrer Kunden wieder die goldene Bankregel befolgen – fristenkongruente Refinanzierung (nein, weder das Abendland noch die Finanzwelt würde ohne massive Fristentransformation untergehen). Die Finanzierung von langfristigen Aktivposten mit kurzfristigen Geldern war einer der Hauptgründe warum Lehman pleite gegangen ist.

Die mächtigste Gruppe, die Banken zu einer Verhaltensänderung bewegen kann, sind die Kunden und nicht der Staat. Solange den Kunden aufrgund von hohen Eintrittsbarrieren kein größeres Angebot an Dienstleistern zur Verfügung steht und solange keine Anreize vorhanden sind die eigene Bank zu geringerer Risikoaufnahme zu bewegen, wird sich substantiell nichts ändern.

Dirk Elsner November 19, 2013 um 14:05 Uhr

@Radoslav Albrecht
Das mit der Überregulierung sehe ich übrigens exakt genau so. Sie führen zu größeren Einheiten und behindern neue Wettbewerber.
In Zukunft sollen acht (in Ziffern 8) Aufsichtsbehörden (dazu demnächst mehr über die Stabilität des Finanzsektors wachen.
Ich kenne viele der umzusetzenden Maßnahmen aus Projekten und kann nur bedingt den Sinn im Hinblick auf die Finanzmarktstabilität erkennen.

Die Vorschläge von Hellwig und Admati würden viele Vorschriften überflüssig machen und die Stabilität deutlich erhöhen.

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