In diesen Monaten, in denen die Konjunktur rauer zu werden scheint, befassen sich viele Unternehmen mit der Frage, mit welcher Strategie jetzt reagiert werden muss. Uns werden wieder viele Publikationen mit zahlreichen Vorschlägen erreichen. Die American Marketing Association hat bereits ermittelt, wie Unternehmen in Abschwungsituationen reagieren.
In den Publikationen werden unzählige Ansätze zur Neu- oder Umorganisation von und in Unternehmen vorgestellt werden. Der interessierte oder gar unter Druck seiner Stakeholder stehende Manager steht angesichts der vielen Konzepte vor der Frage, welcher Methode er den Vorzug geben soll.
Bereits 2004 hat Müller-Stewens in einem Beitrag Harvard Business Manager (Oktober 2004) festgestellt, dass der Zusammenhang zwischen Methodeneinsatz und Erfolg von Unternehmen schwierig zu messen ist. Daher sei hier vor einem voreiligen Strategiewechsel gewarnt.
Die Wissenschaft steht vielen Konzepten, die Beratungsgesellschaften und Managementgurus präsentieren, skeptisch gegenüber. So lautet ein Vorwurf, häufig handele es sich bei neuen Methoden um pauschalisierende Ansätze, die ihre Vorzüge lediglich mit Hinweisen auf andere Schlagworte wie Verschlankung, Konzentration auf die Kernkompetenzen, Marktdruck, Globalisierung etc. begründen. Besonders bedenklich sind dabei Darstellungen über Erfolgsbeispiele in der Praxisliteratur aus laufenden oder gerade erst abgeschlossenen Reorganisationen, die eine kritische Bewertung bereits aus zeitlichen Gründen verbieten. „Methodenerfinder“ und Berater können sich so leicht einer kritischen Betrachtung entziehen, weil die intersubjektive Nachvollziehbarkeit häufig gar nicht möglich ist.
Was bedeutet das nun für die Praxis: Sollen wir erst warten, bis die Wissenschaft einen gesicherten Beweis für eine Methode hat? Nein, denn bis dahin hat uns der Wettbewerb längst aus dem Markt gekickt. Müller-Stewens fällt zu Recht auf, dass sich gerade die einfachen Methoden am Markt durchgesetzt haben, weil sie helfen, die interne Diskussion über die Strategie zu systematisieren und vor allem zu disziplinieren. Sie haben sich nicht deswegen durchgesetzt, weil die Wissenschaft ihnen eine empirische Erfolgsrelevanz bescheinigt, sondern weil sie beitragen, ein häufig in der Praxis anzutreffendes „management by muddling through“ bzw. „management by personal interest“ vernünftig zu strukturieren.
Von der Agency Theorie haben wir gelernt, dass die von Adam Smith geforderte Nutzenmaximierung nicht immer einhergeht mit dem Unternehmensinteresse und Manager und Mitarbeiter gerne auch an sich persönlich denken. Dieser Typus mag nicht die Struktur von Methoden, weil sich eigene Interessen nicht mehr hinter Floskeln verbergen lassen. Mit der Konzeptvielfalt und häufigen Strategiewechsel ist es nämlich einfach geworden, zu jeder noch so fragwürdigen Entscheidung eine passende Aussage in der praktischen Managementliteratur zu finden.
Damit besteht ein entscheidendes Fundament für den Methodenerfolg in der Kompetenz des Top-Managements, eine Methode nicht nur konsistent einzuführen und sie nachzuhalten sondern sich auch daran messen lassen.
Was bedeuten diese Aussagen für die aktuelle Lage? Hat ein Unternehmen eine durchdachte Strategie entwickelt, die bisher erfolgreich war, dann sollte es jetzt nicht voreilig wechseln und das Unternehmen ohne Not umkrempeln. Es sollte aber prüfen, ob die Rahmenbedingungen, unter denen die Strategie entwickelt wurde, noch Bestand haben. Eine gute Strategie darf nicht nur für Schönwetterperioden entwickelt sein sondern muss auch unter Krisenbedingungen belastbar sein.
Hat ein Unternehmen keine durchdachte Strategie oder -was auch häufig der Fall ist- nur eine Alibistrategie um bestimmten Stakeholdern zu gefallen, dann wird das Management sich ein oder mehrere Wochenenden Zeit für eine Strategieentwicklung nehmen müssen. Wenn aber gerade die Kosten explodieren, die Umsätze einbrechen oder die Kapitalgeber den Druck erhöhen, dann ist dies nicht der richtige Zeitpunkt für eine Strategieentwicklung sondern eher für Krisenmanagement.
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