Von der Inflation zur Deflation?

by Dirk Elsner on 4. Dezember 2008

geld money € euro 07

Bekommen wir viel oder wenig für unser Geld?

Vor wenigen Monaten fürchteten sich die Volkswirte noch vor den Gefahren der Inflation. Nun hat sich der Wind gedreht und die Deflationsängste werden geschürt. Der folgende Beitrag von Georg Erber aus der Readers Edition klärt auf über Hintergründe und Wirkung einer Deflation.

Die jüngsten Zahlen über die Entwicklung des Verbraucherpreisindex sowohl in den USA und Europa insbesondere auch in Deutschland zeigen einen ungewöhnlich starken Rückgang der Inflation. Diese Disinflation ist solange wünschenswert wie sie die überdurchschnittliche Inflationsentwicklung von deutlich über 2%, insbesondere ausgelöst durch die rapiden Rohstoffpreissteigerungen des letzten und dieses Jahres, als Ursachen für einen zuvor ungewöhnlichen starken Inflationsanstieg beseitigt.

Die Rohstoffpreisblasen insbesondere auch bei Energieträgern wie Rohöl haben kurzfristig die Verbraucherpreise über das im allgemeinen gewünschte Niveau von etwa 2% Prozent ansteigen lassen. Mithin bildet sich derzeit zunächst nur der entsprechende Preisverfall bei den Rohstoffpreisen auch im Verbraucherpreisindex erwartungsgemäß ab. Das positive an dieser Entwicklung ist, dass dieser Rückgang der Inflation das reale verfügbare Einkommen der Haushalte ansteigen lässt. Damit wirkt die derzeitige Entwicklung wie ein Konjunkturprogramm analog einer Mehrwertsteuersenkung.

Warum Angst vor einer Deflation?

Mit Deflation im Unterschied zu einer Disinflation wird ein absoluter allgemeiner Preisrückgang der Verbraucherpreise bezeichnet. Mithin würden auf breiter Front die Verbraucherpreise insgesamt sinken. Diese Situation war zuletzt insbesondere in Japan nach dem Zusammenbruch der Immobilienspekulationsblase zu Beginn der1990er Jahre, aber auch in der VR China für einige Zeit nach der Asienkrise charakteristisch. Deflationserwartungen wirken sich jedoch tendenziell dahingehend aus, dass nicht nur aktuell ihre Waren und Dienstleistungen billiger als zuvor einkaufen können, sondern diese Entwicklung für einen längeren Zeitraum in die Zukunft fortgeschrieben wird. Die Verbraucher können durch Konsumzurückhaltung zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich insbesondere langlebige Konsumgüter billiger kaufen. Diese Erwartungshaltung verstärkt tendenziell die Konsumschwäche, die im Zuge einer Rezession wie sie sich derzeit abzeichnet, eine Verstärkung der Kontraktion der Wirtschaft herbeiführt.

Nicht nur aufgrund gestiegener Einkommensrisiken wegen drohender Arbeitslosigkeit oder Lohn- und Gehaltskürzungen halten sich Verbraucher beim Konsum zurück, sondern sie spekulieren darauf, dass sie bei Konsumzurückhaltung ihre Bedürfnisse kostengünstiger befriedigen können als sie zu einem früheren Zeitpunkt zu realisieren. Da der private Verbrauch neben den Staatsausgaben letztendlich die wesentlichen Konjunkturstützen während einer Rezession darstellen, da aufgrund von vorhandenen und sogar noch zunehmenden Überkapazitäten der Wirtschaft aufgrund sinken der Nachfrage aus dem In- und Ausland die Investitionsbereitschaft zwangsläufig sinkt, ist einer zusätzlich durch Deflation sinkende Konsumentennachfrage eine Rezessionsverstärker.

Der in einer Rezession bei überquellenden Lagern und vorhandenen Überkapazitäten sich intensivierende Preiswettbewerb kann zugleich zu einem ruinösen Verdrängungswettbewerb ausarten, der Unternehmen in den Konkurs und deren Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit treibt. Zwar führt ein solcher Prozess des Kapazitätsabbaus sukzessive zu einer Stabilisierung des Deflationsprozesses, aber zunächst treten die wesentlich unangenehmeren Wirkungen der steigenden Arbeitslosigkeit und Unternehmenskonkurse ein. Steigende Arbeitslosigkeit bedeutet jedoch in der Regel auch sinkende Haushaltseinkommen und damit erneut sinkende Konsumentennachfrage. Mithin kann entsprechend der jeweiligen Dynamik der eine Effekt (Kapazitätsabbau führt zu nachlassendem Preiswettbewerb) einerseits und dem anderen Effekt (negative Einkommenseffekt der Haushalte) weiterem Rückgang der Konsumentennachfrage in der Summe für einen längeren Zeitraum sogar eine Beschleunigung der Deflation herbeiführen.

Derzeit befürchten zahlreiche Beobachter, dass aufgrund des weltweiten drastischen Konjunktureinbruchs es zu einem zunehmenden Verdrängungswettbewerbs kommen könnte, da im globalen Wettbewerb die einzelnen Länder ihre Produktionskapazitäten besser als andere auslasten möchten. Dies entspricht der Logik einer Beggar-thy-neighbor-Politik. Um die negativen Effekte aus Unternehmenskonkursen und steigender Arbeitslosigkeit zu vermeiden, werden die Preise oftmals sogar unter die Kosten gesenkt. Damit wird für eine gewisse Zeit der normale Boden für eine Preissenkung temporär im Zuge eines Dumping außer Kraft gesetzt. Zwar ist dies im Rahmen der Welthandelsordnung prinzipiell verboten, aber es finden sich immer wieder Wege und Möglichkeiten dieses Verbot zu unterlaufen. Die Regierungen einzelner Länder tragen mittels Subventionen an die bedrohten Unternehmen nicht unerheblich hierzu bei. Würde beispielsweise in den USA den drei großen Automobilherstellern mit Hilfe staatlicher Gelder ein Preiskampf gegen die ausländische Konkurrenz finanziert, dann würde dies zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Entsprechend könnten Länder wie Deutschland und Japan versuchen diese Nachteile durch eigene Subventionen auszugleichen. Dies würde den Verdrängungswettbewerb erheblich verlängern und könnte unter Umständen protektionistische Maßnahmen auslösen, weil der erhoffte Erfolg der staatlichen Subventionen allein das Überleben der Unternehmen nicht garantieren kann.

Wie gesagt derzeit zeichnen sich dramatische Einbrüche in der Endnachfrage nach zahlreichen Produkten ab, um den davon betroffenen Unternehmen das Überleben der globalen Rezession zu ermöglichen, der Fall Opel hat hier zuletzt in Deutschland Schlagzeilen gemacht, werden Staatsgarantien in Aussicht gestellt. Dies nährt die Erwartung, dass der Vorrang nationale Interessen bereits jetzt in den wichtigsten Ländern die Krise der Weltwirtschaft weiter verschärfen könnte.

Deflation und Kreditmärkte

Neben den Wirkungen auf die Produktion und den privaten Verbrauch hat jedoch eine Deflation auch über die Kreditmärkte unerwünschte Folgen. Betrachtet man die nominalen Zinsen abzüglich der allgemeinen Preisänderungsrate, dem sogenannten Realzins, dann kann dieser im Falle einer Deflation selbst dann positiv sein und sogar steigen, wenn der nominal Zins bei Null liegt. In der von Keynes als Liquiditätsfalle bezeichneten Situation verliert die Zinspolitik ihre Wirksamkeit, da sie den Nominalzins nur bis Null senken kann. Wie stark dies die geldpolitische Steuerung der Wirtschaft im Mitleidenschaft ziehen kann, hat der Fall Japan seit Mitte der 1990er Jahre eindrucksvoll dokumentiert. Derzeit hat die Politik der Fed in den USA ebenfalls bereits ihren Zinssenkungsspielraum zur Stimulierung der Wirtschaft über die Kreditmärkte bereits ebenfalls auf 1% begrenzt. Sollte es im kommenden Jahr aufgrund des drastischen Einbruchs der weltweiten nachfrage und insbesondere auch des privaten Verbrauchs in den USA zu einer Phase der Preisdeflation kommen, dann befände sich die US-Wirtschaft ebenso wie Japan in einer Situation in der die Zinspolitik wirkungslos ist. Schuldner würden trotz einer Nullzinspolitik der Zentralbank mit steigenden Realzinsen konfrontiert. Dies könnte die Zahl der Insolvenzen sowohl bei den Haushalten und Unternehmen zusätzlich in die Höhe treiben und die Rezession verschärfen.

Depression der Wirtschaft

Man spricht deshalb auch in diesem Kontext auch von einer Depression. Die Kombination aus Rezession und Deflation schafft also Bedingungen die eine Depression der Wirtschaft herbeiführen können. Es fehlt dann an ausreichenden Auftriebskräften, die Wirtschaft aus eigener Kraft in einen normalen Konjunkturzyklus zurückzuführen. Noch ist dieser Zustand nicht absehbar, aber die Kombination der derzeit parallel zueinander stattfinden Preis- und Produktionsrückgänge lassen einen solchen prekären Zustand der Wirtschaft wahrscheinlicher werden. Nur entschlossenes Gegensteuern der Wirtschaftspolitik kann rechtzeitig eine solche Entwicklung stoppen. Von daher sind ein Zögern in der Politik eine der größten Gefahren, die in der derzeitigen Situation das Risiko einer Deflation sowie Depression steigern können. Wenn der Zustand bereits eingetreten ist, dann ist es ungleich schwieriger aus dieser prekären Wirtschaftslage wieder einen Ausweg zu finden. Die derzeit weltweit zu beobachtenden hektischen Bemühungen der Regierungen solcher Erntwicklung für ihre Länder auszuschließen, zeigt, dass man den Ernst der Lage zunehmend erkennt. Andererseits bleibt offen, ob es nicht doch am Ende zu einem dramatischen Koordinationsversagen kommen kann, wenn die Lasten der einzelnen Staaten ungleich verteilt werden. Die kommenden Monate im nächsten Jahr werden zeigen, ob die Staatengemeinschaft der Versuchung sich gegeneinander schadlos zu halten im Zaum gehalten werden kann. Die Große Depression von 1929 war nicht zuletzt auch das Ergebnis egoistischer Politik.

Beitrag steht unter creativ commons Lizenz 3.0. Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: