Die Zeit gönnt „Dr. Doom“ alias Nouriel Roubini ein umfangreiches Porträt. Der Mann ist in aller Munde oder besser auf allen Kanälen und wird von den Medien als dunkler Prophet gefeiert.
„Er hat das Platzen der Immobilienblase vorausgesagt und den Beginn einer Rezession. Er hat gewarnt und gepredigt und seine düsteren Prognosen unbeirrt und standhaft vertreten, als der Mainstream noch gegen ihn war,“ schreibt die Zeit. Weiter heißt es: „Roubinis Ruhm indessen gründet auf praktischer Analyse und auf seiner Treffsicherheit bei der Prognose. Immer wieder hat er das Undenkbare gedacht und überraschend präzise vorausgesagt: den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. Die milliardenschweren Rettungsprogramme der Regierungen. Die globale Rezession.“
Das Schlimmste liegt noch nicht hinter uns«, schrieb er in einem Beitrag für die Financial Times. »2009 wird ein schmerzvolles Jahr mit einer globalen Rezession, einer Deflation und Bankrotten sein. Nur eine sehr aggressive und koordinierte Politik kann sicherstellen, dass sich die Wirtschaft in 2010 erholt“. Konkrete Vorschläge bleibt er dabei allerdings wie die meisten „Propheten“ schuldig.
Aktuell wird auf das geachtet, was Roubini sagt. Ein Aussage am vergangenen Freitag im Interview mit Bloomberg TV war dem Wirtschaftsdienst eine Breaking News wert: „Roubini sees severe recession, no depression“
»Ich muss inzwischen sehr aufpassen, was ich sage«, zitiert die Zeit Roubini – ein Satz von ihm kann an den Börsen die Kurse rutschen lassen.
Roubini ist Professor an der Stern School of Business in New York City und Gründer und Vorsitzender von Roubini Global Economics LLC, Anbieter für Kapitalmarkt und Wirtschaftsinformationen. Vor seiner Tätigkeit als Professor war er Berater des U.S. Treasury Departments.
„Als Sohn persischer Juden wurde er in Istanbul geboren, weil seine Eltern aus dem revolutionären Iran der Mullahs fliehen mussten,“ war schon 2006 im Tagesspiegel zu lesen. Weiter heißt es dort: „Später zog die Familie weiter nach Italien, aber den Sohn hielt es da nicht. Nach dem Wirtschaftsstudium gelang ihm als Doktorand der Sprung an die US-Elite-Uni Harvard. Und dort entdeckte er seine Leidenschaft: Die komplexe Mechanik der globalen Märkte wurde das Thema, das ihn bis heute nicht losgelassen hat.
Was folgte, hätte eine ganz gewöhnliche akademische Karriere werden können, wäre nicht plötzlich im Sommer 1997 jene dramatische Finanzkrise hereingebrochen, die erst Südostasien traf, später auf Russland und Brasilien übergriff und schließlich sogar das Weltfinanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs trieb. „Zunächst wusste niemand, wie es eigentlich dazu kam“, erinnert sich Roubini, „der Informationsfluss zwischen Investoren, Politik und Forschung verlief völlig getrennt.“ Das brachte ihn auf eine zündende Idee: Mit Hilfe seiner Studenten startete er eine Webseite, die alle verfügbaren Texte und Studien zum Thema zusammentrug und für jedermann abrufbar bereithielt.“
Roubini verdient Geld mit seiner eigenen Firma, RGE Monitor. Vor vier Jahren rief er sie als einfache Website ins Leben, inzwischen arbeiten Regierungen, Banken und Fondsmanager mit den Analysen. Die Zahl der Netzbesuche ist stark gestiegen und hat sich im vergangenen Quartal mehr als verdreifacht. „Die Inhalte sind teilweise frei, wer aber Zugriff auf exklusive Analysen haben möchte, muss zahlen: Die Mindestabnahme liegt bei zehn Abonnements für insgesamt 20.000 Dolla,“, ist in dem Zeitbeitrag zu lesen.
Wer Roubini sieht, wie ich z.B. in der vergangenen Woche bei Bloomberg TV, nimmt zunächst keine Besonderheiten war. Die Zeit hat mehr herausgefunden: “ Er war empört, als ihm das New York Times Magazine die Haltung eines Melancholikers andichtete: »Mit einer mürrischen Miene und einer schwermütigen Aura macht Roubini den Eindruck eines Gepeinigten, der die Last seines Wissens kaum tragen kann. Er lacht fast nie, und wenn er es doch tut, verzieht sich sein Gesicht eher zu einer Grimasse.« Das, findet Roubini, gehe denn doch zu weit. »An den professionellen Spitznamen Dr. Doom habe ich mich gewöhnt, aber privat bin ich ein fröhlicher Mensch.«“
Die Berichte vermitteln den Eindruck, dass Medien und Investoren wie Jünger an den Lippen des „Propheten“ hängen. Die Zeit weiß aber, was seine Kritiker sagen, die in diesen Zeit sonst kein Gehört finden:
„Seine Kritiker bemängeln, dass seine Aussagen zu wenig theoretisch fundiert seien. Anirvan Banerji etwa, früher Ökonom an der New Yorker Columbia-Universität und heute Leiter eines Forschungsinstituts, wirft ihm einen »subjektiven Ansatz« vor: »Es ist verführerisch, Voraussagen mithilfe von Analogien zu treffen. Doch wie stellt er sicher, dass er die richtige Analogie wählt?« Das Schlüsselproblem für Ökonomen – Anfang und Ende einer Rezession präzise vorauszusagen – habe auch Roubini nicht gelöst. Tatsächlich hielt dieser ursprünglich bereits Anfang 2007 einen Wirtschaftseinbruch für möglich. Unter Ökonomen kursiert der Spruch: »Roubini ist wie eine Uhr, die stillsteht – die geht auch zweimal am Tag richtig.« Soll heißen: Er ist ein Pessimist vom Dienst, dem die Zeitläufte eher zufällig recht gegeben haben.“
In jedem Fall profitiert Roubini derzeit von der Krise. Für ihn persönlich spielt es keine Rolle, ob seine Vorhersagemethoden methodisch richtig sind oder ihm nur der Zufall in die Hände gespielt hat. Wie auch immer, wir werden eines Tages sehen, dass auch Roubini sich mit seinen Vorhersagen irrt.
Quellen und weitere Beiträge
Financial Times: Nouriel Roubini, How to avoid the horrors of ‘stag-deflation’
Bloomberg: Roubini Sees `Worst‘ U.S. Recession in Decades
Tagesspiegel: Die Unwetterwarnung
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