Wettrennen um die düstersten Schlagzeilen

by Dirk Elsner on 23. Dezember 2008

Gestern haben sich Handelsblatt, FTD, Spiegel Online und Co. wieder einmal ein Wettrennen um die düsterste Schlagzeile geliefert. Liebe Leute, es wird langsam langweilig. Wir wissen, dass die Stimmung in den Redaktionen schlecht ist. Aber die Verbraucher wollen sich die Weihnachtsstimmung nicht vermiesen lassen und spielen beim Verbrauchervertrauen die Untergangsstimmung nicht mit. Dabei geben sich die Redaktionen krampfhafte  Mühe:  Kleine Auswahl von heute:

Die FTD möchte aber auch das Verbrauchervertrauen nach unten schreiben Sie will festgestellt haben: Konjunkturangst lähmt Verbraucher, ist aber irritiert, dass die Kauflaune im Weihnachtsgeschäft nicht komplett eingebrochen ist. Dieses kurze Zögern wird aber schnell überwunden, weil glücklicherweise für das kommende Jahr die Aussichten für den Einzelhandel düster sind.

Beim Querlesen der Meldungen entdecke ich nicht eine einzige kritische Anmerkung zu den Prognosequalitäten. Eine Auseinandersetzung über Annahmen oder gar die methodische Genauigkeit der Prognosen fehlt den oben genannten Artikeln. Dabei gibt DIW-Chef Zimmermann sogar zu, dass die emsig betriebene Kaffeesatzleserei der Wirtschaftsforscher nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun hat: Es sei eine »Frage der intellektuellen Redlichkeit« einzugestehen, dass »in den meisten Modellen, die wir für unsere Vorhersagen nutzen«, keine Finanzkrisen vorkämen.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hatte von einigen Tagen bestätigt, dass nahezu alle Institutionen die Krise lange Zeit unterschätzt und somit psychologisch eher zur Stabilisierung der Lage beigetragen haben. Er räumt immerhin ein, dass Prognosen auch von der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung abweichen können. Daher solle man bei den derzeitigen Prognosen auf die hohe Unsicherheit hinweisen. Im heute veröffentlichten Bericht des ifw vermisse ich übrigens eine selbstkritische Reflektion.

Wissenschaftler und Medien tragen eine immer höher werdende Mitverantwortung an der Wirtschaftskrise, wenn sie  nicht einen kritischeren Umgang mit den Prognosen pflegen. Wie bedeutend die Verantwortung der Forschunginstitute und Medien ist, lässt sich übrigens im heute veröffentlichen Konjunkturbericht des Kieler ifw ablesen. Dort heißt es zu der Begründung der geschrumpften Wirtschaft in den USA auf S. 8:

„Grund war vor allem der Einbruch des privaten Konsums um 3,7 Prozent; einen so starken Rückgang
gab es seit 1980 nicht mehr. Ursächlich war einmal der Pessimismus der Verbraucher bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten und die stark rückläufigen Vermögenswerte.“

Der Pessimismus befällt die Verbraucher ja nicht, weil sie die 5. Staffel der Desperate Houswives sehen, sondern weil sie mit Negativmeldungen konfrontiert werden und sie ihre Ersparnsse auf den Aktienmärkten verschwinden sehen.

Die Wirtschaftslage muss nicht schöner geschrieben werden als sie ist. Man muss sich auch nicht künstlich Optimismus herbeireden, wie es „Zukunftsforscher“ Matthias Horx versucht. Dennoch sollten die Autoren der Schlagzeilen bedenken, was sie mit ihren Überschriften auslösen. Immerhin muss man die FTD eingeschränkt loben. Sie zitiert in einem Artikel kritiklos Matthias Huth von der LBBW damit, dass große Impulse von Seiten des Konsums nicht zu erwarten seien im nächsten Jahr. Aus einem anderen Beitrag der FTD erfährt man unterdessen, dass die LBBW in der Prognoserangliste den vorletzten Platz belegt.

Beiträge zum Umgang mit Prognosen

Blick Log: Extreme Kursprognosen und die Schwächen von Analysten

Georg Erber: Prognosen sind schwierig, … besonders wenn sie die Zukunft betreffen

Blick Log: Medien als Beschleuniger der Finanzkrise und des Wirtschaftsabschwungs?

Blick Log: Rennen um die düsterste Prognose

HB: Mehr Optimismus angemahnt Zukunftsforscher Horx sieht in Krise große Chancen

FTD: Auf Dauer besser

Handelsblatt: Versteckte Gefahren

Blick Log: Der Tag, an dem Wirtschaft stillsteht

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