Kontroverse um Fair Value-Bilanzierung

by Dirk Elsner on 28. Dezember 2008

Contractor Accounting 101

Für den Jahresabschluss muß viel gerechnet werden

Bekanntlich sind zur Milderung der Folgen der Finanzkrise einige internationale Bilanzierungsregeln für Banken gelockert worden,  um weitere Zusammenbrüche von Banken zu verhindern. So ist die Pflicht zur Marktpreisbewertung von bestimmten Wertpapieren aufgehoben. Kernstück der Änderungen ist, dass zum Fair Value oder Marktpreis bewertete Wertpapiere aus dem Handelsbestand in den Anlagebestand umgebucht werden dürfen, wo sie bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Dort können zur Bilanzierung Preise aus bankinternen Bewertungsmodellen genutzt werden, die näher am Anschaffungswert liegen.

Die Neuerung konnten bereits bei der Bilanzierung für das dritte Quartal diesen Jahres angewendet werden.

Fair Value fordert eine Bewertung von Finanzinstrumenten – also Aktien oder Anleihen – zu Marktpreisen. Diese beschert den Unternehmen bei boomenden Kapitalmärkten enorme Buchgewinne, umgekehrt können bei abstürzenden Börsenkursen immense Abschreibungen fällig werden. Für Banken gibt es deswegen inzwischen die oben genannten Ausnahmeregeln, Nach dem Fair-Value-Prinzip müssen aber auch Industriekonzerne bilanzieren, wenn sie IFRS anwenden, was heute alle kapitalmarktorientierten Unternehmen auch tun.

Kritiker halten die Pflicht zur Zeitwertbilanzierung (Fair Value Accounting) für einen regelrechten Brandbeschleuniger in der Krise. Permanente Abschreibungen auf Vermögenswerte, für die es keine Marktpreise mehr gibt, lassen die Kapitalbasis der Finanzkonzerne erodieren, was die Aktienkurse drückt und die Aufnahme neuer Gelder erschwert.

Mit dem geplanten Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) sollen künftig auch Mittelständler ohne Börsennotierung diese Regel anwenden und zwar bei zu „Handelszwecken erworbenen Finanzinstrumenten“. Dies können Aktien und andere Wertpapiere sein, die zum Zweck der vorübergehenden Geldanlage gekauft werden. Zahlen über das Anlagevolumen der nicht börsennotierten Mittelständler gibt es nicht. Doch allein die kapitalmarktorientieten führenden 127 deutschen Industrie-, Handels- und Dienstleistungskonzerne haben mehr als 100 Mrd. Euro Liquidität gehortet, die natürlich auch angelegt wird.

Die Bundesregierung plant eine Änderung des § 253 HGB. Damit soll eine entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt werden, die vorschreibt, Finanzinstrumente nach dem Zeitwert zu bewerten. „Das rüttelt an den Grundmauern des deutschen Bilanzrechts“, sagen die Professoren Hartmut Bieg, Karlheinz Küting, Heinz Kußmaul, Gerd Waschbusch und Claus-Peter Weber. Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger steht auf der Seite der Fair-Value-Gegner.

Der Saarbrückener Professor für Wirtschaftsprüfung Karlheinz Küting sagte bei einer Anhörung des Rechtsausschusses zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, wer die Fair-Value-Konzeption bejahe, verzichte „auf tragende Säulen eines bewährten deutschen Bilanzrechts“ und leiste einer „Entobjektivierung der Bilanz“ Vorschub. Bilanzierung und Prüfung würden durch diese Vorgabe aufwendiger; das gelte für „mehrere Millionen deutscher Kaufleute und damit nicht nur für die circa 800 großen IFRS-Global-Player“. Mit der Regelung werde in Kauf genommen, dass eine Ergebnisrechnung, die starken Schwankungen unterworfen ist, „eine Finanzmarktkrise intensiviert und beschleunigt“.

Der Kölner Juraprofessor Joachim Hennrichs begrüßte dagegen die seiner Ansicht nach „sehr begrenzt wirkende, behutsame Öffnung für eine Zeitwertbewertung“. Diese sei mit der Fair-Value-Orientierung der International Financial Report Standards (IFRS) „keineswegs vergleichbar“, da sie auf einen „eng begrenzten Anwendungsbereich“ beschränkt bleibe. So würden nur Finanzmarktinstrumente, die zu Handelszwecken erworben wurden und einen Marktpreis auf einem aktiven Markt hätten, nach ihrem Zeitwert bewertet, nicht hingegen andere Vermögensgegenstände wie Immobilien.

Quellen

Stellungnahmen der Sachverständigen zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

Handelsblatt: Mittelstand hält wenig von Fair Value

Bundestag: Kontroverse um die Zeitwert-Bewertung

Reuters: EU entlastet Banken mit neuer Bilanzierungsregel

Handelsblatt: Komplizierte Regeln  Bilanzen strotzen vor Fehlern

Handelsblatt: Einfach nach Durchschnittskursen bilanzieren

Professoren machen Front gegen Fair Value

FTD: Bilanzierungsregeln » Die fröhliche Wiederkehr der deutschen Vorsicht «

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