Volkswirte des Internationalen Währungsfonds haben seit 1960 122 Rezessionen in den 21 „wichtigsten“ Industrieländern der Welt gezählt. In 18 Fällen gingen die Konjunkturabschwünge mit Kreditklemmen einher, in 34 Fällen platzten Spekulationsblasen auf Immobilienmärkten, und 45-mal kollabierten die Aktienmärkte, stellt Olaf Sorbeck heute im Handelsblatt zusammen. Überstanden haben wir sie bisher alle. Und dennoch scheint uns diesmal der Eindruck vermittelt zu werden, es sei schlimmer als sonst und es müsse etwas getan werden.
So wirklich einfach machen es uns dazu die Volkswirte in diesen Wochen nicht. Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist überzeugt, dass der Abschwung keineswegs so dramatisch ausfallen wird wie allgemein befürchtet. Zimmermann sieht die Rezession sogar positiv. Sie beschleunige überfällige Reformen und führe dazu, dass sich ganze Branchen besser aufstellten. Klingt plausibel. Aber wie schlimm kann es tatsächlich werden?
1987 veröffentlichte der spätere Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Lucas, Professor der Universität Chicago, eine Studie mit einem spektakulären Ergebnis: Die gesamtwirtschaftlichen Kosten einer Rezession seien so winzig, dass die Wirtschaftspolitik sie getrost vernachlässigen kann, nämlich 0,1% des „Lebenskonsums“. Eine Volkswirtschaft könne die in einem Abschwung verlorene Wirtschaftsleistung später durch höheres Wachstum wieder aufholen. Neoklassische Volkswirte halten öffentliche Konjunkturprogramme für teuer und unwirksam. Sollten die Ergebnisse von Lucas stimmen, dann wären staatliche Interventionen in den Konjunkturzyklus unabhängig von ihrer Wirksamkeit gar nicht nötig. Wie aber nicht anders in der Wirtschaftswissenschaft zu erwarten, gibt es auch andere Studien, die die Verluste auf bis zu 10% des Lebenskonsums schätzen.
Ehrlich, diese Diskussion zwischen den Volkswirten ist müßig und vor allem langweilig. Im Prinzip ist sie sogar erschreckend, weil damit die Irrelevanz der Volkswirtschaftslehre für Wirtschaftspraxis eingeräumt wird und sich die Politik letztlich doch auf Glaubensfragen zurückziehen muss oder kann
Viellleicht sollte man es so machen wie Andreas Theyssen in der Financial Times, der uns die persönlichen Vorteile der Rezession erklärt. Die Zeit hatte bereits vor einigen Wochen unter der Überschrift Krise? Ist auch gut positive Wirkungen einer Rezession zusammengestellt. Vielleicht sollten wir uns auch einfach nur überlegen, wie wir diese Krise nennen. Wenn diese von der New York Times thematisierte Frage beantwortet ist, ist die Krise vielleicht schon überstanden.
Quellen und weitere Beiträge
HB: Was ein Minus von 2,2 Prozent bedeutet
NYT: No Question We’re in a Financial Pickle. What Do We Call It?
Spon: Ifo-Chef Sinn sagt zwei Jahre Eiszeit voraus
Tagesspiegel: Wirtschaftskrise „Ein Abschwung wirkt reinigend“
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