Keine blanke Panik aber Angst als Beschleuniger

by Dirk Elsner on 21. Februar 2009

Nun macht es auch bei den ersten Medien Klick. Ein Gastkommentator stellt in der FTD fest, dass Finanzakteure und Regierung einen gefährlichen Brandbeschleuniger für die Krise unterschätzt haben: “Die Psychologie. Die Angst wird zum Massenphänomen, das uns kollektiv in Atem hält. Diese Angst ist nicht unbedingt individuell identifizierbar. Sie ist eher ein Massenphänomen, das uns kollektiv in Atem hält, einen gewaltigen Vertrauensverlust nach sich zieht und auf diese Weise dazu beiträgt, dass ein Markt kollabiert.”

Recht hat der Autor. Die Angst hält die Börsen aber mittlerweile auch die Realwirtschaft in Atem. Und das aktuelle Problem ist, dass den Marktteilnehmern ein Anker fehlt, der sie positiv und wieder optimistischer werden lässt. Das Wettrennen um die düstersten Schlagzeilen hat mittlerweile zu einer starken Verunsicherung von Unternehmen und Verbrauchern beigetragen, so dass derzeit jede Orientierung zu fehlen scheint. 

Klar dürfte auch sein, dass dunkle Prognosen und Meldungen den aktuellen Abwärtstrend deutlich verstärkt haben. Das menschliche Verhalten ist ein komplizierter Vorgang, über den es Bibliotheken an Literatur aber keine abschließende Gewissheit gibt. Eine These besagt aber, dass das wirtschaftliche Verhalten u.a. durch Änderung der Erwartungsbildung von Verbrauchern und Unternehmen beeinflusst wird. Eine vereinfachte Wirkungskette sieht daher so aus: Erwartet ein Unternehmen aufgrund von Prognosen, dass seine Kunden weniger kaufen, investiert er weniger . Dies wiederum führt zu Auftragsrückgängen und zu Arbeitslosigkeit. Dies wird in die Öffentlichkeit kommuniziert. In der Folge sorgen sich Arbeitnehmer, die gleichzeitig Konsumenten sind, um die eigene wirtschaftliche Zukunft und schränken den Kauf langlebige Wirtschaftsgüter ein. Damit hat sich die anfängliche Erwartung des Unternehmers verselbstständigt.

Wirkungsmechanismus Finanzkrise und Zukunftserwartungen

Die Finanzkrise wirkt auf die Realwirtschaft, das wissen wir inzwischen. Wenig diskutiert wird allerdings der Übertragungsmechanismus. Hier könnte man sich mit einer theoretischen Argumentation, wie der Sachverständigenrat sie vorschlägt, begnügen: Danach geht der üblicherweise mit Finanzkrisen verbundene Vermögenspreisverfall mit einer Einschränkung der Konsum- und Investitionsausgaben einher. Zudem steigt das Ausmaß fundamentaler Unsicherheit, mit dem die Wirtschaftssubjekte konfrontiert werden. Als Reaktion werden Investitions- und Konsumpläne in einer Weise angepasst, die zu einer zusätzlichen Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führt.

Eine zentrale Frage ist aber, wie die Steigung des Ausmaßes der Unsicherheit erfolgt, in deren Folge Konsum- und Investitionspläne reduziert werden. Auf die Konsumnachfrage wirken nachhaltige Vermögensreduktionen, wie wir sie zurzeit erleben, weil sie das Vermögen der privaten Haushalte verringern und die Unsicherheit bei der Erwartungsbildung erhöhen. Aktienmärkte gelten häufig als Indikator für die künftige wirtschaftliche Entwicklung gilt. Aufgrund der Unsicherheiten und der tatsächlichen Vermögensreduzierung verringert sich das Ausgabeverhalten der privaten Haushalte bei gleichzeitig erhöhter Sparneigung.

Erwartungen werden durch Informationen beeinflusst

Gleichwohl ist es zu kurz gesprungen, wenn man allein die Entwicklung an den Kapitalmärkten als Ursache für die erhöhte Unsicherheit in der Erwartungsbildung verantwortlich macht. Die Veränderung in der Erwartungsbildung erfolgt auf Ebene der einzelnen Wirtschaftssubjekte durch die Aufnahme von Informationen. Preisänderungen für Vermögenswerte (wie z.B. Aktienkurse) sind dabei nur ein Parameter. Daneben beeinflussen viele andere Informationen die Erwartungsbildung. Interpretiert ein Wirtschaftssubjekt bestimmte Informationen z.B. so, dass sein künftiges Einkommen niedriger als bisher erwartet ausfällt, dann wird er mit großer Wahrscheinlichkeit sein heutiges  Konsum- und Investitionsverhalten überprüfen  und ggf. anpassen.

Hat die Wirkung negativer Schlagzeilen …

An dieser Stelle wird klar, dass auch die Medien einen erheblichen Einfluss auf die Erwartungsbildung einzelner Wirtschaftssubjekte haben. Die Medien liefern mit ihren Nachrichten einen wesentlichen Teil des Informationsinputs, der am Anfang des Informationsverarbeitungsprozesses steht. Da Menschen auf Grund eingeschränkter Zeit und begrenzten kognitiven Fähigkeiten nicht alle relevanten Informationen finden, selektieren und verarbeiten können, orientieren sie sich an diesen vorselektierten Nachrichten und häufig auch nur an den Schlagzeilen, die meist einen höheren Erinnerungswert haben als die Textinhalte.

Vor einigen Monaten betrachtete Kerstin Bund in einem bemerkenswerten Artikel in der Zeit, wie über die Finanzkrise berichtet wird:

“Zeitungen und Zeitschriften schrieben von einem »weltwirtschaftlichen Armageddon« (Weltwoche), einer »Apokalypse« (Börsen-Zeitung) oder einer »finanzpolitischen Kernschmelze« (ZEIT). Ein Kommentator der Süddeutschen Zeitung beschwor das »Fegefeuer des Kapitalismus«. Mal glitten die Autoren in die Sprache der Physik ab und suchten Halt bei einer Atombombenexplosion. Wenn das nicht reichte, bemühten sie die Metaphysik, beschworen biblischen Endzeithorror und christliche Hölle.”

In dem Artikel zitiert sie den Kommunikationsforscher Frank Brettschneider: “Wenn das alles ohne Wirkung auf die Leser bliebe, wäre es halb so schlimm. »Aber Medien selektieren, sie interpretieren, sie emotionalisieren, und sie schaffen Fakten«, sagt Frank Brettschneider, Kommunikationsforscher an der Universität Hohenheim. Die Berichterstatter beeinflussen demnach massiv, wie die Menschen auf große Ereignisse, etwa einen Bankenzusammenbruch, reagieren.

… den Abschwung beschleunigt?

Schließlich stellt Bund die zentrale Frage: “Haben die Medien erst die Zockerei und dann den Absturz beschleunigt?” Medienwissenschaftler Thomas Schuster ist der Überzeugung, die Medien hätten den Internetboom und den anschließenden Crash der New Economy verstärkt.

Auch beim aktuellen Abschwung dürften die Medien eine tragende Rolle als Katalysator gespielt haben. Sie haben mögliche Auswirkungen dramatisiert (siehe Beispiel Kreditkartenrisiken: Mehr Luftblase als Monsterwelle) und Informationen, die die Unsicherheit reduzieren könnten kaum hervorgehoben.

So musste man sich die Information, dass der Sachverständigenrat eine Weltwirtschaftskrise ausschließt erst mühsam aus dem dicken Gutachten herausarbeiten. In den Schlagzeilen tauchte diese Information nicht auf. Über die durchaus positive Entwicklung der Börsen in der vergangenen Woche fanden sich vorwiegend nur Berichte in den Kurs- und Wirtschaftsteilen, während die Kursstürze der vergangenen Wochen es häufig auch auf die Titelseiten der Zeitungen schafften.

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