Im Handelsblatt war gestern von der Enttäuschung der Wall Street über die Grundsatzrede von Barack Obama zu lesen. Die Investoren klagten beim neuen US-Präsidenten Taten statt Worte ein. „Wir wissen, dass es nicht gut um ums steht. Wir brauchen einen Aktionsplan“, fasste Andre Bakhos, Chef der Princeton Financial Group, die Stimmung zusammen. Mit jedem Tag, der verstreiche, schwinde die Hoffnung, dass die Regierung tatsächlich imstande sei, die Wirtschafts- und Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Und prompt haben die Börsianer die Kurse wieder einbrechen lassen. Unterdessen gab es vom Kongress selbst und von den Medien viel Applaus.
Ich frage mich tatsächlich, was die Investoren eigentlich noch erwarten vom amerikanischen Präsidenten. Worte statt Taten? Ich vermute, die Investoren waren zu bequem und haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich durch die 1.400 Seiten des American Recovery and Reinvestment Act of 2009 (Public Print) zu arbeiten. Dort stehen jede Menge Taten drin. Allerdings sind sie nicht mundgerecht auf zwei Powerpoint-Charts zusammengefasst. Ebenfalls fehlt die Cash-flow-Rechnung für die einzelnen Unternehmen.
Ich fasse es nicht und wiederhole das, was ich vor zwei Wochen zum US-Bankenrettungsplan geschrieben habe. Die Reaktion ist eine Katastrophe und eine Schande für die Finanzbranche. Das Anspruchsdenken einiger Börsianer disqualifiziert die Branche und fügt ihr weiteren großen Schaden zu. Und es stellt sich wieder einmal die Frage, welcher Vorschlag denn wohl genehm wäre? Ich gebe mal die Antwort: Es gibt einen solchen Vorschlag nicht. Selbst beim objektiv besten Vorschlag würde es eine interessengesteuerte Diskussion geben. Ich frage die Finanzbranche und Investoren: “Wo bleibt eigentlich ihre Verantwortung? Welchen Teil tragen Sie zum Wiederaufbau bei, der mit enormen Risiken der Steuerzahler in aller Welt finanziert wird?
Die Märkte versehen den Ansatz von Obama nicht. Er ist gar nicht in der Lage, allein mit seiner Administration den Umschwung zu schaffen, der ja auch durch viele psychologische Momente beeinflusst wird. Er kann nur Rahmenbedingungen schaffen. Anpacken müssen alle, um die Zuversicht wieder zu gewinnen. Keiner kann bräsig in seinem Sessel darauf warten, dass ihm der Aufschwung auf dem Teller präsentiert wird. So wird er tatsächlich erst in fünf Jahren kommen.
Diese Entwicklung stimmt mich sehr nachdenklich. Die Reaktion finde ich wieder einmal sehr enttäuschend und zeigt einen großen Mangel an Phantasie und Verantwortung vieler Marktteilnehmer.
Markus Ziener wundert sich im Handelsblatt über den Umfang des Programm und den selbst gestellten Ansprüchen und schreibt dazu:
„In europäischen Breiten würde kein Staatschef ein derart an Resultaten orientiertes Konzept auf den Tisch legen. Das würde unser Sicherheitsdenken verhindern: Man könnte ja eines Tages für seine Ziele in Haftung genommen werden.“
Aber das unterscheidet Obama nicht nur von vielen Regierungschefs, sondern vor allem auch von vielen Wirtschaftschefs. Er scheut sich nicht für konkrete Ziele die Verantwortung zu übernehmen. Er weiß selbst, dass er das nicht alles schaffen kann und auf dem Weg dahin viele Fehler machen wird. Aber sich jetzt schon erwartungsvoll darauf zu freuen, Obama in ein paar Monaten mit einigen nicht erreichten Zielen und Maßnahmen zu konfrontieren, zeigt nur, dass wir als Gesellschaft vergessen haben, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.
Da scheint es wichtiger zu sein, möglichst schwammige Ziele zu formulieren, um anschließend keinen Vorwürfen ausgesetzt zu sein. Viele Manager, die diese Krise in welcher Weise auch immer mit verursacht haben, manöverieren sich derzeit so geschickt aber verantwortungslos durch die Krise. Obama dagegen zeigt, dass er weder Scheu vor den Worten noch Angst vorm Handeln hat, wie der Tagesspiegel in einem Kommentar feststellt.
Weitere Reaktionen auf die Rede
HB: Das Weiße Haus schläft nie
Tagesspiegel: Der große Aufbruch
Zeit: REDE ZUR NATION: Obama will alles – und zwar sofort!
So manches Problem wird sich, sieht man sich die Entwicklung in den USA an, wohl im
witeren Verlauf der Medienkrise von selber loesen. Unter anderem dies, welchen
Unsinn, welches „schwaechste Glied“ (weakes link), usw. die Medien in ihrer Funktion
als „gatekeeper“, Selektoren, den Konsumenten vorsetzen.
Gerade unlaengst haben zwei Verlage Konkurs angemeldet (Chapter 11, filed for
protection under ….)
Hearst will den „San Francisco Chronicle“ verkaufen. Findet sich kein Kaeufer, wird
demnaechst eingestellt. Die Medienlandschaft in den USA hat mehr was von einem
Kartenhaus an sich, das jetzt immer schneller einstuerzt. Fuer diese Medienkrise gibt
es sehr viele Gruende und Faktoen die jetzt zusammenspielen.
Bezeichnend sind zwei Eigenarten: die Medienstrategen und dgl. haben allesamt keine
Idee wie es weitergehen soll. Sie sind, um bei Karl Kraus zu borgen, allerdings in der
Lage diese Ideenlosigkeit auch auszudruecken, mitzuteilen, verbreiten also mal
Ideenlosigkeit in eigener Sache punko „business model“, woher das Werbegeld
kommen soll, wie man Geld rein bringen kann und dergleichen mehr.
Und man spielt die Opferrolle, das leidende Jammerlieschen. Am besten koennen
das die „Kaiser von China“, die Dorfkaiser und Statthalter ebenso wie die Papier –
Krieger mit ihren Geopoolitischen Ansichten, in den Redaktionsbueros.
Das ist deren schwache und andere Seite. Urploetzlich hat die Allgemeinheit einen
Haufen Hilfsbeduerftiger samt der journalistischer Mission an der Hand, muss da
schon mal mitleiden. Bloss keine Witze darueber machen, schon
gar nicht ueber all die Allueren und Macken, die sich so in diesen Bueros finden.
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