Jack Welch hat in der Business Week und der Financial Times das Shareholder Value-Prinzip beerdigt. Dieser Eindruck wird jedenfalls vermittelt. Ecolot hat dazu im Handelsblatt einige zentrale Äußerungen von Welch herausgesucht:
“Die Frage war doch, was ich davon halte, shareholder value zur Strategie eines Unternehmens zu erheben. Das ist tatsächlich eine blöde Idee, denn shareholder value ist keine Strategie, sondern ein Ergebnis von Strategien.“ Nur den shareholder value zu steigern, motiviere doch niemanden, die tägliche Arbeit zu verrichten. Dabei sei wichtig, sowohl auf kurzfristig als auch auf langfristig wirkende Strategien zu setzen: „Ein guter Manager weiß, wie er heute etwas nehmen muss, träumt aber auch gleichzeitig von der Zukunft.“ Nur wenn man beides beherrsche und berücksichtige, profitierten das Unternehmen, seine Kunden, die Gesellschaft und letztlich auch die Anteilseigner.”
In der Diskussion über die Ursachen der Finanzkrise wird vergleichsweise forsch die Ansicht verbreitet, eine der Ursachen läge im Shareholder Value-Prinzip. Dieses Prinzip steht je nach Weltanschauung als Synonym für effiziente Unternehmensführung oder für eiskalten Turbokapitalismus. Nach Fredmund Malik liegt eines der Übel, die die Finanzkrise verursacht haben, in der aus den USA kommenden Corporate Governance und meint damit ebenfalls die Shareholder-Value-Philosophie. Damit diese „Irrlehre für Manager“ ein Ende habe, empfahl Malik in der Schweizer „Weltwoche“ allen Unternehmen, die sich bislang am Shareholder-Value-System orientierten, eine ganz neue Governance. Denn das Problem habe keine ökonomischen Ursachen. Die Führungs- und Aufsichtsprinzipien der Wirtschaft, Corporate Governance genannt, müssen dringend renoviert werden.
Dabei hatte Alfred Rappaport, der „Entdecker“ dieser Managementphilosophie, lediglich selbstverständliche Ziele aufgeschrieben, die schon lange Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie waren. Das Prinzip des Shareholder Value ist nämlich im Prinzip nur eine beratungskonforme Verpackung für das Unternehmensziel Marktwertmaximierung, einem Konzept, das auf der Barwertmethode aus der Entscheidungstheorie basiert. Als Leitbild taucht diese Methode in praxisnaher Literatur unter der Bezeichnung „Shareholder value“ oder „Wertmanagement“ auf. Den Methoden gemeinsam ist, dass ein künftiger Zahlungsstrom mit einem risikoadjustiertem Zins diskontiert wird.
Shareholder Value war nie eine neues weiteres revolutionäres Managementkonzept, sondern es geht dabei einzig darum, die Determinanten des Unternehmenswerts so zu steuern, dass der Wert möglichst hoch wird. Nach diesem Konzept besteht die beste Unternehmensstrategie darin, den Cashflow nicht nur in einer Periode sondern kontinuierlich zu steigern. Das geht am besten durch langfristiges Wachstum der Zahlungsüberschüsse.
Vereinfacht kann man ja das Shareholder-Prinzip mit folgender Formel darstellen:
Diese Formel hat den Vorteil, dass sie Einflussfaktoren des Shareholder-Value sichtbar macht. So wirken alle einzahlungserhöhenden und auszahlungmindernden Maßnahmen positiv auf den Marktwert. Entscheidend ist dabei, dass dies nicht einmalig sondern über einen längeren Zeitraum passiert. Weiterhin wirkt die Reduktion von Risiko wertsteigernd, wie man aus der Formel sehen kann. Je niedriger der Diskontierungsfaktor, desto höher der Unternehmenswert. Da in den Diskontierungsfaktor die Risikoprämie einfließt, führt die Reduktion der Risikoprämie zur Verminderung des Diskontierungsfaktors.
Unternehmen, die auf Basis dieser Strategie arbeiten, werden mit steigenden Kursen belohnt. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob das Unternehmen ausdrücklich die Shareholder-Value-Philosophie verfolgt oder nicht. Mit dieser Strategie, so die Überlegungen von Rappaport, müssten sich nicht nur Manager und Aktionäre anfreunden können sondern auch Mitarbeiter sowie weiter Wirtschaftspolitiker und sogar Gewerkschaftsfunktionäre, weil sie letztlich alle von dieser Strategie profitieren.
Ob gerade die letzte Überlegung von Rappaport richtig ist, darf bezweifelt werden. Die Zielvorgabe für das Management lautet nämlich lediglich, Investitionsstrategien danach auszuwählen, ob sie Wertbeiträge für die Eigentümer schaffen. Andere Anspruchsgruppen sind nicht relevant für die Formulierung des Ziels. Gelänge es dem Unternehmen nämlich nicht, finanzielle Ansprüche der Shareholder zu befriedigen, wäre seine Lebensfähigkeit bedroht, weil ihm die Shareholder die Unterstützung entzögen. Folgerichtig wird die Zielsetzung an denjenigen festgemacht, die Residualansprüche (sprich die Gewinne) erhalten und vorrangig die Risiken tragen.
Dennoch, Forderungen anderer „Anspruchsgruppen“ sind implizit in der Zielfunktion enthalten. So erhöhen unzufriedene und unmotivierte Mitarbeiter das Risiko oder vermindern die Zahlungsüberschüsse, vermindern also den Unternehmenswert. Unethisches Verhalten im Wettbewerb oder gegenüber Kunden kann vielleicht in einem Jahr die Zahlungsüberschüsse erhöhen, jedoch nicht langfristig, wenn dieses Verhalten publik wird. Unternehmen müssen also auch für derartige Verstöße mit Marktwertminderungen rechnen. Daher gilt nach meiner Auffassung: Auch wenn andere Anspruchsgruppen als die Eigentümer im Konzept des Shareholder Value nicht ausdrücklich vorkommen, so werden doch viele unternehmenstypische Entscheidungsparameter indirekt darin berücksichtigt, weil sie Einfluss auf die Ein- und Auszahlungen und das Risiko haben. Die Methode berücksichtigt also sowohl langfristige Wirkungen von Entscheidungen als auch Risikoaspekte.
Eine besondere Förderung des Risikos lässt sich aus dieser Methode genau so wenig ableiten, wie eine Mitverursachung der Finanzkrise. Einzig kann hier die Wirkung bestimmter Verhaltensweisen erklärt werden. Denn viele Maßnahmen, die Manager und Handelsverantwortliche initiiert haben, zielten auf die kurzfristige Erhöhung der Zahlungsüberschüsse in der laufenden oder der nächsten Periode. Eine kurzfristige Erhöhung von E(ZÜ)t hat aber nach der oben stehende Formel gar keine besondere marktwerterhöhende Wirkung. Die Handlungen der Hasardeure waren sogar kontraproduktiv, weil sie das Risiko erhöhten (also den Diskontierungsfaktor) und damit den Marktwert senkten.
Ein konsequente Anwendung des Shareholder-Prinzips hätte also möglicherweise die Exzesse der Finanzkrise verhindern können. Dazu hätte es aber einer intensivere Steuerung bedurft. Aber viele Manager sind gerade nicht nach dem Shareholder-Value vergütet worden, sondern nach den Einzahlungsüberschüssen der jeweils laufenden Periode. Damit haben sie E(ZÜ)t maximiert und nicht E(Vo).
Im Ergebnis hat Jack Welsh aber Recht, wenn es sagt “Shareholder value ist keine Strategie, sondern ein Ergebnis von Strategien”. Der Shareholder Value bleibt aber ein Leitbild, an dem sich Manager orientieren können, zur strategischen Führung allein reicht er nicht aus.
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