Was aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Bank über Kreditderivate zu erfahren ist

by dels on 26. März 2009

Der Geschäftsbericht der Deutschen Bank hat am Tag der Veröffentlichung für vergleichsweise geringe öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Die Medien konzentrierten sich bei ihren Schlagzeilen auf die Gewinnschätzung und auf das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden. Dabei bietet der Bericht eine Fülle an interessanten Informationen, die in den boulevardesken Schlagzeilen untergegangen sind.

Natürlich hatte ich nicht die Zeit, die 404 Seiten durchzuarbeiten. Aber mich hat interessiert, was denn die Bank so zu Bewertungserleichterungen und zu ihren “toxischen Wertpapieren” veröffentlicht hat. Der Begriff toxisch taucht übrigens in dem Bericht laut Dokumentensuche nicht einmal auf.

Was ist nun zu erfahren? Zu lesen ist, dass die Bank Bilanzierungserleichterungen in Anspruch genommen hat. Dazu schreibt sie (Hervorhebungen durch mich):

Bank nutzt Bewertungserleichterungen

Die Bank hat Bewertungserleichterung im Umfang von 3,295 Mrd. Euro genutzt. Im Detail heißt es dazu:

“Das Ergebnis im Berichtsjahr wurde durch die Anwendung von geänderten Regelungen des IAS 39 und des IFRS 7, „Reclassification of Financial Assets“, deutlich positiv beeinflusst. … Die Änderungen ermöglichen eine Umgliederung bestimmter finanzieller Vermögenswerte aus den  Bilanzkategorien „zum Fair Value bewertet“ und „zur Veräußerung verfügbar“ in die Bilanzposition „Forderungen aus dem Kreditgeschäft“. Voraussetzung für eine solche Umgliederung ist, dass das Management die bisher festgelegte Zweckbestimmung des Vermögenswerts ändert. Zum Zeitpunkt der Umgliederung müssen für den Vermögenswert zudem die Absicht und die Möglichkeit eines Haltens auf absehbare Zeit sowie die sonstigen Kriterien für eine Klassifizierung als Forderung aus dem Kreditgeschäft erfüllt sein.”

“Wir haben im dritten und im vierten Quartal 2008 Vermögenswerte, die diese Kriterien erfüllt haben, in die Bilanzposition Forderungen aus dem Kreditgeschäft umgegliedert. Im dritten Quartal erfolgte dies zu den am 1. Juli 2008 vorliegenden Fair Values der Vermögenswerte. Im vierten Quartal wurden Vermögenswerte, für die eine Umwidmungsentscheidung bis zum 1. November vorlag, mit dem Fair Value vom 1. Oktober 2008 umgegliedert. Spätere Umgliederungen erfolgten zum Fair Value des jeweiligen Umwidmungszeitpunkts.”

“Bei den umgegliederten Vermögenswerten sind wir der Ansicht, dass der Fair Value den inneren Wert der Position aufgrund der mangelnden Liquidität in den Finanzmärkten momentan nicht wiedergibt und dass dieser innere Wert bei einer längeren Haltedauer realisiert werden kann. Wenn die genannten Kriterien für eine Umgliederung erfüllt sind und die Vermögenswerte längerfristig gehalten und refinanziert werden können, sind wir der Meinung, dass die geänderte Bilanzierung den Geschäftszweck der Vermögenswerte adäquater widerspiegelt.”

Diese Effekte hat die Bank in der folgenden Tabelle zusammengestellt:

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“Bei den in die Kategorie Forderungen aus dem Kreditgeschäft umklassifizierten Vermögenswerten handelt es sich zum einen um Kredite im Zusammenhang mit der Finanzierung von Unternehmensübernahmen mit einem Fair Value von 7,5 Mrd € am Umklassifizierungstag, welche im Rahmen einer Originate-to-Distribute-Strategie begeben wurden. Zum anderen wurden Vermögenswerte in konsolidierten Asset-backed Commercial Paper Conduits in Höhe von 9,4 Mrd € und gewerbliche Immobilienkredite in Höhe von 9,1 Mrd € umgegliedert. Diese Forderungen sollten ursprünglich zum Zeitpunkt der Begebung oder des Erwerbs verbrieft werden. Die verbleibenden umklassifizierten
Vermögenswerte, zu denen sonstige zum Zweck der Verbriefung erworbene oder begebene Vermögenswerte gehören, hatten am Umklassifizierungstag einen Fair Value von 9,0 Mrd €.”

Parameter zur Bewertung von ABS CDOs

Interessant in dem Geschäftsbericht ist die kleine Lehrstunde über die Bewertung komplexer Kreditderivate. Erwartungsgemäß werden dort die Modelle selbst zwar nicht präsentiert, jedoch erfährt man etwas über die Eingangsparameter.

“Bewertungen von ABS CDOs werden anhand von primären und sekundären Parametern vorgenommen. Primäre
Parameter stellen quantitative Vorgaben innerhalb des Bewertungsmodells dar. Sekundäre Parameter können eine
qualitative (beispielsweise geografische Verteilung) oder eine quantitative Ausprägung (beispielsweise historische Ausfallquoten) haben und werden benutzt, um geeignete Werte für die primären Parameter zu bestimmen. Daher werden sekundäre Parameter nur als Anhaltspunkte genutzt, um plausible Annahmen für primäre Parameter zu stützen. Primäre Hauptparameter, die die Bewertung von CDO-Vermögenswerten bestimmen, umfassen Forward Rates, Credit Spreads, Prepayment Speed sowie Korrelations-, Ausfall- und Recoveryquoten.

Unsere Annahmen referenzieren, soweit möglich, auf Markttransaktionen. Grundsätzlich werden ABS CDOs dann als Subprime klassifiziert, wenn 50 % oder mehr der jeweils zugrunde liegenden Sicherheit Wohnungsbaukredite darstellen. Zusätzlich zu unserer auf CDOs zurückgehenden Subprime-Risikoposition haben wir auch ABS-CDO-Risikopositionen aus verbrieften Forderungen, die auf US-amerikanischen Wohnungsbaukrediten besserer Qualität („Alt-A“) basieren.”

Der Bericht bietet im Lagebericht weiterhin Darstellungen zum Engagement und den Risikopositionen verschiedener Kreditderivatepositionen, die ich hier nicht im Detail wiederhole.

Risiken des Marktes für Kreditversicherungen

Der Bericht macht an anderer Stelle deutlich, warum die Risiken bei den Kreditversicherern (z.B. AIG) so wichtig sind. Der Bericht verwendet für Kreditversicherer den Fachausdruck Monoliner:

“Risikopositionen gegenüber Monolinern: Die Verwerfungen am US-amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt und mit diesem verbundenen Märkten haben bei Anbietern von Finanzgarantien wie Monoline-Versicherern zu hohen Risikopositionen geführt, wenn sie den Wert eines Pools von Sicherheiten, auf den CDOs oder andere gehandelte Wertpapiere referenzieren, versichert oder garantiert haben. Ansprüche gegenüber Monoline-Versicherern werden nur dann fällig, wenn der Bank Verluste dadurch entstehen, dass abgesicherte Aktiva (oder Kreditsicherheiten) ausfallen.

Es besteht eine gewisse Verunsicherung darüber, ob Monoliner ihre Verpflichtungen gegenüber Banken und anderen Käufern von Absicherungen erfüllen können. Unter bestimmten Umständen, beispielsweise bei der Liquidation, können wir Forderungen unabhängig von tatsächlichen Verlusten aus den abgesicherten Aktiva vorzeitig geltend machen.

Die folgende Tabelle fasst unser Nettoausfallrisiko gegenüber Monolinern, bezogen auf Aktivitäten in US-amerikanischen Wohnungsbaukrediten, zusammen. Die gezeigten Beträge basieren auf den aktuellen Marktwerten der Vermögenspositionen, denen die von Monolinern garantierten Nominalwerte gegenübergestellt werden. Die Tabelle zeigt die zugehörigen kreditrisikobezogenen Bewertungsanpassungen, die wir für diese Positionen vorgenommen haben und die auf Basis einer Bonitätsprüfung jedes einzelnen Monoline-Kontrahenten unter Zugrundelegung interner Credit Ratings ermittelt wurden.”

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Interessant auch, dass ein Teil des Marktwerts der erworbenen Monoliner-Absicherungen durch Credit Default Swaps mit anderen Marktteilnehmern oder durch andere Instrumente wirtschaftlich abgesichert wurde. Dies bedeutet also, die Bank hat ihre Versicherungen versichert.

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