Einen äußerst lesenswerten Beitrag habe ich gestern meiner Dokumentensammlung zur Psychologie der Finanzkrise hinzugefügt. Katharina Slodczyk hat im Handelsblatt das Befinden der abgestürzten Helden beschrieben und nach Spuren gesucht, die das Finanzdebakel bei vielen Mitarbeitern in Banken in der Psyche hinterlassen hat.
So schreibt Slodczyk über Banker, die mittlerweile auf Partys ihren Beruf verleugnen, weil sie Angst vor Häme fürchten. Erhellend der Part über den Besuch bei einem Psychologen in Offenbach, der immer mehr Banker zu seinen Klienten (heißt es nicht Patienten?) zählt:
“Schuld? Schlechtes Gewissen? Bei anderen Fragen denkt der 59-Jährige schon mal kurz nach. Jetzt antwortet er aber sofort: „Nein, meine Klienten erleben sich nicht als die, die an der Misere schuld sind.“ Was treibt sie dann zu einem Psychologen? Die Kunden, denen sie nicht mehr in die Augen schauen können? „Nein, ihr Problem sind auch nicht die Kunden, die durch Falschberatung Geld verloren haben. Es ist eher die egoistische Perspektive, die bei dem Bankmitarbeiter im Vordergrund steht: ,Mir geht es schlecht, und ich schaff‘ es nicht allein, aus dieser Situation herauszukommen.”
“Er nennt sie „abgestürzte Helden“, die Menschen, die in seine Praxis kommen – oft Männer, alleinstehend, lange Zeit erfolgreich im Beruf. Plötzlich haben sie allerdings schlaflose Nächte, sind unruhig, reizbar, erschöpft, bringen nicht mehr die Leistung wie noch vor einigen Monaten oder verhalten sich irrational.”
Neben den Informationen über den Seelenzustand der Banker erlaubt der Bericht auch Einblick in die interne “Aufarbeitung” der Finanzkrise:
“Die Debatte über die Folgen der Krise, darüber, welche Lehren die Banken daraus ziehen sollten, rückt in den Hintergrund. Öffentlich üben sich die Manager zwar noch in Demut und geloben Besserung. Intern ist aber alles beim Alten. „Als sei die Krise nur ein kleiner Ausrutscher gewesen“, sagt der Personalrat einer Sparkasse. Die Bankenexperten von Verdi formulieren es dramatischer: „Die Zustände im Vertrieb sind schlimmer als jemals zuvor, Zielvorgaben wurden sogar erhöht.“
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