Leistet VW sich einen Porsche oder eine Milchkannenfabrik?

by Dirk Elsner on 3. Mai 2009

Nun wollen Medien herausgefunden haben, dass sich in der Porsche Holding eine Finanzierungslücke zum Erwerb weiterer Volkswagenanteile aufgetan habe. Nach Informationen des Spiegel muss die Porsche Holding für die VW-Übernahme in den nächsten Monaten neue Finanzierungen für 3,3 Milliarden Euro finden. Der VW-Aktie drohe außerdem Ungemacht, wenn Porsche die Optionskontrakte auf VW auslaufen ließe und Banken, die zur Absicherung ihrer Stillhalterpositionen VW Aktien gekauft hätten, diese verkaufen würden. Die Porsche Holding hatte die Kaufoptionen erworben, um die Übernahme von 75 Prozent der VW-Aktien sicherzustellen.

Beteiligungen Porsche Holding

Beteiligungen Porsche Holding (Quelle: Geschäftsbericht 2007/08

Statt einer Erhöhung der Beteiligungsquote der Porsche Holding an VW wird derzeit auch über den Verkauf der Porsche AG an VW nachgedacht. Das Geld fließt dann aus der gut gefüllten Kasse von VW an die Porsche Holding, die damit wiederum ihren Anteil an VW hochschrauben könnte. Zwischen den Familien Porsche und Piech, denen die Anteile an der Porsche Holding gehören, wird offenbar derzeit heftig konferiert, weiß das Handelsblatt. Focus berichtete VW könne die Porsche AG für rund elf Mrd. Euro kaufen. Damit wäre die Porsche Holding schuldenfrei.

Spannend an der Story ist, dass die jeweils gegenläufigen Konzepte von Wendelin Wiedeking (Porsche Holding übernimmt VW) und VW-Vorstandschef Martin Winterkorn (VW kauf Porsche) vorgelegt wurden. Als unbeteiligter Beobachter fragt man sich abseits der Finanzierungs- und der boulevardesken Gesichtsverlustthemen freilich nach dem Sinn beider Modelle.

Zwar kann sich VW mit einer Nettoliquidität zum Ende des ersten Quartals 2009 in Höhe von 10,7 Mrd. Euro die Transaktion gerade leisten, hätte dann aber alle Liquiditätsreserven aufgebraucht. Der betriebswirtschaftliche Sinn einer solchen Großtransaktion ist zudem nicht erkennbar. Beobachter fragen sich außerdem, warum VW das Geld für Porsche ausgeben kann, seine Finanzierungstochter aber gleichzeitig Staatshilfe in Anspruch nimmt. Konkurrenten betrachten dies bereits mit Argwohn, da sich der Wolfsburger Konzern durch die Staatsgarantie in der Absatzkrise Vorteile bei der Refinanzierung verschafft.

Mit den Argumenten, die Dr. Wendelin Wiedeking zur Fusion von Porsche und VW anführt, könnte übrigens genauso der Erwerb einer Milchkannenfabrik begründet werden. Im Geschäftsbericht der Porsche Automobil Holding SE schreibt er:

“Das Ziel ist eindeutig: Porsche will die Mehrheit beim Volkswagen-Konzern übernehmen und damit klare Besitzstrukturen schaffen. Die Strategie zur Umsetzung dieses Vorhabens mag nicht überall nachvollziehbar gewesen sein, sie folgte aber immer und ausschließlich unserer industriellen Logik: Wir sichern das Kerngeschäft von Porsche und Volkswagen ab und schmieden im zunehmend härter werdenden globalen Wettbewerb eine Automobilallianz, die die großen Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern wird. …

Dabei bringt die Porsche Automobil Holding SE allen Beteiligten Vorteile: Der VW-Konzern ist vor einer Zerschlagung durch Finanzinvestoren sicher, in der Porsche Automobil Holding SE sind die Rechte der Arbeitnehmer fest verankert und die Arbeitsplätze der Volkswagen-Mitarbeiter in Deutschland sind ebenso sicher wie die von Porsche. Unser Ziel ist es nun, die Entwicklung des Konzerns mit vereinten Kräften voranzutreiben.”

Im Geschäftsbericht muss man schon tief suchen nach Argumenten einer Fusion. Ein nicht genannter aber plausibler Grund könnte in der gemeinsamen Entwicklung des Hybrid-Antriebs liegen (S. 103), den Porsche gemeinsam mit VW und Audi entwickeln. Dafür bedarf es allerdings nicht einer finanziell hochriskanten Fusionstransaktion, es hätte auch eine gemeinsame Entwicklungstochter getan. Ohnehin haben sich die Zweifel hinsichtlich der Synergie- und Größenvorteile von Großfusionen seit dem Scheitern des einst hochgelobten Daimler-Chrysler-Experiments (siehe dazu ausführlich hier und hier) deutlich erhöht.

Diese und weitere betriebswirtschaftliche Überlegungen dürften allerdings in den nächsten Tagen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die auslaufenden Kauf-Optionen auf VW-Aktien setzen die Beteiligten unter hohen Handlungsdruck. Daneben werden die finanz- und machtpolitischen Agenden der Porsches, Piechs, Wiedekinds und Winterkorns die betriebswirtschaftliche Dimension dominieren.

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