Kreditklemme 2.0 und Rating 2.0 sorgen für Stress 2.0

by Dirk Elsner on 5. Juni 2009

Jetzt nähert sich offensichtlich die nächste Kreditklemme mit großen Schritten. Dies bestätigte erst gestern wieder das Handelsblatt. Die Zeitung stützt sich dabei auf eine Untersuchung der KfW. Die Banken selbst sehen die Einschränkungen weniger dramatisch und sprechen weiterhin von lebhafter Kreditvergabe, wobei gern übersehen wird, dass Inanspruchnahmen von Krediten auch auf Basis von Genehmigungen der letzten Jahre erfolgen.

Fairerweise muss man sagen, dass es sich nicht um eine Kreditklemme im engeren Sinn handelt. Wir sehen keinen Credit Crunch, weil die Banken mittlerweile wieder über die entsprechenden Mittel verfügen. Die Herausgabe dieser Mittel schränken die Institute aber ein, weil viele Unternehmen die gestiegenen Anforderungen für die Kreditvergabe nicht erfüllen.

Unternehmen geraten dabei doppelt unter Druck. Erstens hat die Konjunkturlage ihre Bonität verschlechtert und 2. sind die Bonitätsanforderungen der Banken gestiegen. Daneben ist der Weg über alternative Finanzierungsmöglichkeiten, etwa über Kreditversicherungen (in Zusammenhang mit Zahlungszielen), Leasing und Auslandsbanken weiter deutlich eingeschränkt. Hinzu kommt eine Verschlechterung der Zahlungsmoral, die Creditreform allerdings als noch nicht dramatisch einstuft.

Nur sehr eingeschränkte Abhilfe können hier die über die KfW bereitgestellten Bundesbürgschaften schaffen. Wenn die Banken die Risiken nach welchen Kriterien auch immer als zu hoch einschätzen, dann verweigert auch die KfW die Darlehen, denn in solchen Fällen gelangen die entsprechenden Anträge gar nicht erst zur Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Ein aktuelles Problem liegt damit in den Risikoeinschätzungen, die in der Regel nicht transparent sind. So kommen z.B. Unternehmen bestimmter Branchen oder Zielgruppen sowie Start-ups unter sonst gleichen Bedingungen schwerer an Darlehen, weil die Institute hier zu anderen Risikoeinschätzungen gelangen (das war allerdings auch in der Vergangenheit nicht anders). Wenn Unternehmen genauer wissen würden, welche Kriterien sie zu erfüllen haben und welcher Preis für welches Risiko gezahlt wird, dann könnten Sie sich auf diese Anforderungen deutlich besser einstellen und hätten eine entsprechende Kalkulationsbasis für neue Investitionen. Hier wäre jetzt noch ein längerer Exkurs notwendig, auf den ich aber aus Zeitgründen verzichten muss.

Die Probleme treten aber nicht nur bei kleineren oder mittleren Unternehmen auf. Auch für Großunternehmen verschärfen sich die Bedingungen, weil die Ratinggesellschaften derzeit ihre Modelle rekalibrieren. Paradoxerweise ziehen die Agenturen hier den Unmut vieler Investoren und Analysten  auf sich, wie das Handelsblatt gestern schrieb.

Betriebe, die bisher gut mit Liquidität respektive mit Kreditlinien ausgestattet sind, sollten ungeachtet ihrer aktuellen Situation ein Quercheck in Form einer verlängerten Liquiditätsplanung machen und dabei auch das eine oder andere Stressszenario durchspielen. Unternehmen, die sich bisher noch gar nicht mit Krisenmanagement befasst haben und nicht wissen, wie sie sich dem Thema nähern, die finden in dieser Artikelserie nebst der dazu gehörenden Mindmaps eine erste Unterstützung.

Aktuelle Schlagzeilen zur Kreditklemme und Staatshilfen

Welt: Kreditklemme bedroht die Konjunkturerholung

Netzeitung: Firmen fürchten Aus wegen Kreditklemme

Focus: Geld her, Frau Merkel, oder wir sind pleite

Focus: Ist die Pleite-Drohung nur ein Bluff?

Focus: ProSiebenSat1 – Ein Fall für den Schuldnerberater

Wiwo: Ausfallsrisiko Kreditversicherer tritt bei Arcandor auf die Notbremse

Spon: Arcandor rüstet zum entscheidenden Gefecht

FTD: Was Middelhoff falsch gemacht hat

HB: Arcandor: Die Zwickmühle der Großaktionäre

Focus: Guttenberg plädiert für Kaufhaus-Giganten

Wiwo: Warenhaus-Riese Welche Interessen die Banken an Arcandor haben

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