Wer erklärt den Sinn der Porsche Übernahme durch VW?

by Dirk Elsner on 24. Juli 2009

Nun ist es (zumindest vorläufig) vollbracht. Wendelin Wiedeking „feiert“ nach dem Rücktritt (hier im Wortlaut Wiedekings Rücktrittserklärung)  seinen Abschied in Zuffenhausen und VW schickt sich an, Porsche neben Skoda, Seat und anderen Marken in den Konzern zu integrieren. In den vergangenen Wochen hat der Blick Log immer wieder die ökonomische Logik dieser Transaktion in Frage gestellt (zuletzt hier: Wie sinnlos ist das denn? VW stellt sich Porsche in die Garage). Eine Antwort habe ich freilich nicht erhalten oder gefunden.

Die Berichterstattung hat sich auch gestern nicht für solche Fragen interessiert. Da ging es um unökonomische aber mehr Leser versprechende Schlagzeilen, wie etwa Belegschaft feiert entmachteten Wiedeking (Spon), Mehr als ein Tagessieg für Wulff (FAZ)Wiedekings Abgang: Demontage eines Eisenharten (Spon) oder so “So lief der Macht-Poker um Wendelin Wiedeking” (Welt) oder “Ein Erfolgsverwöhnter hat sich übernommen” (NZZ).

Nicht überraschend, aber dennoch irgendwie erschreckend, hörte ich im Deutschlandfunk, VW müsse jetzt ein Konzept erstellen zur Integration von Porsche. In der SZ hieß es dazu:“Wie Porsche und VW genau zueinander kommen, das ist noch nicht beschlossen. Es soll eine Fusion auf Augenhöhe geben, heißt es. Das heißt es allerdings fast immer, wenn Unternehmen andere übernehmen.” Wenn nun erst ein Konzept erstellt werden muss (dies soll angeblich bis 13. August vorliegen), auf welcher Basis hat man dann eigentlich die Entscheidung getroffen?

Oder stellt man die Frage nach dem Sinn gar nicht mehr. So scharfe Sätze wie etwa von Rüdiger Jungbluth in der aktuellen Printausgabe der Zeit: “Ohne Zweifel braucht Porsche die Kooperation mit VW,” lassen ja Fragen nach dem Sinn der Zusammenarbeit gar nicht erst zu. Aber bitte, was ist klar? Ich gestehe, ich habe es nicht verstanden. Ähnlich tief auch Michael Rasch in der NZZ: “Zudem ist die gefundene Lösung im besten strategischen und kommerziellen Interesse der beiden Firmen.”

In den letzten Monaten konnte man eine spannende von den Presseabteilungen beider Konzerne gefütterte Economy-Soap verfolgen, die heute das Finale der “Wiedeking-Staffel” erreicht hat. Der Zweck für Aktionäre und Mitarbeiter ist damit nicht erklärt, zumal Porsche ja eigenständig bleiben soll. Klar, VW hat die Produktion auf Effizienz getrimmt, aber funktioniert beim Cayenne das, was auch bei Polo funktioniert?

Die meisten Medien konzentrieren sich gestern auf das beliebte aber sinnfreie Gewinner- und Verlierer-Spiel. Im Fokus der Diskussion natürlich auch die 50 Mio. € Abfindung  für Herrn Wiedeking, die sofort die üblichen Diskursreflexe auslöste. Geschickt übrigens, zunächst Abfindungssummen bis zu 250 Mio. € zu streuen, um dann später die 50 Mio., von denen auch noch die Hälfte gespendet werden soll, dann entsprechend niedrig erscheinen zu lassen.

Schauen wir auf die Erläuterungen von Volkswagen selbst: “Aufsichtsrat stellt Weichen für integrierten Automobilkonzern” heißt es in der Presseerklärung. Diese Erläuterungen kann man zwar Hinweise auf die nächsten Prozessschritte entnehmen, eine Begründung findet man dort freilich nicht. Aus einer zweiten Erklärung von gestern unter dem Titel “Breite Zustimmung zur Integration von Volkswagen und Porsche” wird man nicht schlauer. Dort heißt es u.a.:

“So sieht der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Volkswagen Aktiengesellschaft, Dr. Ferdinand K. Piëch, den integrierten Konzern auf einem klaren Erfolgskurs: „Gemeinsam haben Volkswagen und Porsche alle Voraussetzungen, um eine führende Position in der internationalen Automobilindustrie zu erreichen“. Dr. Wolfgang Porsche betonte in Stuttgart, dass man mit den heutigen Beschlüssen eine nachhaltige und zukunftsweisende Richtungsentscheidung erreicht habe. Darüber hinaus sei sichergestellt: „Porsche wird im integrierten Konzern den Mythos und die Identität der Marke Porsche erhalten. Das eröffnet neue Wachstumschancen“.

Von den Protagonisten hört man die üblichen Statements, die irgendwie an das Abfeiern der Fusion zwischen Daimler und Chrysler erinnern: In Spon war zu lesen.

“Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff – dessen Land 20 Prozent an VW hält – verkündet, bis spätestens 2018 werde der neue Gigant der Branche Toyota  als Weltmarktführer ablösen. VW-Chef Winterkorn sinniert über ein neues „Kraftfeld“ in der Branche. Der Schattenmann, VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, hüllt sich zwar in Schweigen – aber das Glück des knallharten Machtmenschen über die neue Welt AG darf als sicher gelten.”

Die FTD zitiert Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff, der etwas von einer “richtigen industriellen Logik” dieser Transation weiß. Mir war gar nicht bekannt, dass es so etwas gibt. Vielleicht legt Herr Wulff die einfach offen, um damit gleich die Wirtschaftskrise zu bekämpfen.  Die FAZ sieht in der Transaktion “Mehr als ein Tagessieg für Wulff”, freilich aus politischen und nicht aus ökonomischen Gründen.

Eins dürfte sicher sein, wenn die Transaktion abgeschlossen ist, wird für VW das gelten, was bisher nur für einige Banken galt: “To big to fail.”  Über manche Details der Transaktion, die wohl in den nächsten Monaten allein schon aus aktienrechtlichen Gründen bekannt gegeben werden müssen, werden wir uns sicher wundern.

Eine sehr lesenswerte Darstellung der entscheidenden Aufsichtsratssitzung in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag liefert das Handelsblatt in: Warum Wiedeking den Kampf verloren hat „. Daraus erfährt man auch, dass Wiedeking noch eine letzten Versuch unternahm, seine Vorstellungen durchzusetzen:

„Unerwartet für viele Aufsichtsräte legt er stattdessen ein neues Konzept vor, um Porsches größtes Problem zu lösen: die Schulden. Entstanden dadurch, dass Porsche über längere Zeit VW-Aktien gekauft hat. Eine Lösung des Problems haben Deutsche Bank und Goldman Sachs für Wiedeking erarbeitet: eine Art von Management-Buy-out, an dem sich neben dem Porsche-Chef auch Finanzvorstand Härter beteiligen will. Das schlägt Wiedeking seinen Kontrolleuren vor – und bringt die meisten von ihnen zunächst in wichtigen Punkten auch hinter sich.“

Was dann die Gremien von diesem Vorschlag hat Abstand nehmen lassen, erfährt man leider nicht.

Weitere Berichte und Reaktionen

HB: Internationale Presseschau vom 24.7.2009

FTD: Wie Porsche in Volkswagen aufgeht

HB: VW-Porsche will Rivalen das Fürchten lehren

Weissgarnix: What a Betriebsratschef!

NZZ: Eine strategisch und kommerziell gute Lösung

Zeit: Martin Winterkorn, die stille Macht

FTD: Clash der Kulturen bei Volksporsche

HB: Waffenruhe löst Führungsproblem nicht

NZZ: Deutscher Fiskus könnte Porsche-Übernahme stoppen

FAZ: Die Fliehkräfte eines Überholmanövers

HB: Wiedeking scheitert auf hohem Niveau

Zeit: Konzernstruktur – Volkswagen übernimmt Porsche stückweise

Nachträge

Wiwo: Porsche gegen VW Die Anatomie der Porsche-Schlacht: Es war der größte deutsche Wirtschaftskrieg. Der ehemalige Inspekteur der Marine und Vizeadmiral a. D. Lutz Feldt analysiert das Scheitern des Porsche-Feldzuges gegen VW und erklärt was Manager daraus lernen können.

FTD: VW und Porsche – Der Autokrake: Der neue Konzern hat künftig alles im Angebot – vom Kleinwagen, über Lkw bis zur Luxuskarosse. Damit kann das Unternehmen die Konkurrenz das Fürchten lehren. FTD.de zeigt, wo beide Seiten voneinander profitieren – und wie schlagkräftig sie sein werden.

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